Formel 1: Aus für Perez bei Red Bull Racing

Vom Schweigen der Bedenkenträger

Kolumne von Yörn Pugmeister
Relaxte Stimmung vor dem Start: Carlos Sainz und Nani Roma

Relaxte Stimmung vor dem Start: Carlos Sainz und Nani Roma

Sie hockten gemeinsam auf dem Bock einer alten Kutsche, Carlos Sainz und Luc Alphand, im Fahrerlager des Parco Rural in Buenos Aires.

Unter ihnen wieherten  von einer Pferde-Ausstellung übrig gebliebene Rösser. Am Gatter umarmten sich Nani Roma und Giniel de Villiers. Freundlich spassten  sämtliche VW-Speerspitzen mit den Stars der Mitsubishi-Truppe bei einem höchst menschlichen Fotoshooting am letzten Tag der Wagenabnahme. Da roch es nach alter Dakar–Kumpelei, von der in ganz wenigen Stunden sicher nichts mehr zu spüren sein wird.
Die sechs BMW-Piloten des  X-Raid-Bataillons von Sven Quandt fehlten in dieser Szenerie. Entweder wurden sie  von den zwei grossen Werken nicht so recht als Werksfahrer betrachtet und deshalb nicht geladen. Vielleicht feierte man auch bei X-Raid zwar  nicht mehr Neujahr, aber den nagelneuen, üppigen  Sponsor-Vertrag mit dem französischen Ölgiganten Total. Er gilt für die jetzige Dakar, vielleicht für die gesamte Cross Country-Saison 2009.

Nach Ende der so unschuldigen VW-Mitsu-Kameraderie ging es, natürlich «unter vier Augen», zur Sache. Luc Alphand, der Super-Sportler, meldete Bedenken an, ob er die kommenden 14 Tage physisch durchhalten könne. Nani Roma erinnerte, dass die Spezialen in Mauretanien so um die 350 Kilometer lang gewesen seien, während hier oft zwischen 400 und 600 Kilometer anstünden. Auch die Chefs der roten Lancer-Viererbande – Dominique Serieys und Thierry Viardot – stapelten bedenkenschwer tief: Vom Verlieren sprachen sie, falls man versuche, in den ersten Tagen zu führen. Dass man die letzten fünf, sechs Jahre, als um Sekunden gekämpft wurde, vergessen müsse. Dass man zwar die Fähigkeit habe zu siegen, aber eben zu wenig Erfahrung mit dem  Diesel-Package im ebenfalls zu jugendlichen Racing Lancer. Trotz 17 000 Testkilometern in den letzten Monaten, in Afrika und anderswo. Die Wichtigkeit besonnener Strategie wurde betont, besonders in Anbetracht der neuen Technologie. Von Abwarten in Erwartung der wüsten Tempokämpfe anderer Mitstreiter in den ersten Tagen war die Rede.

Die VW–Piloten und ihre Obristen bei diesem wahrhaft feldzugsmässig wirkenden Einsatz gaben sich ungemein gelassen und verteilten bei ihrer Publikums-intensiven Autogramm-Stunde gleich mal 1000 Plakate und fast ebenso viele Autogrammkarten. Der Matador überstrahlte natürlich seine  Teamgenossen – die Argentinier lieben den Spanier fast wie Maradona, und nicht nur, weil er hier schon drei WRC-Rallys gewonnen hat. Es ist nicht Übermut, der die acht Mann im Volkswagen-Team so locker erscheinen lässt, sondern jenes ganz tief sitzende Gefühl, dass man in diesem Jahr ganz oben aufs Treppchen klettern würde. Weil man es einfach müsse. Wenn man die Menge der blaubehemdeten  VW-Mannen – 135 sollen es wohl locker sein – erblickt, dazu die Horde ihrer Service-Wagen, Rennlaster und was sich sonst noch alles in Red-Bull-Racing-Blau präsentiert, betrachtet, dann lässt sich die Ruhe vor dem Sturm gut verstehen: Man will unbedingt siegen –  den angereisten Vorständen Hatz und Hackenberg wurde das  deutlich demonstriert.

Dass Robbie Gordon  und Eric Vigoureux in  ihren zwei gewaltigen, kriegerisch – monströs anzuschauenden Hummer H3 – herrlich eckig, ganz in Schwarz und mit den fettesten Reifen aller 4 x 4 in der Grösse 37 x 13.50 R 17 LT von Toyo armiert – anfangs ordentlich mitfeuern würden, das erwarteten alle. Aber wie sagte doch Mark Miller von VW: «Der Robbie ist  ja eigentlich ein NASCAR-Mann, einer von der Kurzzeit-Baja. Keins  dieser Rennen  geht über 14 Tage am Stück. Oder?»

X-Raid – mit dem zweifellos stärksten Diesel-Motor am Platze – lässt seinen Star Al-Attiyah aus Katar und den Holländer Peter van Merksteijn in ganz neuen X3CC fahren. Guerlain Chicherit zieht ein älteres Mobil vor – er kennt es besser, sagt er. Rene Kuipers, der Russe Leonid Novitskiy und Orly Terranova (der wohl wesentlich am Total-Deal mitgestrickt hat) sitzen in Kundenwagen, die sie für teures Geld  von der Quandt-GmbH geliehen haben. Auf Podiumsplätze dürfen sich fünf der sechs BMW-Treiber keine Hoffnungen machen.

Orlando aus Argentinien formulierte die Situation  sehr südamerikanisch: «Um nach vorne zu kommen braucht es Technik, Präzision und Glück. Wenn du das nicht hast, kannst du dich ja mit den schönen Landschaften trösten!»

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