Ungleichbehandlung: Wie es zum Elektronik-Skandal kam

Von Ivo Schützbach
Einige Supersport-WM-Teams haben vor dem Saisonstart früher als andere Updates für die Einheitselektronik erhalten. MecTronik-Chef Marco Cortecchia erklärt SPEEDWEEK.com die Hintergründe.

Seit 2019 sind sämtliche Motorräder in der Supersport-WM mit der Einheitselektronik von MecTronik ausgestattet. Doch vor dem Saisonstart im Februar auf Phillip Island wurde offensichtlich: Nicht alle Beteiligten werden gleichbehandelt.

Während der Großteil der Teams den zweitägigen Test am Montag und Dienstag vor dem WM-Auftakt in Australien nutzen musste, um sich an die neuen Gegebenheiten durch die veränderte Firmware anzupassen, hatten die Yamaha-Teams Ten Kate und Evan Bros sowie Aruba Ducati diese schon vor Wochen erhalten und bereits mehrere Tage damit getestet.

Da sorgte für viel Unmut, denn von Chancengleichheit konnte keine Rede mehr sein, auch wenn die neue Firmware keinerlei Einfluss auf die Performance der Motorräder hat.

2021 und 2022 war es so, dass MecTronik die Updates vor der Saison online zur Verfügung stellte. Wer auf deren Website klickte, konnte sie herunterladen. Dieses Jahr gab es die Neuerungen nicht online. Aufgrund der Erfahrungen aus den letzten Saisons waren aber einige Teams clever genug, bei MecTronik nachzufragen.

Als das erste Team von MecTronik die neue Firmware erhielt, hätte der Motorrad-Weltverband FIM dafür sorgen müssen, dass sie auch allen anderen zugänglich gemacht wird. Doch der neue SBK Technical Director Ludovic Reignier versäumte das.

Nach vielen Diskussionen wurde der Vorschlag unterbreitet, dass auf Phillip Island und Lombok alle mit der letztjährigen Firmware fahren sollen und erst für den dritten Event in Assen umgestellt wird. Dann hätten die Teams vor dem Europa-Auftakt gute sechs Wochen Zeit gehabt, um testen zu gehen und sich auf die neue Elektronik einzustellen.

Trotz dieser Argumente entschied die FIM anders: Die neue Firmware kann seit Phillip Island genutzt werden, ab Assen (21.–23. April) ist sie verpflichtend. Reignier hatte sich dem Druck von Ducati und Yamaha gebeugt und dies damit begründet, dass man von ihnen nicht verlangen könne, die Elektronik abends um 18 Uhr vor dem ersten Testtag wieder auf den alten Stand zurückzusetzen.

MecTronik-Boss Marco Cortecchia wurde von allen Seiten bestürmt, wie es sein könne, dass grundlegende Änderungen nicht alle gleichzeitig erhalten.

«Normalerweise bringen wir zweimal im Jahr ein Update», erklärte der Italiener gegenüber SPEEDWEEK.com. «Diese Änderung geschah auf Wunsch der Dorna oder FIM, weil mehr als ein Team/Hersteller nach neuen Funktionsweisen gefragt hatte. Das wurde bereits zum Ende des Vorjahres zusammen mit den Leuten von der FIM/Dorna geplant. Einige Wochen vor der Veröffentlichung haben wir die Liste mit den neuen Funktionsweisen mit der FIM/Dorna geteilt. Solche Aktivitäten sind normaler Bestandteil unseres Service als ECU-Alleinausrüster. Für uns ist das mit hohen Kosten verbunden, aber wir arbeiten laufend daran unser System zum Nutzen aller zu verbessern.»

Cortecchia redet stets von FIM/Dorna und bezeichnet die beiden Organisationen als aus seiner Sicht «eine Partei».

Doch genau da liegt der Hase im Pfeffer.

Sämtliche Hersteller in den drei Klassen der SBK-Weltmeisterschaften sind in der Motorcycle Sport Manufacturers Association (MSMA) zusammengeschlossen und vereinbaren direkt mit Promoter Dorna in welche Richtung es technisch geht. Die FIM hat anschließend die Aufgabe, für die Einhaltung des Reglements zu sorgen.

«Wir haben keine direkte Beziehung zur MSMA, teilen aber sämtliche Informationen mit der Dorna», sagte Cortecchia.

Nach Recherche von SPEEDWEEK.com war das zumindest dieses Mal nicht der Fall, die Dorna-Verantwortlichen wussten in Australien von nichts und fielen aus allen Wolken.

Mit dieser Tatsache konfrontiert ruderte Cortecchia mit seiner Behauptung zurück: «Ich muss diesen speziellen Fall überprüfen. Wenn dem so war, dann war es wahrscheinlich mein Fehler oder es gab ein technisches Problem.»

Aus einem Brief von MecTronik an die Hersteller geht hervor, dass der Alleinausrüster vorab lediglich FIM-Mann Ludovic Reignier informiert hatte und gemeinsam mit ihm vereinbart wurde, die drei Teams Ten Kate, Evan Bros und Aruba die Neuerungen im Januar in Jerez und/oder Portimao testen zu lassen.

Weder die Dorna noch die MSMA waren über die neue Firmware vorab informiert. Und Reignier als SBK Technical Director ist seiner Aufgabe als neutrale Instanz, welche für Gleichberechtigung zu sorgen hat, nicht nachgekommen.


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