Yamaha steht vor Einigung mit neuem Kundenteam

Gary Reynders: «Gehe nicht für Khan ins Gefängnis»

Von Ivo Schützbach
Sportlich läuft es bei NRT Yamaha bestens, Jules Cluzel gewann drei Supersport-Rennen und ist WM-Zweiter. Aber hinter den Kulissen tobt ein heftiger Streit zwischen Eigentümer Vafi Khan und Ex-Teammanager Gary Reynders.

Seit der Supersport-WM in Aragón herrscht bei NRT Yamaha ein tiefes Zerwürfnis zwischen dem indischen Eigentümer Vafi Khan und Ex-Teammanager Gary Reynders. Es geht darum, wem das Material gehört und wer wem Geld schuldet.

Reynders legte SPEEDWEEK.com zahlreiche Rechnungen vor, die auf den Namen seiner Firma Gaz66 Ltd in Leicester ausgestellt wurden. Er wähnt sich deshalb als Eigentümer des Aufliegers, der Motorräder, der Ersatzteile und so weiter. Zum überwiegenden Teil kam das Geld, mit dem das Material bezahlt wurde, aber von Vafi Khan, womit er mutmaßlicher Eigentümer ist.

Kahn erhebt schwere Vorwürfe gegen Reynders. «Gary ging zu Zulieferern und sagte diesen, dass ich in Schwierigkeiten stecke und nicht in der Lage wäre, Geld zu schicken. Deshalb hat er Rechnungen auf seinen Namen ausstellen lassen. Er hatte das Geld aber bereits von mir erhalten und hat mit meinem Geld bezahlt», versicherte Vafi Khan gegenüber SPEEDWEEK.com.

Während Khan die Situation so schildert, dass Reynders lediglich als Erfüllungsgehilfe in Europa für ihn tätig war, stellt der Belgier die Situation anders dar: «Das war Sponsorgeld. Es gab nie einen Vertrag zwischen uns, dass wir in seinem Namen Material kaufen sollen. Wir mussten das Material über eine Firma im United Kingdom kaufen, um Exportproblemen vorzubeugen. Sonst hätten ihn die Sachen Tausende mehr gekostet. Er schuldet uns nach wie vor Geld für die Mehrwertsteuer und Gehälter.»

Im SBK-Fahrerlager wird der Verdacht geäußert, Reynders habe den Deal womöglich von langer Hand geplant, um auf Kosten von Khan Eigentümer des Materials zu werden. Beweise dafür liegen nicht vor; es gilt die Unschuldsvermutung.

Khan legte SPEEDWEEK.com ebenfalls zahlreiche Dokumente vor, die ihn als mutmaßlichen Eigentümer sämtlichen Materials ausweisen. Der Inder stellte uns auch eine Inventarliste mit dazugehöriger Erklärung zur Verfügung, unterschrieben von Vafi Khan und Gary Reynders, in welcher der Belgier bestätigt, dass ihm nichts des Materials gehört und er keinerlei Ansprüche gegenüber NRT und Khan habe, weder materiell noch finanziell.

«Du glaubst doch nicht wirklich, dass ich so ein Dokument unterschreiben würde», sagte Reynders im Telefonat mit SPEEDWEEK.com am heutigen 2. Juli 2018 um 8.51 Uhr.

Deine Unterschrift ist also eine Fälschung? Reynders: «100-prozentig. Wenn sie Dokumente von der Bank fälschen können, um sicherzustellen, dass die Dorna glaubt, dass sie eine Bankgarantie haben, warum sollten sie nicht meine Unterschrift nachmachen können?»

Bei WM-Promoter Dorna ist nichts Negatives über Vafi Khan zu hören, anscheinend wurden auch die Teammitglieder und Zulieferer bezahlt. «Ich weiß von einem Teammitglied, dass sie die letzten zwei Monate nicht bezahlt wurden», so Reynders. «Falls ich angelogen wurde, dann erzähle ich jetzt etwas Falsches. Aber mir hat das mehr als einer erzählt.»

SPEEDWEEK.com rollte den gesamten Vorfall mit Gary Reynders auf. Vafi Khan wird in einem folgenden Interview Stellung beziehen.

Gary, wieso bist du in Aragón mit dem Lkw aus dem Fahrerlager verschwunden?

Weil mir der Lkw gehört.

Und was ist mit dem Material, das sich im Lkw befand? Die Motorräder, Ersatzteile, Werkzeuge und so weiter?

Die Motorräder und Frachtkisten gehören mir, sie laufen alle auf meinen Namen. 70 Prozent aller Ersatzteile gehören ebenfalls mir.

