Shootout, die finale Lösung oder der Todesschuss?

Kolumne von Toni Hoffmann
Jost Capito

Jost Capito

«Shootout», dieses Wort geistert gerade in den letzten Tagen durch die Medien, in den Köpfen der Team-Verantwortlichen, bei den Veranstaltern und auch bei den Fans herum.

«Shootout» soll den Rallyesport für die Medien, sprich in erster Linie für das Fernsehen, attraktiver machen. In der Finalprüfung am Sonntag sollen die Teams in einem Vergleichrennen gegeneinander antreten und dort um die endgültigen Positionen, sprich auch um den Sieg kämpfen. So sollen etwas der Führende gegen den im Gesamtklassement auf Rang zwei Liegenden um den Sieg kämpfen, der Dritte gegen den Vierten usw.

Bei diesem Vorschlag, dessen Vorreiter und Verfechter der Volkswagen Motorsport-Direktor Jost Capito ist, spielt das, was an den Tagen zuvor hart auf etlichen Bestzeitkilometern hart erkämpft wurde, keine Rolle mehr. Beim Shootout geht es nur noch um Sieg oder Niederlage. Die Show muss stimmen, basta. Da kann der Spitzenreiter einen noch so großen Vorsprung auf seinen Verfolger haben. Das ist auf der «Shootout»-Prüfung egal. Ein winzigkleiner Fehler des Leaders kann in einem Bruchteil einer Sekunde alles zunichte machen.  

Vergleich mit dem «Race of Champions»  

Das Ganze erinnert schon mehr an das «Race of Champions». Wie wäre es mit dem Vorschlag. Man verzichtet ganz auf die Etappen und auf die verschiedenen Prüfungen mit unterschiedlichen Bedingungen an den Tagen zuvor, ersetzt das alles an einem Tag durch Vor- und Zwischenläufe bis hin zum Finale, also bis zum «Shootout». Alles vereint an einem Ort und total übersichtlich für Zuschauer vor Ort und für die zuhause an den Bildschirmen. Und alles ist auch noch bedeutend billiger, aber die Show ist da.    

Haben sich die Verantwortlichen, die sich für den «Shootout» so stark machen, vielleicht einmal auch die Zuschauerzahlen beim «Race of Champions» angesehen? Trotz der sportlich hochkarätigen Besetzung kam da im Free TV nicht viel rüber. Oder was war beim DTM-Event im Münchner Olympia-Stadium? Nur das frei empfangbare Fernsehen kann bei diesen Überlegungen eine Rolle spielen, insbesondere die öffentlich-rechtlichen Anstalten ARD und ZDF müssen in Deutschland gewonnen werden. Eine wahrscheinlich nicht lösbare Aufgabe.

Das Fernsehen ist nun einmal bei allen Marketing-Strategien das wichtigste Kriterium, daran führt kein Weg vorbei. Nur dann muss entscheidend mehr getan werden, als am Sonntag in einer einzigen Prüfung bei einer Live-Übertragung von vielleicht einer Stunde die ganze Rallye-Weltmeisterschaft präsentieren zu wollen. Das ist Kokolores, würde ein Mainzer sagen. Das kann und darf nicht der Rallyesport sein. Eurosport und die Rallye Monte Carlo, als diese von 2009 bis 2011 nicht zur WM zählte, haben gezeigt, was im TV bei einer einzigen Veranstaltung möglich sein kann.  

Rallyesport ist ein Langstreckenwettbewerb

Der Rallyesport ist seit eh und je ein Langstreckenwettbewerb, der sich über mehrere Tage, viele Kilometer und Prüfungen mit vielen Kilometern auf Bestzeit erstreckt. Das erfordert Ausdauer, Kampfgeist und geschicktes Taktieren. Diese Kriterien müssen transparenter nach außen gemacht werden. Das soll dann plötzlich durch eine kurze Prüfung mit dem Charakter des «Race of Champions» ersetzt und zunichte gemacht werden. «Shootout» kann damit auch der Todesschuss des Rallyesports werden.  

Der Rallyesport hat einen schweren Stand in der medialen Landschaft, gerade in Deutschland. Als Mitarbeiter der größten deutschen Agentur weiß ich um das Ansehen oder besser um den Stellenwert, den der Rallyesport bei den deutschen Medien hat. Dort wird vom Rallyesport von einer Randsportart gesprochen trotz der gemeldeten mehr als 200.000 Zuschauer beim deutschen Lauf zur Rallye-WM. In Deutschland fehlt eben ein zweiter Walter Röhrl.  

Volkswagen fehlt die mediale Zugkraft

Da half auch bislang das so erfolgreiche WM-Engagement von Volkswagen bisher wenig. Statt dass der Umfang der Berichterstattung stieg, wurde dieser sogar noch zurückgeschraubt. Volkswagen ist mit seinem Rallye-Engagement in Deutschland trotz der gewonnenen Weltmeisterschaften noch nicht angekommen. Die Deutschen können sich mit Volkswagen noch nicht richtig identifizieren. Da mag auch der internationale Fahrerkader ohne Deutsche eine große Rolle mitspielen. Ein deutscher Fahrer in einem deutschen Auto wie zum Beispiel Sepp Wiegand würde den Wolfsburgern gut stehen. Volkswagen kann im Augenblick nur neidisch auf die glorreichen Zeiten seiner Tochter Audi blicken. Die Ingolstädter hatten bei ihrem WM-Engagement eine bis heute nicht mehr erreichte Bühne in den deutschen Medien.  

Dem Rallyesport fehlen in letzter Zeit die Würze und mehrere Idole. In den letzten Jahren ist der Rallyesport zu sehr von einer Marke und von einem Fahrer geprägt. Bis Ende 2012 waren dies fast ein Jahrzehnt lang Citroën und Sébastien Loeb. Im Vorjahr und auch in dieser Saison sind es Volkswagen und Sébastien Ogier. Das kommt bei einer solchen Dominanz eben Langeweile auf, wenn es dann zum wiederholten Male heißt: «Ach die schon wieder». Das Element «Spannung» ist dem Rallyesport in den letzten Jahren abhanden gekommen. Diese muss wieder aufgebaut werden, aber bestimmt nicht in einer einzigen Prüfung bei einer Art Vergleichsrennen.  

Die Götter der Vergangenheit

Warum sprechen heute noch so viele von den tollen Zeiten der Vergangenheit, von den Rallye-Göttern wie Walter Röhl, Markku Alen, Michèle Mouton, Juha Kankkunen, Hannu Mikkola, Stig Blomqvist, Björn Waldegaard, Massimo Biasion, Carlos Sainz, nur um einige zu nennen. Deren Zeiten sind zwar schon lange vorbei, aber die Erinnerungen an sie leben weiter, auch bei den Zuschauern, die diese nicht mehr aktiv erlebt haben. Damals haben diese noch gute Storys geliefert, auch deswegen, weil sie noch nicht im engen Marketingnetz der Teams gefangen waren und auch noch etwas Eigenes sagen durften.  

Der WM-Promoter hat noch eine Menge Arbeit vor sich.  

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