Abrechnung: «Wir wurden von Honda dazu gezwungen»

Von Ivo Schützbach
Vier Jahre lang vertraute Honda auf die Elektronik von Cosworth

Vier Jahre lang vertraute Honda auf die Elektronik von Cosworth

2013 hat die Honda Racing Corporation in der Superbike-WM eine eigene Elektronik eingesetzt. Weshalb diese scheiterte, wie das Honda-Team bei Cosworth landete und warum der Umstieg auf Magneti Marelli stattfand.

Seit dem Ausstieg von Aprilia nach der Saison 2018 vertrauen in der Superbike-WM alle Hersteller bis auf BMW auf eine elektronische Motorsteuerung aus dem Haus Magneti Marelli. Die Bayern setzen auf ein gemeinsam mit Bosch entwickeltes System; Honda hat Partner Cosworth nach dem zweiten Meeting 2018 den Rücken gekehrt und ist seitdem ebenfalls mit Magneti Marelli unterwegs.

Dabei verfügt die Honda Racing Corporation (HRC) über eine hochentwickelte eigene Elektronik aus der MotoGP-WM, welche dort bis inklusive 2015 zum Einsatz kam. Seit 2016 ist in der MotoGP-Klasse die Einheitselektronik von Magneti Marelli Vorschrift.

2013 vertraute das damals Pata Honda genannte Team auf die Hilfe von HRC. Doch schnell zeigte sich: Die auf Bridgestone-Reifen für den V4-MotoGP-Motor entwickelte Elektronik funktionierte auf dem Reihenvierzylinder-Superbike mit Pirelli-Reifen nicht so gut wie erhofft. Und die anfängliche Unterstützung von HRC für den damaligen Partner Ten Kate Racing flaute nach Saisonbeginn rasch ab.

Den Entscheidungsträgern bei Pata Honda wurde schnell bewusst, dass sie sich selbst helfen müssen, wollen sie aus der Misere. Deswegen wurde im Herbst 2013 eine neue Elektronik auf den Weg gebracht. Cosworth kümmerte sich um die Programmierung, die ECU wurde gemeinsam mit Ten Kate gebaut. Diese war dann von 2014 bis März 2018 in Verwendung.

Als es nach drei sorgenfreien Jahren mit Cosworth mit der Umstellung auf die neue Honda CBR1000RR Fireblade SP2 zu Beginn der Saison 2017 große Schwierigkeiten mit der Elektronik gab, kam die Frage auf, ob die britische Firma der richtige Partner sei. Problematisch für das damalige Red-Bull-Team: Nur sie arbeiteten mit Cosworth. Die Honda-Teams in der IDM und Suzuka setzten auf andere Zulieferer.

Auch nicht immer mit Erfolg: 2015 entpuppte sich die HRC-Elektronik beim Suzuka Eight Hours als wenig tauglich, Casey Stoner hatte einen schlimmen Sturz, weil die Traktionskontrolle versagte.

«2017 war wegen verschiedener Dinge ein Desaster», erinnerte sich Ronald ten Kate, über 20 Jahre Partner von Honda in der Superbike-WM. «Während der Wintertests vor der Saison 2018 waren wir mit Leon Camier konstant in den Top-5. Bei den ersten beiden Events in Australien und Thailand waren wir nahe am Podium dran, dann mussten wir auf die Elektronik von Magneti Marelli umstellen, was ein Witz für sich ist. Jemand bei Honda war sich sehr sicher, dass Magneti Marelli für 2019 Elektronik-Alleinausrüster wird, deshalb mussten wir umsteigen.»

Der mit Magneti Marelli eingeschlagene Weg wurde von Honda auch fortgesetzt als längst klar war, dass die Cosworth-Elektronik inzwischen besser funktioniert als das neue System. Und, dass es für die Superbike-WM keine Einheitselektronik geben wird.

Ten Kate gegenüber SPEEDWEEK.com weiter: «Honda stellte einige Leute an, die sich um die Motorabstimmung und Strategiefestlegung kümmern sollten – es entwickelte sich zu einem Desaster. Innerhalb der ersten Stunde mit der neuen Elektronik gab es auf dem Prüfstand zwei Motor-Totalschäden, dann mussten wir zum Event nach Aragon. Dort verbrachten wir mehr Zeit im Krankenhaus, als in unserer Box. In Aragon mussten wir Camier ins Krankenhaus einliefern, in Assen, wo wir mit einem Fahrer antreten mussten, wurde Jake Gagne zum Mond geschossen. In Imola kam Ersatzfahrer Jason O’Halloran zum Einsatz und hatte unglücklicherweise ebenfalls einen massiven Highsider. Alle Verletzungen waren der neuen Elektronik zuzuschreiben. Rückblickend war es ein großer Fehler, zu diesem System zu wechseln. Vor allem als klar wurde, dass es 2019 keine Einheitselektronik geben würde. Die ECU, die wir von Marelli bekamen, war neu – kein anderes Team benützte sie, bis heute nicht. Das war ein weiterer Fehler.»

«Wir erhielten die Motorsteuerung in Thailand und hatten die ECU nie in unserer Werkstatt», ergänzte Teammanager Kervin Bos. «Nach den Wintertests und den Ergebnissen in den ersten Rennen freuten wir uns über die Fortschritte mit Cosworth. Der Umstieg auf Marelli wurde uns von Honda aufgezwungen, wir wollten das nicht.»

Der Rest ist Geschichte: Honda und Ten Kate Racing trennten sich Ende Oktober 2018, das niederländische Team kehrt Anfang Juni 2019 mit Yamaha und Fahrer Loris Baz in die seriennahe Weltmeisterschaft zurück.

Seit 2019 kümmert sich die Honda Racing Corporation gemeinsam mit den Partnern-Teams Moriwaki und Althea um den Auftritt in der Superbike-WM, in den ersten vier Events konnten Camier und Kiyonari kein einstelliges Ergebnis einfahren. Für 2020 will Honda «das stärkste» Superbike bauen. Niemand wäre überrascht, wäre dieses mit der hauseigenen HRC-Elektronik ausgerüstet.

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