Ist es richtig, dass dich die Polizei gestoppt und gezwungen hat, zurück ins Paddock zu fahren?

Nein. Der Grund, weshalb ich den Lkw zurück ins Fahrerlager fuhr, ist, dass Vafi Khan versprach, die Angestellten und Gaz66 zu bezahlen. Als wir nach Aragón kamen, war keiner der Mechaniker bezahlt, die Zahlungen waren wieder einmal zehn Tage im Verzug. Außerdem schuldete er mir 26.000 Pfund, beinahe 30.000 Euro. Ständig wurde mir versprochen, dass das Geld kommt, aber es kam immer viel zu spät. Ich war es leid, vertröstet zu werden.

Deshalb haben wir den Lkw gepackt, dabei haben alle Mechaniker bis auf Thomas Kubiak, Frank Hörholz, Lothar Kraus und die zwei Fahrer geholfen.

Vafi Khan schuldet dir nach wie vor Geld?

Ja.

Hat er dich aus dem Team entlassen oder hast du das Team verlassen?

Gaz66 hat entschieden, nicht länger für das Team zu arbeiten. Das haben wir Vafi Khan per Mail mitgeteilt.

Vafi Khan sagte gegenüber SPEEDWEEK.com, dass du Dokumente gefälscht und Geld unterschlagen hast.

Es ist genau anders herum. Vafi ist im Besitz eines Dokuments bezüglich des Lkws. Ich besitze aber die Originalrechnung und die Originaldokumente, dasselbe gilt für die Motorräder und die Frachtkisten. Außerdem habe ich alle Unterlagen von der Bank, dass die Rechnungen vom Privatkonto meiner Frau bezahlt wurden.

Warum sollte ich meine 25-jährige Reputation für jemanden opfern, der mich über den Tisch gezogen hat? Ich wusste seit Buriram, dass ein großes Problem im Anflug ist.

Mir liegt ein Dokument vor, von ihm und dir unterschrieben, in dem du bestätigst, dass jegliches Material dem Team gehört und er dir kein Geld schuldet.

Ich habe nie ein Papier unterschrieben. Ich habe ihm gesagt, dass ich nichts unterschreibe, womit ich bestätige, dass es ihm gehört, weil die Sachen mir gehören. Wenn er mir das Geld bezahlt, das er mir schuldet, und das Material zurückkauft, kann er es haben.

Auch die Dorna ist darüber informiert. Ich hatte einen hochrangigen Dorna-Manager neben mir stehen, als ich in Aragón mit Vafi Khan telefonierte und er zusagte, dass er die Gehälter und ausstehenden Posten mit 26.000 Pfund bezahlen wird, wenn ich dafür sorge, dass der Lkw zurück ins Fahrerlager kommt. Okay, der Lkw kam zurück, Mittwochmorgen vor Aragón wurden alle Mechaniker bezahlt – ausgenommen Gaz66.

Um dir zu verdeutlichen, wie charakterlos er ist: Er hat den Lkw-Fahrer per Whatsapp gefeuert, er hatte nach seinem Gehalt für den letzten Monat gefragt. Zu diesem Zeitpunkt war die Gehaltszahlung bereits zehn Tage im Verzug. Er teilte Steve daraufhin mit, dass er nicht mehr für ihn arbeiten braucht und feuerte ihn – weil er nach seinem Gehalt gefragt hat. Auch den Reifen-Mann, meinen Sohn, hat er gefeuert, ohne es ihm zu sagen.

Vafi Khan sagt, ihr werdet euch vor Gericht wiedersehen, er wird das Geld einklagen.

Das kann er gar nicht, weil er keinen Wohnsitz in der EU hat. Weder kann er mich vor Gericht bringen, noch ich ihn. Weil er in Dubai lebt, aber keine Staatsbürgerschaft von dort hat.

Ich war bei der Polizei und bei einem Rechtsanwalt, ich kann ihn nicht belangen.

Ich habe sichergestellt, dass es einfach für ihn ist. Wir haben versucht ihm zu helfen und ein erfolgreiches Team auf die Beine gestellt. Als er feststellte, dass wir ihn Geld kosten, wollte er uns loswerden.

Vafi Khan erweckt den Anschein, als wäre er ein netter Mensch, aber er ist es nicht. Mein Fehler war, dass ich ihm geglaubt habe.

Wenn Vafi Khan das Personal nicht bezahlt und für so viel Ärger sorgt, warum arbeiten dann nach wie vor beinahe alle ursprünglichen Teammitglieder für ihn? Jules Cluzel hat in Assen, Imola und Brünn gewonnen.

