Die feine englische Art

Wie sagt man so schön? Der Mensch ist ein Gewohnheitstier. Der Kaffee am Morgen, der Snack zwischendurch oder die Zigarette danach. Gewisse Abläufe haben sich über die Jahre manifestiert. Sind aus dem alltäglichen Ablauf nicht mehr wegzudenken. Eine Abweichung? Eigentlich undenkbar. Als Formel-1-Reporter habe ich den «Bürgerkrieg» in Bahrain «überlebt», war wenige Monate nach der nuklearen Katastrophe beim GP in Japan oder habe mich durch eine völlig neue Kultur in Indien gekämpft. Nun also Brands Hatch. Motorsport-Tradition pur in der Provinz. Und Linksverkehr.

Wenn man es gewohnt ist, knapp 20 Jahre lang auf der linken Seite im Auto zu sitzen und auf der rechten Seite zu fahren, stellt die Spiegelung der Fahrweise schon eine Herausforderung dar. Und wenn man noch nie in Brands war, ist auch ein Navigationsgerät die bestmögliche Voraussetzung. Wie gesagt, man ist ja ein Gewohnheitstier. Wenn auch erst seit einigen Jahren. Schließlich hat die Generation «Google Maps» kaum Erfahrung mit schlichten Landkarten. Wie haben unsere Eltern es bloß geschafft, mit einem Atlas durch Europa zu reisen?

Die nette Dame bei der Autovermietung hatte aber schlechte Nachrichten: Es gab kein Auto mit Navi. Ich habe offenbar so geschockt ausgesehen, dass sie sich durch das komplette Sammelsurium an vorhandenen Autos gekämpft hat, bis sie mir dann eines präsentieren konnte. Nach einer Entschuldigungstirade ihrerseits gab sie mir noch eine Kostprobe britischer Höflichkeit mit auf den Weg. Nein, nicht «Gute Fahrt», wünschte sie mir, sondern «viel Glück».

Und was haben sie mir hingestellt? Ein Auto mit Automatik. Dabei hätte ich gerne ausprobiert, wie unfallfrei ich mit der linken Hand schalten kann. Wer bei einem Automatik-Auto schon mal aus Versehen mit dem linken Fuß gebremst hat weiß, wie filigran so etwas abläuft. Die Tücke bei Navis: Die Vorgänger haben das Ding auch schon benutzt. Und irgendwo in den Wirren des Menüs kann man auch so Dinge einstellen wie schnellste Route, kürzeste Route, Maut oder Autobahn vermeiden. Die beiden letzten Punkte waren voreingestellt, so dass ich auf dem Weg zum Hotel noch eine kleine Stadtrundfahrt durch London machen durfte. Wenn schon, denn schon.

Ich war aber zum Glück vorgewarnt worden. Immer konzentriert bleiben, nicht der Gewohnheit nachgeben. Und: Im Kreisverkehr aufpassen! Und nach wenigen hundert Metern tauchte der erste bereits am Horizont auf. Der erste von insgesamt gefühlten 2000 auf dieser Reise. Die Krux der Gewohnheit stellt sich aber auch in Großbritannien schnell ein. Vor allem auf der Autobahn verfällt man auch beim Linksverkehr schnell in einen gewissen Trott. Das führt dann dazu, dass ich beim Verlassen der Schnellstraße zunächst die Kupplung suche, ins Leere trete und mit der rechten Hand in die Türverkleidung greife. Tja, normalerweise ist da die Gangschaltung.

Ein kleiner Trost: Man ist mit seinen Gewohnheiten nicht alleine. Marco Wittmann war zu seiner F3-Zeit schon mehrmals in Brands Hatch. Sein Vater begleitete ihn vor ein paar Jahren und gab nach fünf Minuten Linksverkehr entnervt auf. Timo Glock zum Beispiel betätigte den Scheibenwischer, wenn er blinken wollte und umgekehrt. Auch Rennfahrer sind Gewohnheitstiere.