Honda in der Superbike-WM: Ein rätselhaftes Konzept

Kolumne von Günther Wiesinger
Stefan Bradl auf seiner Superbike-Honda

Stefan Bradl auf seiner Superbike-Honda

Stefan Bradl fuhr in Suzuka erstmals die Honda-Endurance-Fireblade und war begeistert. Aber die japanischen Ingenieure liefern kein Know-how an das Superbike-WM-Team. Die Gründe sind nicht stichhaltig.

«Wenn sich Honda an einer Rennserie beteiligt, dann wollen wir gewinnen», wurde Stefan Bradl vor einem Jahr gesagt, als er bei Honda Motor Europe (HME) für die Superbike-WM unterschrieb.

Ganz abwegig schien dieses Vorhaben nicht. Denn Michael van der Mark und Nicky Hayden steuerten die acht Jahre alte Fireblade im Vorjahr auf die WM-Ränge 4 und 5, Hayden gewann in Sepang, immerhin wurden sechs Podestplätze erobert.

Für 2017 brachte Honda als weltgrößter Motorradhersteller die sehnsüchtig erwartete neue Honda CBR 1000RR Fireblade auf den Markt. Mit der SP2 wurde extra ein Motorrad nur für den Rennsport entwickelt, als Basis für eine Superbike-Siegermaschine. Honda will damit endlich auch wieder die prestigeträchtigen «Suzuka Eight Hours» gewinnen, erstmals seit 2014.

Dieses Motorrad erhält bei den Vergleichstests der Serienbikes durchwegs gute Kritiken.

Das neue Superbike soll 18 kg weniger wiegen und fast 20 PS mehr leisten als das Vorgängermodell, auch das ride-by-wire-System wird als fortschrittlich bezeichnet.

Trotzdem liegt Stefan Bradl, der 2016 bei Aprilia in der MotoGP-WM noch sechs Top-Ten-Plätze eroberte und das Quali-Duell gegen seinen Teamkollegen Álvaro Bautista gewann, in der WM vor der Sommerpause an der jämmerlichen 13. Position.

Auch Nicky Hayden, ebenfalls keine Schlafmütze, brachte bis zu seinem tödlichen Unfall keine besseren Ergebnisse zustande als Stefan Bradl.

Bradl berichtet, er blicke in der Box dauernd in ratlose Gesichter, er erzählt von defekten Dashboards (passierte im Rennen in Imola auch bei Nicky Hayden), von nicht funktionierenden neuen Elektronik-Strategien (Misano), von dauernden Motorenwechseln und verschobenen Motoren-Updates, die sich dann als Reinfall erwiesen.

Nicht zuletzt wegen der mangelhaften Resultate konnte bisher kein Hayden-Nachfolger gefunden werden. Leon Camier fährt lieber ohne Gage bei MV Agusta, denn dort kann er jederzeit in die Top-6 fahren. Auch die privaten BMW und Aprilia sind schlagkräftiger als die Honda.

Honda lag in der Konstrukteurs-WM von Anfang an auf dem siebten und letzten Platz – mit zwei Ex-Weltmeistern wohlgemerkt, die dauernd von privaten Ducati, Vorjahres-Kawasaki und fünf Jahre alten Aprilia besiegt wurden.

Es wird ja keiner ernsthaft behaupten, Lorenzo Savadori und Ramon Ramos seien bessere Piloten als Hayden und Bradl.

Honda Motor Europe muss selber bewerten, wie schlau, sinnvoll und zielführend es war, sich bei der Elektronik und beim Motortuning auf Cosworth zu verlassen. Die Resultate sprechen Bände.

Kawasaki, Ducati, Yamaha und MV Agusta verwenden in der Superbike-WM Motorsteuerungen von Magneti Marelli.

Kawasaki, Ducati und Yamaha haben 2017 die Podestplätze unter sich ausgemacht. Noch Fragen?

Viele Honda-Fans auf der ganzen Welt wundern sich, warum Honda Motor Europe selbst bei den ständigen SBK-Blamagen im Jahr 2017 keine technische Unterstützung von der Honda Racing Corporation (HRC) und aus anderen Honda-Abteilungen in Japan erhält.

Nun, in Japan wurde irgendwann beschlossen: Die Superbike-WM ist Rennsport mit Production-Motorrädern, dafür ist HRC nicht mehr zuständig, HRC kümmert sich künftig nur um den Prototypensport.

Naja, von einem durchschlagenden Erfolg dieses Konzepts kann man nicht sprechen. Denn Honda hat die Superbike-WM seit 2007 (James Toseland) nicht mehr gewonnen.

Der aufmerksame Schreiber dieser Zeilen wundert sich.

Denn HRC betreibt ganz offiziell auch das Rallye-Dakar-Werksteam. Der ehemalige HRC-Vizepräsident Nakamoto sagte, das sei der zweitwichtigste Event nach der MotoGP-WM.

Aber: Wird bei der Dakar mit Prototypen gefahren? Eher mit strassentauglichen Enduro-Bikes für Marathon-Distanzen.

Sind die Motorräder für die Cross-WM und die Supercross Championship Prototypen im Sinne der MotoGP-Motorräder RC213V? Das will ich nicht beurteilen.

Aber die Superbike-WM sollte für den Giganten Honda zumindest einen ähnlichen Stellenwert haben wie für die Zwerge Ducati und Aprilia, die in den letzten Jahren zahlreiche Titel und Laufsiege einheimsten. Aprilia gewann seit 2010 drei WM-Titel, zwei mit Biaggi, einen mit Guintoli. Ducati kämpft 2017 mit Chaz Davies um den zweiten WM-Rang.

Man muss nicht boshaft sein, wenn man die Performance von Honda in der Superbike-WM als unterirdisch bezeichnet.

Auch Sponsor Red Bull hat sich gewiss mehr erwartet.

Deshalb muss die Frage erlaubt sein, warum das Motorrad für die japanische Superbike-Meisterschaft von Honda Research & Development (R&D), von der Honda Racing Division und von HRC gemeinsam entwickelt wird, genau so wie das werksunterstütze Motorrad für die «Suzuka Eight Hours», warum aber das Honda-Team in der Superbike-WM kein konkurrenzfähiges Material aus Japan bekommt.

Haben die Marketing-Strategen dieses Weltkonzerns noch nicht kapiert, dass der Kunde auf der Tribüne nur Honda sieht und es absolut nebensächlich ist, welche Abteilung dieses Projekt verbockt hat? Oder ist für Honda der Markt Japan immer noch wichtiger als der Rest der Welt? Sieht so aus.

Wenn in Japan ein Motorrad bereit steht, das Stefan Bradl bereits beim erstmaligen Hochschalten in den dritten Gang als besser und schlagkräftiger einschätzt: Warum wird es dann nicht schleunigst in der Superbike-WM eingesetzt?

Weil Honda die Superbike-WM nicht ernst nimmt?

Warum fährt man dann überhaupt mit? Um die Importeure und Händler auf der ganzen Welt zu blamieren?

Erinnern Sie sich an den Slogan «Honda enters, Honda wins»?

Firmengründer Soichiro Honda würde sich im Grab umdrehen, wenn er miterleben müsste, wie dilettantisch sich Honda in der Dakar-Rallye und in der Superbike-WM verhält.

Von der Formel 1 ganz zu schweigen.

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