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Paul Friedrichs: Spießrutenlauf als dreifacher Champion

Kolumne von Thoralf Abgarjan
Wie stark der Einfluss von Politik auf den Sport sein kann, zeigen die Ereignisse des Jahres 1968. Paul Friedrichs kam als frisch gebackener Weltmeister in die ČSSR, als die Aufstände des 'Prager Frühlings' begannen.

Das Interessanteste an den Talkessel-Classics sind die legendären Abenteuer der Haudegen der Motocross-Geschichte.

Im Jahr 1968 holte der deutsche CZ-Werksfahrer Paul Friedrichs seinen dritten WM-Titel in der Königsklasse bis 500ccm. Er gewann die WM vor dem Briten John Banks (BSA), den beiden Schweden Ake Jonsson und Aberg Bengt auf Husqvarna und einem gewissen Roger DeCoster aus Belgien, der - wie Friedrichs - ebenfalls mit der Zweitakt-CZ unterwegs war.

Friedrichs Teamkollege war der junge Heinz Hoppe, der in der Ära nach Friedrichs der erfolgreichste Motocross-Fahrer der DDR werden sollte und damals noch ganz am Anfang seiner Karriere stand.

Heinz Hoppe, der den Talkessel in den 1970er und 80er Jahren rockte, war Anfang Mai bei den Talkessel Classics dabei und hatte wieder viele Geschichten auf Lager, über die die Jungen von heute nur staunen können.

Die WM 1968 wurde über 13 Läufe ausgetragen. Am Ende des Jahres wurde Friedrichs Weltmeister und Hoppe WM-17ter. Das WM-Finale fand am 18. August 1968 in Wohlen (Schweiz) statt.

«Wir fassten auf einer Tour immer 3 Rennen zusammen», erinnert sich Hoppe. «Die letzten 3 WM-Läufe waren in Namur (Belgien), Ettelbruck (Luxemburg) und Wohlen (Schweiz). Das nächste wichtige Rennen war das Motocross der Nationen in Kischinev am 15. September. «Wir mussten von Wohlen aus ins CZ-Werk nach Strakonice zur Motorenrevision für das MXoN und wollten uns ein paar Tage dort aufhalten», erinnert sich Hoppe. «Am Mittwoch, dem 21. August geschah aber etwas Merkwürdiges: Wir wurden nicht so freundlich wie sonst im Werk empfangen. Die Stimmung war irgendwie merkwürdig gedrückt. Ein Renningenieur kam aufgeregt zu uns uns erklärte, dass wir umgehend das Land verlassen sollten, weil der Krieg ausgebrochen sei.»

In der Nacht zum 21. August 1968 begann die Zerschlagung des 'Prager Frühlings' durch Truppen des Warschauer Paktes, dem Gegenmodell der heute noch existierenden NATO. Eine halbe Million Soldaten der Sowjetunion, Polens, Ungarns und Bulgariens marschierten mit Panzern in die Tschechoslowakei ein und besetzten innerhalb von wenigen Stunden alle strategisch wichtigen Positionen.

«Wir wussten nicht, was los ist, packten aber unsere Sachen in unseren B-1000 [Anm.: Der DDR-Transporter mit Zweitaktmotor] und machten uns sofort auf den Weg in Richtung Heimat. Überall im Land gab es Unruhen, Proteste und es lag viel Aggression in der Luft. Unterwegs wurden wir von einem gewaltbereiten Mob angegriffen, der wie wild auf unseren B-1000 einschlug. Sämtliche Fensterscheiben zerborsten, die Karosse total verbeult. Die Bahnübergänge waren unpassierbar, denn die sowjetischen Panzer hatten mitten auf den Gleisen gedreht und die Schienen verdreht. Die Gleise ragten senkrecht nach oben, so dass wir auf Feldwege ausweichen mussten.»

Am Morgen des 21. August wurde aber der zivile Grenzverkehr zwischen der CSSR und der DDR komplett eingestellt. «Als uns die tschechischen Grenzposten mit unserem verbeulten Auto kommen sahen, winkten sie uns einfach durch. Die DDR-Grenzposten wunderten sich, wo wir herkamen. Paul, der von den Vorkommnissen auch schon ziemlich verwirrt war, meinte nur: Von den Russen. Die Grenzer ließen uns passieren und wir waren einfach nur noch froh, dass wir gesund in Apolda ankamen. Unser Transporter allerdings war ein Totalschaden und nicht mehr zu retten.»

Die Ereignisse um den 'Prager Frühling' hatten danach noch weitere Konsequenzen: Das Motocross der Nationen am 15. September 1968 im sowjetischen Kischinev wurde von vielen westlichen Ländern boykottiert, weshalb sein Wert bis heute umstritten ist, denn starke Mannschaften wie z.B Belgien fehlten wegen des politisch motivierten Boykotts.

Fakt ist: Die ostdeutsche Mannschaft mit Paul Friedrichs, Heinz Hoppe, Helmut Schadenberg und Reinhard Fischer belegte Platz 2 hinter Gastgeber UdSSR vor Frankreich. Diese Leistung war bis über die Jahrtausendwende das beste Ergebnis einer deutschen Mannschaft beim Motocross der Nationen. Erst 2012, als in Lommel Ken Roczen, Max Nagl und Marcus Schiffer die Chamberlain-Trophy gewannen, wurde diese Leistung aus dem Jahre 1968 übertroffen.

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