Seit August 2017 haben wir für ihn gearbeitet, er hat nie pünktlich bezahlt. Immer nur Versprechungen. Und dann, kurz bevor er dich wieder braucht, bezahlt er dich.

Meine Frau bezahlte mit ihrer privaten Kreditkarte, um Dinge sicherzustellen. Wir hätten auch nein sagen können, aber dann wäre das ganze Team auseinandergefallen und jeder hätte auf den Teammanager geschaut.

Wir haben unglaublich hart gearbeitet, um dieses Team auf die Beine zu stellen. Vafi Khan hat meine Reputation genützt und hat uns in Schulden gestürzt. Ich bekam einen Anruf von einem Finanzbeamten, der für die Mehrwertsteuer zuständig ist, wann die Steuer für die Motorräder bezahlt wird. Wir reden von zirka 8000 Pfund, für die wir aufkommen müssen, weil Vafi Khan nicht bezahlt hat. Insgesamt sind wir jetzt 35.000 bis 40.000 Pfund in den Miesen – und ich kann nichts dagegen tun.

Die erste Bezahlung von Vafi Khan kam am 28. November 2017, das waren 16.000 Pfund. Wir hatten eine Vereinbarung, dass er bis zum 28. Dezember 2018 insgesamt 300.000 Pfund bezahlt. Zu diesem Zeitpunkt hatten wir 180.000 Pfund erhalten, damit mussten wir in die Saison starten.

Wir hatten ein fantastisches Team und er hat es ruiniert.

Wie hast du Vafi Khan kennengelernt und warum hast du ihm vertraut?

Er hat mich Ende 2016 kontaktiert, weil er jemanden in Dubai brauchte, der ihm in seiner Werkstatt bei der Einstellung der Federelemente hilft. Im Januar 2017 war ich zum ersten Mal bei ihm, um mir alles anzusehen. Seit damals habe ich ihm geholfen, wofür er auch bezahlt hat.

Im März 2017 fragte er mich, ob ich für ihn ein Supersport-WM-Team machen kann. Ich sagte ja, unter dem Vorbehalt, dass er das Budget hat. Als Budget bezifferte ich 800.000 bis 1 Million Pfund als Maximum.

Ich organisierte ein Treffen mit der Dorna, er kam 2017 zum Rennen nach Donington Park mit einer Bankgarantie über eine Million Pfund. Diese Garantie war gefälscht – ich wusste das nicht. Das hat er mir erst später erzählt.

Woher weißt du heute, dass diese Bankgarantie gefälscht war?

Weil er es zugegeben hat. 500.000 Pfund lagen auf einem Konto von seiner Mutter. Sie ist Direktor der Firma Orion Investment, einer Scheinfirma. Die anderen 500.000 Pfund kamen von seinem Vater, der aber anders heißt als er. Vielleicht war die Verteilung auch 600.000 und 400.000, ich weiß es nicht mehr. Zusammengenommen kam er auf jeden Fall auf eine Garantie von 1 Million Pfund, die Dorna gab ihm daraufhin unverzüglich zwei Startplätze.

Vafi Khan ist kein erfolgreicher Investment-Banker, wie letzten Winter zu hören war? Sein Geld kommt aus seinem Motorradladen in Dubai?

Nein, alle Zahlungen kommen aus Indien von seinem Vater.

Ich hoffe für alle im Team, dass sie bis zum Saisonende durchstehen. Ich kann es mir aber nicht vorstellen, ihm wird das Geld ausgehen. Er will aus Nerds Racing eine Marke machen. Wer glaubt er, wer er ist? Er weiß nicht mal, was ein Nerd ist. Deshalb hat ihn die Dorna gebeten, sein Team nicht Nerds Racing zu nennen, sondern NRT, ein normaler Name. Er konnte das nicht verstehen. Der Typ ist ein Witz. Viele Leute in Dubai haben mich vor ihm gewarnt, ich hielt es aber nicht für möglich, dass er so etwas mit mir abzieht.

Er hat nichts.

Als wir in Australien ankamen sagte ich ihm, dass er uns Geld schicken muss, damit wir das Haus, Essen und Mietwagen bezahlen können. Er kam an und drückte mir 4141 US-Dollar in die Hand. Warum gibt er mir US-Dollar, wenn wir in Australien sind? Weil das Geldwäsche ist.

Ich habe von jedem Penny, den er mir gegeben hat, eine Liste: Wann er ihn mir gegeben hat, wo und wie. Ein Witz. Ich will nicht für Vafi Khan ins Gefängnis gehen.

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