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Glemser: 50 Jahre Vollgas – und noch immer leise!

Von Yörn Pugmeister
Dieter Glemser feierte seinen 75. Geburtstag

Dieter Glemser feierte seinen 75. Geburtstag

Seit mehr als einem halben Jahrhundert genießt ein ruhiger schwäbischer Rennfahrer den Traum seines Lebens: …fahren, fahren, durch den Tag, durch die Nacht. Dieter Glemser wurde 75 Jahre alt.

«Ich wünschte mir, dass ich immer so gut, so schnell fahren könnte wie der Dieter, heute noch in seinem Alter!» – eine Aussage von Klaus Ludwig, der zum einen nie ein Freund von Dieter Glemser war und zum anderen locker runde zehn Jahre jünger ist. Der Konkurrent aus fernen Ford-Tagen meinte dabei nicht Dieters weichen Stil, seinen geringen Reifenverschleiß, seine Artistik im Regen und sein Feeling für das jeweilige Renngerät – er sprach von Speed, von purem Tempo.

«Ich fahre, weil ich die Schnelligkeit genieße.» Glemsers Worte. Ganz jung holte sich der unauffällig-ruhige Gärtner – Sohn aus Mühlhausen bei Stuttgart – diesen Kick bei Skirennen, fand dann aber anderswo Möglichkeiten, weit höhere Geschwindigkeiten zu erreichen.

Vom alten MGA und Fuhrmann-Carrera zum Rallye-Mercedes

Ein Bergrennen in Ebersbach mit dem 1600er MG gab den Ausschlag. Vielleicht auch die Gymkhana-Drifts auf dem Gelände der Ami-Kaserne in Ludwigsburg. Vielleicht war es die Anschaffung des Porsche Super 90 – Dieter hält seinen Karriere-Beginn nicht so genau nach. Obwohl er – wie es ihm sein Sternbild Krebs so vorgibt – seit 50 Jahren kleine Kalender ordentlich aufhebt, in die er wirkliche Wichtigkeiten seines Lebens in dürren Worten und sauberer Schrift einträgt.

So jene Rallye Lyon–Charbonnières im Porsche, die er mit dem damals schon legendären James Dean-Mechaniker Rolf Wütherich absolvierte: «Wir hatten einen Königswellen- Motor von Fuhrmann mit 130 PS. Heute wäre der locker 100.000 Euro wert. Unserer ganzer Carrera, gebraucht, kostete 15.000 Mark.» Anschließend durfte der junge Pilot bei Mercedes-Rennleiter Karl Kling antreten und einen Fünf-Jahres-Vertrag ausfassen, Berühmte wie Eugen Böhringer und Evi Rosquist erleben und mit Co Martin Braungart nach Buenos Aires reisen, zum «Grossen Straßenpreis von Argentinien». «Wir hatten sechs Wochen Zeit, unser Roadbook für die 5500 Kilometer in unserer 300 SE- Heckflosse zu schreiben.» Mercedes siegte gleich mehrfach, Glemser fuhr weiter für den Stern: In der 280 Pagode zu König Konstantin bei der Akropolis, in Kenia bei der East African Safari und überall dort, wo es Sportliches für den Stern zu erledigen – und zu gewinnen gab.

Vom Renn-BMW über Marken-WM mit Porsche zum Ford-Einsatz

1965 machte sich Rallye-Spezialist Glemser auf zu BMW: Er wollte lieber Rennen fahren, da sich dort der Zeitaufwand in Grenzen hielt und er ja schließlich noch täglich, morgens um 4 Uhr, zum Stuttgarter Großmarkt eilte, um die Produkte der Familien-Gärtnerei abzusetzen. Legendäre Rennschlachten folgten, die Konkurrenten hießen Hubert Hahne, Rolf Stommelen und Dieter Quester, Schauplätze waren die Nordschleife – Glemsers allerliebstes Terrain übrigens – Snetterton, Spa, Sebring und alle üblichen Arenen des Kreisfahrens.

Ab 1966 diente der Schwabe wieder Heimatlichem: Zusammen mit Hans Herrmann bestritt er Läufe zur Marken- WM für Porsche: In Le Mans holte er 1966 zusammen mit Günther Klass die hoch bezahlte Index-Wertung im 904/6, bei der Targa Florio fiel er auf und aus, es wurde ein wenig still um ihn. Aufwärts ging es wieder, als er 1968 das Marathon de la Route gewann – und einen Ford-Vertrag. Der begann mit London–Sydney auf einem modifizierten Taunus und dem Ausfall in Afghanistan. Der schweigende Dieter machte systematisch und zuverlässig weiter, fuhr seine Titel ein: Deutscher Automobil-Rundstreckenmeister auf einem Ford Twincam 1969, Tourenwagen-Europameister auf Ford Capri 1971, Deutscher Rennsportmeister 1973 und 1974, jeweils auf einem Zakspeed-Ford Escort.

Liebste Rennen waren ihm die Grand Slams des Motorsports: 24h von Spa, Paul Ricard, Le Mans und die 1000 Kilometer am Ring oder in Monza.

Aufgehört hat der Schwabe Ende 1974. «Zuerst bin ich in jener Saison mit dem Capri wegen defekter Lenkung wie ein Stuka im Wehrseifen abgeflogen, dann platzte mir in Macão ein Reifen. Das reichte.»

Immer noch schnell – und nie ein richtiger Rentner

Unlängst noch bolzte der weißhaarige Glemser, zusammen mit den grauhaarigen Kollegen Bernd Mailänder, Klaus Ludwig und Walter Röhrl, auf der Nordschleife herum: Dieter bewegte einen Mercedes 500 SL bei den letzten Abstimmungen der Black Series. «Das Ding geht runde 300 km/h. Wir alle sind so viele Runden wie möglich voll gefahren.» Die Herren legten 42, 43, 44 Umläufe à 20,8 Kilometer hintereinander hin, versuchten, sich gegenseitig mit der Rundenanzahl zu übertreffen. Bei High-Speed natürlich. Freizeit-Vergnügen für Glemser, der noch immer einen Mercedes-Vertrag hat, der ihm kaum mehr als einen Dienstwagen und Unkosten seiner PR-Reisen für den Stern beschert: Renntaxi für AMG mit dem SLS in Hockenheim, ein SLR bei der historischen Mille Miglia, Silberpfeile – alles, was schnell ist und röhrt.

Seinen 75. Geburtstag am 28. Juni feierte der stille Schwabe mit sieben Enkelkindern übrigens zusammen mit seiner Frau Helga bei der Arlberg Classic Rally am letzten Wochenende in Lech, standesgemäß: Er bewegte jene «Rote Sau», den Mercedes 300 SEL 6.8 AMG, mit dem Heyer/Schickentanz anno 1971 in Spa-Francorchamps die moderne Mercedes-Tourenwagen-Renngeschichte einleiteten.

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