Stefan Bradl: «Meine Leistung wurde nicht anerkannt»

Von Günther Wiesinger
«Es war deprimierend», sagt Stefan Bradl

«Es war deprimierend», sagt Stefan Bradl

Stefan Bradl hat mit dem Kapitel Superbike-WM vorläufig abgeschlossen. Er hofft auf einen MotoGP-Testfahrervertrag. Nun liegt es an Red Bull, wer 2018 auf der zweiten Honda Fireblade sitzen wird.

Wenn kein Wunder mehr passiert, wird Stefan Bradl nächstes Jahr nicht mehr in der Superbike-Weltmeisterschaft zu sehen sein.

Das Ten-Kate-Honda-Team hat bisher wenig getan, um ihm eine weitere Saison auf der Fireblade schmackhaft zu machen.

Monatelang hat Stefan Bradl auf ein Angebot gewartet, Leon Camier wurde am 12. Oktober als neuer Pilot verkündet. Bei Honda ist zu erfahren, dass es nun hauptsächlich an Hauptsponsor Red Bull liege, wer zweiter Fahrer wird. Red Bull-Athlet Jake Gagne ist zu langsam, Piloten wie Loris Baz und Sylvain Guintoli sind im Gespräch. Davide Giugliano macht sich Hoffnungen.

Bradl bevorzugt jetzt offenbar die Möglichkeit, 2018 sein Geld als MotoGP-Testfahrer zu verdienen.

Momentan sehnt der 27-jährige Bayer seine Genesung herbei. Am 16. November wird der Draht aus dem rechten Handgelenk entfernt, der wegen des beschädigten skaphulonären Bandes eingefügt wurde. «Ich zähle jeden Tag. Irgendwann im Dezember darf ich die Hand wieder belasten», sagt er. «Dann möchte ich möglichst bald mit dem Offroad-Motorradtraining beginnen.»

Und er hofft, nach drei Jahren wieder auf die Honda RC213V zurückkehren zu können.

Stefan, seit 2011 hat es nie mehr so lange gedauert, dass du einen Vertrag für die folgende Saison unterschrieben hast. Damals ist der Deal mit LCR-Honda erst nach dem Valencia-GP besiegelt worden. Aber du bist nicht beunruhigt?

Naja, beunruhigt bin ich nicht, es laufen ja verschiedene Gespräche. Ich stehe ja nicht mit leeren Händen da.

Die Auswahl ist zwar nicht so, dass ich sagen kann, ich habe da einen Luxus vor mir. Aber ich muss nicht fürchten, arbeitslos zu werden. Es gibt ein paar Ideen und Möglichkeiten.

Die Gespräche laufen. Ich hoffe, dass ich bald etwas Konkretes verkünden dann.

Die deutschen Teammitglieder bei Repsol Honda haben gehört, dass du als MotoGP-Testfahrer bei HRC im Gespräch bist. Eine Aufgabe, die bisher Hiroshi Aoyama ausgeübt hat. Pirro und Kallio haben sich als Testfahrer viel Respekt verdient. Aber du würdest lieber eine komplette Rennsaison absolvieren, als zum Beispiel Tests und drei Wildcard-Einsätze?

Ja, aber die Superbike-Saison 2017 ist nicht glücklich verlaufen. Deshalb sind die Angebote nicht so, dass ich eine Riesenauswahl hätte. Mit einem Vertrag als MotoGP-Stammfahrer hat es nicht geklappt.

Welche Aufgaben erwartet man von einem MotoGP-Testfahrer?

Es ist kein Geheimnis, dass ich mit HRC in Kontakt bin. Aber es müssen noch einige Fragen geklärt werden.

Wäre es nicht vorstellbar, dass du die Superbike-WM und MotoGP-Tests für Honda absolvierst?

Darüber kann ich kein Urteil abgeben. Honda will ein Testteam aufbauen, das ist bekannt. Aber es steht sicher noch nicht fest, bei wie vielen Testtagen der Fahrer im Einsatz sein soll. Das Projekt ist noch sehr neu. Es musste ja wohl abgewartet werden, wie sich die Testbeschränkungen für 2018 verändern.

Wird auch über Wildcard-Einsätze gesprochen?

