Pampa la Pampa!
Carlos Sainz - Erster Platz im Gesamtklassement
Von dem Land will ich erzählen, durch das wir heute fuhren. Von morgens 6 Uhr bis abends um 21 Uhr, mit Pausen nur zum Tanken. 772 km am Stück, immer auf Asphalt, während die Dakar-Raid-Piloten 237 km dieser Tagesetappe von Santa Rosa nach Puerto Madryn am Südatlantik über trockene Pisten rasten, als Sonderprüfung. Sie taten das parallel zu uns, auch in Nord-Süd-Richtung, aber irgendwo weit drinnen zwischen Büschen und Kameldornbäumen, über denen sich selten genug das Windrad einer Wasserpumpe dreht.
Vom Staub muss ich berichten, den der trockene Ostwind hochpeitschte, ihn in Wirbeln zwischen den wenigen Eukalyptus-Bäumen tanzen liess unter einem seltsam farblos-blassblauen Himmel, ohne die geringste Spur einer Wolke.
Die Uniformierten sollte ich erwähnen, die niemand nahe an die Raid-Strecke heranliessen. Schwärmen sollte ich dafür von all den Tausenden und Abertausenden begeisterten Zuschauern, die an diesem Sonntag Teil der tollsten Live-Show ihres Lebens wurden, als der Dakar-Tross übers Land zog, durch Dörfer und Städte.
Von der Monotonie jener riesigen Flächen hinter den Viehzäunen und den kilometerlangen Geraden sollte ich auch schreiben, vom düsteren Silbergrau der Büsche und jenes Schild erwähnen, das am Strassenrand der Nazionale 3 steht, wo die mythische Region Patagonien anfängt, an der Brücke über den Rio Colorado nämlich. Ganz nüchtern steht dort: «Achtung, monotone Strasse. Mach' mal Pause.»
Wir konnten das nicht, und die eiligen Piloten erst recht nicht: Sie hatten nicht einmal Zeit, die Monotonie zu erleben. Wenn einer wie Carlos Sainz 237 km Sandpiste in einer Stunde und 56 Minuten herunterreisst, dann kann er wohl kaum über Monotonie klagen. Carlos: «Staub, anspruchsvolle Navigation und das Problem mit den Motorradfahrern, diese Themen bestimmten den Morgen.» Trotzdem: Erster Platz im Gesamtklassement heute.
Eigentlich alle Piloten klagten über die Staubproblematik und die Motorradfahrer, die man ja nicht einfach umfahren könne. Es sind eben zu viele Motorrad-Amateure unterwegs, die nicht zufahren und schnelle Autos auch dann noch stören, selbst wenn, wie heute am 4. Januar erstmals exerziert, eine ganze Stunde zwischen den letzten Zweiradler und den Start der ersten Autos gelegt wurde.
Nasser Al-Attiyah, der gestern noch Spitzenreiter gewesen war, fiel auf den vierten Platz zurück. Den Grund dafür wusste Dieter Depping, der mit einem wieder tadellos laufenden Motor heute als Elfter einkam: «Da gab es eine Stelle», grinste er, «die war nichts für blonde Mädchen...» Die blonde Tina Thörner, Copilotin des Mannes aus Katar, hatte das Team auf einen Drei-Minuten-Extra-Loop navigiert.
Giniel de Villiers – wie Sainz auf einem VW Touareg unterwegs – schob sich im Gesamt auf die zweite Position, Stéphane Peterhansel gelangte im Mitsubishi an die dritte Stelle. Luc Alphand stabilisierte sich als Sechster nach zwei Tagen, obwohl er beim Versuch, den VW-Piloten Mark Miller zu überholen, seinen Lancer hinten links leicht zerbeulte. Man hat den Eindruck, die drei Mitsubishi-Fahrer Peterhansel, Nani Roma und Alphand hinter den zwei führenden Volkswagen begriffen noch gar nicht recht, wie ihnen geschieht: Abstände zwischen fast vier und sechseinhalb Minuten auf die Führenden im VW lassen sich schwer erklären.
Ohne Nassers Fauxpas sähe es für den BMW-Star aus dem X-Raid-Team anders aus – er wird härter attackieren. Morgen schon, wo eine Höllen-Sonderprüfung ansteht: Quer durch die Pampa, in grossen Teilen völlig offroad. Über eine Strecke, die gerade erst am Vorabend fixiert und in ein Roadbook eingebracht wurde. Der Grund: Gewaltige und nicht erwartete Regenfälle hatten die ursprünglich geplante Streckenführung von Madryn nach Jacobazzi obsolet gemacht. Auch die Route für die Service-Fahrzeuge musste umgestellt werden.
Womit wir wieder beim Thema wären und zusätzlich bei jenen 37 Grad, die herrschten, als ein Gewitter losbrach. Wenige Minuten später war die Temperatur auf 26 Grad gefallen – um hinter den durchfahrenen Güssen wieder auf 34 Grad zu steigen.
Nach solchen Fluten füllen sich oft die völlig versalzten Sandflächen, die weiss links und rechts neben dem Asphaltband liegen. Dann werden aus Pisten böse Giessbäche – und Umwege über Hunderte von Kilometern stehen an. Auch für uns morgen – wieder mit jenen flimmernden Geraden zwischen Gebüsch, die man auf 10 Kilometer überblicken kann.
Pampa la Pampa – schöner kann man es nicht sagen.