Seltsame Vorgänge im «Eis-Tal»

Von Sigi Friedlmann
"Mundl" in Aktion

"Mundl" in Aktion

Erst am zweiten Tag wurde die Jänner-Rallye zu jenem Thriller, den man sich so sehr gewünscht hatte.

Erst dann konnte nämlich nach Herzenslust auf Schnee und Eis gedriftet werden. Die Nachwehen der vorletzten Sonderprüfung werden aber wohl noch eine Weile zu spüren sein.

Eine Inboard-Aufnahme aus jenem Evo IX, der 2008 noch mit Carlos Sousa im Rahmen des Red Bull-Teams die Gruppe N-WM bestritten hatte, brachte mit Verspätung zutage, was da in der sibirischen Einsamkeit 10 km vor dem Ziel der vorletzten SP wirklich abgegangen war.

Es schneite schon seit Stunden. Nach einem Vormittag, der vom rapide geschrumpften Feld nur mit Spikes absolviert worden war, rauchten in der Servicezone vor den beiden 24 km langen Final-SP einige Köpfe. Vor allem bei BRR und „VW Motorsport Austria“. Schließlich war die Rallye auf einmal wieder spannend geworden, nachdem Raimund Baumschlager seinen Rückstand auf Andi Waldherr im Schnee von 1:15 min. nach der 1. Etappe auf 38 sec. reduziert hatte. Die Reifenfrage für die folgende erste Prüfung im Aisttal (im Rallye-Jargon schon lange zum „Eis-Tal“ umgetauft) war also die alles entscheidende. Trotz Berichten, daß das letzte Drittel der Prüfung bereits schneebedeckt und die Tendenz eher steigend als fallend war, fuhr Waldherr dann todesmutig mit Intermediates hinaus, Baumschlager folgte eine Minute später auf den legendären Matador-Regenreifen. Der Rest setzte auf Spikes.

Waldherr kam schließlich in einer langen Bergab-Passage etwas ins Rutschen, brachte seinen Polo zwar noch in die nächste Linkskurve, traf dort aber einen Stein, der ein Kugelgelenk in der linken vorderen Aufhängung brechen ließ. Der Wagen strandete quer auf der Straße stehend. Gewarnt vom nach oben geeilten Ritchie Jeitler gelingt es Baumschlager, sich langsam rechts am Polo vorbei zu zwängen, um weiterzufahren. Der Rosenauer beschleunigt wieder, Thomas Zeltner sagt die nächste Kurve an, als folgendes von seinem Fahrer zu hören ist: „„Hätt’ ma steh’n bleiben soll’n? Bleib’ ma steh’n, bleib’ ma steh’n, brech’ ma’s ab, weil dann is’ er weg.“ Mit mehreren „Ja“ des Co zwischendurch.

Die Prüfung wurde tatsächlich abgebrochen, weil danach kein weiterer Pilot die Prüfung noch fortsetzte, aber die Begleitumstände sind zumindest fragwürdig, weil die Motivation hinter dem Anhalten Baumschlagers nicht ganz durchsichtig ist. Denn Waldherr wäre auch ohne Abbruch „weg“ gewesen und der womöglich besser bereifte Hermann Gaßner war offensichtlich noch nicht im Windschatten Baumschlagers aufgetaucht. Mit 1:20 min. Rückstand vor dieser Prüfung ist es eher zweifelhaft, daß er den Österreicher noch überholt und entsprechend abgehängt hätte. Wozu also das Ganze? Die Sache bleibt ein Mysterium und wirft ein wenig Schatten auf einen überlegenen Sieger.

Die Aussichten auf einen weiteren tschechischen Sieg waren schon nach drei SP Geschichte, denn da hatte sich der mit zwei Sekunden vor Waldherr führende Pavel Valoušek aus der letzten Kurve der dritten SP befördert.