Das wäre für mich auf jeden Fall wünschenswert.

Und du wärst dann statt Aoyama auch Ersatzfahrer für die Teams von Repsol, LCR und Marc VDS?

Ich weiß noch nicht, was in dieser Hinsicht geplant ist. Ja, Hiroshi ist 2015 dreimal für Dani Pedrosa eingesprungen, in Motegi 2017 für Jack Miller. Das ist bekannt.

Es gibt bei diesem Projekt noch einiges zu besprechen. Ich werde in Valencia sein und voraussichtlich mehr erfahren.

Die Superbike-WM ist kein Thema mehr? Du bist mit hohen Erwartungen in die Saison gegangen. Aber das Motorrad war nie konkurrenzfähig.

Ja, es ist frustrierend zu sehen, wenn man stillsteht und nichts getan wird. Es wurde permanent viel versprochen und erzählt. Aber immer wenn ich an die Strecke gekommen bin, habe ich mich mit dem gleichen Problem rumgeschlagen wie beim ersten Test und beim ersten Rennen.

Das ist halt deprimierend. Du kannst nicht ein Jahr lang auf die Strecke rausgehen und 110 Prozent geben, wenn dann nur 12. oder 13. Plätze herauskommen. Das Motorrad hat 110 Prozent verlangt, wenn man Richtung Top-Ten fahren wollte. So etwas kann ich nicht permanent abrufen, weil ich sonst auf der Schnauze liege und mir weh tue – wie es in Portimão passiert ist.

Wenn ich in die Box zurückgekommen bin, wurde meine Leistung nicht anerkannt. Ich sollte 110 Prozent riskieren, aber das Motorrad blieb unfahrbar. Die Elektronik hat mir nie ein konstantes Vertrauen gegeben. Das ging meinen Teamgefährten ähnlich. Man musste immer damit rechnen, dass mit der ECU etwas schiefgeht und du auf der Schnauze liegst. So lässt sich schwer Vertrauen zum Motorrad aufbauen. Es gab nie eine konstante Steigerung. Es wurde beim Motorrad nie eine Basis gefunden, die dann erlaubt hätte, den nächsten und den übernächsten Schritt zu machen. Es ist immer wieder etwas dazwischen gekommen, was uns gewaltig zurückgeschmissen hat.

Das Misano-Wochenende ist zum Beispiel durch eine unbrauchbare neue Elektronik-Strategie vermurkst worden?

Es sind 1000 Sachen erzählt worden... Alle haben sich andere Ergebnisse ausgerechnet. Fakt ist, dass jeder Fahrer mit den gleichen Problemen zu kämpfen hatte.

Ich habe meine Kritik vielleicht zu öffentlich und zu unverblümt ausgedrückt. Aber ich kann das nicht alles verschweigen und alles die ganze Zeit in mich hineinfressen.

Ich wollte schauen, dass irgendetwas vorwärts geht. Denn die Situation war und ist deprimierend. Man muss ja nur die Ergebnisse anschauen.

Man hätte gravierende und schnellere Veränderungen anstreben und erzielen müssen. Denn man ist in der zweithöchsten Motorradrennsport-Kategorie. Niemand hat da Zeit, Jahre zu vertrödeln, kein Fahrer, kein Sponsor, kein Team. Aber ich bin auf viel Unverständnis gestoßen.

Ich hätte am liebsten schon nach der Sommerpause die Marelli-ECU eingesetzt. Aber mir wurde gesagt, das sei unmöglich. Ich habe bei Aprilia in der MotoGP den Umstieg von der APX auf die Magneti-Marelli-Elektronik miterlebt. Das erfordert natürlich akribische Testarbeit. Aber mit gutem Willen kann man das in vier Wochen mit ein paar Tests einigermaßen in den Griff kriegen.

Man hätte vor der Sommerpause sagen sollen: Wir müssen auf die Zukunft schauen und notfalls mit der Marelli-ECU eine schwierige Phase durchmachen. Das wäre im Hinblick auf 2018 sinnvoll gewesen. Es hätte dann eine Aussicht auf Besserung bestanden.

Dann hätten alle im Team frische Motivation gespürt. Und unser Sponsor wäre auch froh gewesen.

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