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Thema des Tages: Tradition? Welche Tradition?

Von Christian Schön
Schlammschlacht im Nebel – die Erinnerungen an die Rallye Portugal 2001 (im Foto Richard Burns/Robert Reid im Subaru) sind verblasst

Schlammschlacht im Nebel – die Erinnerungen an die Rallye Portugal 2001 (im Foto Richard Burns/Robert Reid im Subaru) sind verblasst

Der portugiesische WM-Lauf ist zurück im Norden des Landes. Um die «historische Heimat» verursachen die Veranstalter einen künstlichen Hype. Von den Profis sind Tränen der Rührung eher nicht zu erwarten.

Rallyeprofis sind ein wenig sentimentaler Haufen. Darin stehen sie ihren Kollegen in der Formel 1 in nichts nach. Lewis Hamilton und Co. brechen angesichts des langsamen Verschwindens der Traditionsrennstrecken aus dem Grand-Prix-Kalender nicht gerade in Tränen aus. Genauso wenig geht der Adrenalinspiegel bei Sébastien Ogier und Kollegen in den Anschlag, weil die Rallye Portugal nach acht Jahren zurück ist in ihrer traditionellen Heimat im Norden des Landes.

Spricht man sie auf den von Veranstalter und Fans gefeierten «Regresso ao Norte» an, kommen ?einstudiert wirkende Floskeln wie «großartige Atmosphäre» oder «toll, vor so vielen Zuschauern zu fahren» als Antwort. Immerhin muss man der aktuellen Fahrergeneration zugutehalten, dass sie die 2001 zum letzten Mal in der Umgebung von Porto ausgetragene Rallye Portugal nicht persönlich erlebt hat. Legendäre WP-Namen wie «Arganil» oder «Ponte de Lima» sagen ihr nicht viel. Aus der Profiriege interessiert sich ohnehin nur VW-Werkspilot Jari-Matti Latvala für die Historie des Rallyesports.

Tatsächlich stellten die Wertungsprüfungen in der Nähe von Porto in den im Rückblick gerne verklärten 1970er und ‘80er Jahren ohnehin nur einen kleinen Anteil der Strecke. Erst nachdem 1995 die Asphalt-WPs in der Umgebung von Lissabon wegfielen, mutierte die Rallye zur reinen Schotter-Veranstaltung im Norden mit dem Zentrum in Figueira da Foz und Matosinhos. 2001 ging nach einer aufgrund des katastrophalen Wetters chaotischen Ausgabe vorübergehend das WM-Prädikat verloren. 2007 erfolgte das Comeback an der Algarve.

Einzig der Norweger Ola Fløene, Beifahrer von Andreas Mikkelsen (Volkswagen) war schon vor 14 Jahren am Start, damals als Copilot von Landsmann Henning Solberg im privaten Toyota. «Ich habe allerdings nur wenige Erinnerungen. Damals war es ja so neblig, dass wir kaum was von der Gegend gesehen haben», blickte Fløene zurück. «Auch die Prüfungen haben sich total verändert. Damals war es eine einzige Schlammschlacht. Inzwischen sind viele Strecken mit neuem Schotter verbessert worden. Jedenfalls habe ich meinen Aufschrieb von 2001 gar nicht erst mitgebracht.»

Einige der aktuellen WP-Kilometer sind früher schon einmal gefahren worden. Allerdings häufig in unterschiedlicher Zusammenstellung. Viele der ehemaligen Schotterwege sind inzwischen astreine Asphaltstraßen und mussten deswegen ersetzt werden.

Aber nicht nur aufgrund der Straßenbaumaßnahmen erkennen auch Routiniers die Prüfungen gelegentlich nicht mehr wieder. «Wo früher ein paar Büsche standen, fährt man jetzt zwischen  ausgewachsenen Bäumen. An anderen Stellen ist statt Wald plötzlich nur noch Wiese. Auch die vielen Windräder gab es damals noch nicht», stellte Luis Moya fest, als Beifahrer von Carlos Sainz Portugal-Sieger von 1991 und ’95.

Für die aktuelle Fahrergeneration ist die neue Rallye Portugal nicht mehr und nicht weniger als eine frische Herausforderung. «Die Prüfungen sind fahrerisch anspruchsvoller als an der Algarve», verglich Kris Meeke (Citroën). «Du brauchst einen sehr exakten Aufschrieb, weil viele Kurven nicht einsehbar sind. Steile Abhänge am Streckenrand verzeihen keine Fahrfehler.»

Die Veranstalter hatten an der Algarve zuletzt die finanzielle Unterstützung durch offizielle Stellen wie die Tourismusbehörde verloren. Das sieht im Norden anders aus. Um lokale Politiker zufrieden zu stellen, erhielten bekannte Prüfungen neue Namen. Der Serviceplatz ist in den Messehallen von Matosinhos untergebracht – was weder bei Mechanikern noch bei Besuchern Begeisterungsstürme auslöst.

Immerhin sind die an der Algarve überraschend geringen Zuschauerzahlen gestiegen, wenn auch nicht so stark, wie erwartet. Vom früher berüchtigten Chaos auf den Zufahrtsstraßen und an den Prüfungen war zumindest am Freitag wenig zu bemerken.

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