Nun stürmte Waldherr auf dem weitgehend trockenen Asphalt auf und davon, wobei Baumschlager nach acht SP der letzte war, der sich noch innerhalb einer Minute Rückstand hielt. Nach den 12 SP der 1. Etappe war’s aber auch um den letzten Verfolger geschehen

Sibirische minus zehn Grad bei teilweise heftigem Sturm im Großraum Liebenau-Unterweißenbach-Königswiesen bescherten den Fans am Sonntag endlich richtig winterliche Atmosphäre, wobei einige Piloten aufblühten. Nicht nur, daß Baumschlager sich auf Schlagdistanz an Waldherr heran kämpfte, ehe es dann zu den erwähnten Ereignissen im „Eis-Tal“ kam.

Hinter den beiden Österreichern hatte sich am Samstag bald die Familie Gaßner auf den Plätzen drei und vier etabliert, zuerst der Junior vor dem Senior, nach einem kleinen Ausrutscher war’s umgekehrt. Ein Dreher knapp vor dem Ziel der Eröffnungs-SP am Sonntag kostete Hermann junior dann endgültig den Anschluß, da er bei Reversier-Versuchen dreimal den Motor abwürgte und schließlich 300 m im Rückwärtsgang ins Ziel fuhr – Zeitverlust knapp 1:20 min. Was aber an seinem vorläufig vierten und letztendlich dritten Platz nichts änderte.

Manfred Stohl war im Vorfeld als Co-Favorit verkauft worden. Eine Rolle, mit der sich der Ex-Weltmeister gar nicht anfreunden konnte. Schließlich fuhr er das erste Gruppe N-Erdgas-Auto, und als er die 1. Etappe auf Platz 10 beendet hatte, meinte Co-Pilotin Ilka Minor nur lakonisch: „Es ist genauso gelaufen, wie wir uns das vorgestellt haben.“ Manfred dazu: „Mit nur einer Einspritzdüse kommt halt nicht genügend Gas in den Motor, kurz gesagt, es fehlt uns im Moment deutlich an Leistung.“

Am Sonntag spielte Motorleistung eine weniger gewichtige Rolle, es waren die Tiere hinter dem Lenkrad gefragt: Prompt erzielte Manfred zwei Bestzeiten und stürmte im Subaru noch auf Platz 4: „Gott sei Dank war der Samstag, sonst täten’s uns wohl gleich einen 30 mm-Restriktor verpassen“, meinte er mit einer Portion Sarkasmus. Ob’s nach der Trennung von Beppo Harrach mit Manfred als Fahrer des OMV-Erdgasteams weiter geht, wird erst entschieden. Der Ölmulti hält sich mit Aussagen noch sehr zurück.

In seinem Element war auch der große Stig Blomquist im Ex-Plöderl-Evo IX von Grabner Motorsport. Nach der 1. Etappe auf Platz 9 liegend zeigte der 62jährige Ex-Weltmeister, daß er auf Schnee mit gleichem Material immer noch zu den besten seiner Zunft zählt. Am Ende kam er in seiner fünften Jänner-Rallye erstmals ins Ziel und das gleich auf Platz 5, vor dem besten Tschechen.

Fünf Diesel fochten um die Pokale. Michael Böhm lag nach sieben SP knapp 10 sec. vor Michael Kogler, eher er sich auf einem Eisfleck ins Out kanonierte und Kogler den Sieg schenkte. Womit hier bereits eine Titel-Vorentscheidung gefallen sein könnte, schließlich gibt’s ja kein Streichresultat mehr.

Verhindert wurde eine solche in der Division II, die ein trauriges Bild bot. Von den vier Teams, die um Punkte fuhren, war je eines aus Ungarn und Polen (die Zentraleuropa-Nachbarn, zu denen auch Italien, nicht aber Deutschland gehört, sind ja 2009 aus welchem Grund auch immer wieder punkteberechtigt). Daniel Wollinger dominierte wie er wollte und mußte nie etwas riskieren. Vor der letzten SP hatte er 10 min. Vorsprung auf den Seat-Piloten Franz Kitzler, der seine allererste Rallye fuhr. Nur 500 m in die Final-SP jedoch brach ohne Vorwarnung ein Traggelenk am Fiesta und schenkte Kitzler damit den Sieg und die ÖM-Führung.

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