Warum stellt sich die DTM tot?
DTM c LAT
Die Deutsche Tourenwagen Masters (DTM) stellt sich jetzt ungefähr ein halbes Jahr tot. Das kann sich keine andere Rennserie der Welt leisten. Aber die DTM-Promoter betreiben ihr Format ohnedies als geschlossene Gesellschaft. Selbst gestandene Männer wie ehemalige Formel-1-Piloten werden regelrecht entmündigt, sollen am besten nur noch sinnentstellte Worthülsen absondern, ganze Schwadronen von angeblichen PR-Experten verhindern vernünftige Öffentlichkeitsarbeit – statt sie zu fördern.
In der vergangenen Woche fand ein DTM-Test in Estoril statt. Er wurde wegen des Dauerregens nach Valencia verlegt. Viel liess sich von dort nicht in Erfahrung bringen, denn Journalisten sind bei solchen Tests nicht willkommen. Sie sollten sich keinen Eindruck über die diversen Sichtungs-Kandidaten verschaffen können. Auch die technischen Errungenschaften der neuen Option-Tyres sollten verborgen bleiben.
Sollen die Motorsport-Reporter jetzt friedlich dem Wintersport frönen und geduldig warten, bis die DTM-Hersteller wieder ein paar vorgefertigte, politisch korrekte Statements absondern? Ein Szenario, das in die Hosen gehen kann. Denn die Konkurrenz an attraktiven Rennserien wird nicht geringer.
Welchen Schaden ein paar versprengte DTM-Fachjournalisten bei diesem Test anrichten hätten können, entzieht sich meiner Kenntnis. Technische Geheimnisse können kaum erzählt oder fotografiert werden, denn die DTM-Fahrzeuge von Audi, Mercedes und BMW verfügen über rund 50 Gleichteile. Motormanagement, Getriebe, Bremsen, dazu Aerodynamikteile wie Frontsplitter, gestufter Unterboden, Heckdiffusor und Heckflügel sind bei allen Autos identisch; dazu kommt das Einheits-Monocoque von Gerg in Hohenthann bei München.
An so einem Reglement ist wenig auszusetzen, es hat in der NASCAR zum Erfolg geführt und kommt jetzt auch bei den australischen V8 Supercars zum Einsatz. Die 500 PS starken 4-Liter-V8-Motoren üben eine grosse Anziehungskraft aus.
Die Hersteller müssen sich aber fragen lassen, wie bei solchen Technik-Vorschriften wahrer Werkssport betrieben und wie dem potenziellen Käufer glaubwürdig ein Slogan wie «Vorsprung durch Technik» vermittelt werden kann.
Die Marketing-Spezialisten werden schon wissen, was sie tun. Ein richtiger Run auf die DTM war bei den anderen Herstellern allerdings in den letzten Jahren nicht auszumachen. Firmen wie Rover, Volvo, Opel, Nissan, Ford und Toyota wurden abwechselnd als mögliche Neueinsteiger präsentiert. Passiert ist nichts. Immerhin ist BMW nach 20 Jahren zurückgekehrt, nachdem der sportbegeisterte Vorstand das Formel-1-Team zugesperrt hat.
Klar, wir erleben immer wieder spektakuläre DTM-Rennen. Aber viele Fans beklagen einen Mangel an Stars. Sie trauern den 90er-Jahren nach, als sich Röhrl, Heyer, Stuck, Biela, Rosberg, Ludwig, Cecotto, Ravaglia und Ellen Lohr in der DTM die Klinke in die Hand gaben. In den letzten Jahren erlebten wir Könner wie Paul Di Resta, Timo Scheider, Martin Tomczyk, Bruno Spengler, die aber grossteils blass blieben. Und die Formel-1-Rentner wie Jean Alesi, Mika Häkkinen, Heinz Harald Frentzen, Ralf Schumacher und David Coulthard kamen nie wunschgemäss zur Geltung.
Natürlich hat die DTM auch in diesem Jahr spektakulären Sport geboten. Aber ich fürchte, die Fans würden lieber authentische Stars sehen und lieber keine fünfmal gefilterten Statements hören. «An der Rennstrecke kann man noch unter vier Augen mit den Piloten reden. Zwischen den Rennen geht das nicht mehr. Früher hat man als Journalist ein Gerücht aufgeschnappt, den Fahrer angerufen und ein Zitat eingeholt, dann die Meldung geschrieben. Das geht heute nicht mehr», wundert sich ein DTM-Reporter. «Ob dieses System sinnvoll und logisch ist, will ich nicht beantworten.»
Oft entsteht der Eindruck, als würden sich die drei Hersteller gegenseitig nicht so richtig wehtun wollen. Es darf ja keiner abhanden kommen.
Dabei sind auch in der MotoGP-WM mit Honda, Yamaha und Ducati nur noch drei Werke übrig, trotzdem werden offen die Messer gewetzt.
In der DTM passiert es mitunter sogar, dass ein Audi-Sportchef wie Dr. Wolfgang Ulrich beleidigt sämtliche Autos an die Boxen beordert, weil die bösen Mercedes-Chauffeure vorher ein bisschen rüpelhaft durch die Gegend kutschiert waren. So geschehen 2007 in Barcelona. Auf die 20.000 Zuschauer auf den Tribünen, auf die TV-Zuseher, die TV-Stationen und auf die Sponsoren muss in dieser ach so professionellen Rennserie offenbar nicht immer Rücksicht genommen werden.
Das kommt mir vor, als würde der FC-Bayern-Trainer beleidigt alle Spieler vom Platz holen, nachdem ein paar seiner Kicker gefoult worden sind.
Bringt der DMSB keine Rennleitung zustande, die ihren Namen verdient und grobe Vergehen auf der Piste ahndet? Hilft in solchen Fällen nur Selbstjustiz?
Dass die Popularität der DTM nach Jahren der Stagnation 2012 wieder Fortschritte gemacht hat, steht ausser Streit. Von ihrem Höhepunkt befindet sie sich aber weit entfernt.
Wer beim letzten Test vor dem Saisonstart 2012 nach einem straff durchorganisierten Pressetag wieder alle Journalisten vor die Türe setzt, darf sich nicht wundern. Erstklassige und gewissenhafte Journalisten lassen sich nicht gerne gängeln. Sie lassen sich auch nicht gerne an der Nase herumführen oder durch 5-Sterne-Bewirtung manipulieren. Sie wenden sich dann im Zweifelsfall anderen Sportarten zu.Vielleicht ist das ganz im Sinne der ITR und der an der DTM beteiligten Werke. Womöglich wird über diese kostbare Rennserie eines Tages einfach nur noch anhand von meist unergiebigen Pressemitteilungen der Teams und Werke berichtet. Denn bis nach Shanghai, Brands Hatch und Valencia reisen ihr ohnedies nicht Dutzende Schreiberlinge nach.