Ein Champion dominiert, ein Ex-Weltmeister stürzt ab
Zwei Verlierer und ein Gewinner
Die Gewinner:
Max Verstappen: Er ist der Weltmeister, der Seriensieger, der Dominator, der sich anschickt, einen Rekord nach dem anderen zu brechen. Der dritte WM-Titel ist inzwischen nur noch Formsache, und wie er die Konkurrenz beherrscht, demütigt und entnervt, ist eine sehenswerte Erfolgsgeschichte.
«Es ist in der Entwicklung noch kein Ende abzusehen. Er findet das Limit und geht mit den Reifen unglaublich schonend um. Wir können vor ihm als Team nur den Hut ziehen», sagt Red Bulls Motorsportberater Helmut Marko, der seinen Schützling als einen «der ganz Großen des Sports» bezeichnet.
Oscar Piastri: McLaren hat nach einem verpatzten Saisonstart endlich ein konkurrenzfähiges Auto, und in den vergangenen Wochen sorgte auch Rookie Piastri für Furore. Von seinem unschönen Alpine-Abgang spricht niemand mehr, den Druck hat der Australier abgeschüttelt. Er zeigt, warum er so begehrt war.
Daniel Ricciardo: Unverhofft kommt oft: Der Australier mischt seit Ungarn wieder als Stammfahrer mit, er ersetzte bei AlphaTauri den entlassenen Nyck de Vries. Für Ricciardo eine goldene Gelegenheit: Als Red-Bull-Ersatzmann könnte er Sergio Perez beerben – und wieder in einem titelfähigen Auto sitzen.
Nico Hülkenberg: Die vergangenen Wochen im immer unterlegeneren Haas waren für Hülkenberg nicht einfach, und es stellt sich die Frage, wie viel Spaß ihm die Saison noch machen wird. Doch der 35-Jährige hat sich mit starken Leistungen, vor allem im Qualifying, ein weiteres Jahr in der Formel 1 verdient, seinen Teamkollegen Kevin Magnussen beherrscht er ohne Probleme. Und vielleicht gibt es nach 2024 ja sogar nochmal eine Chance bei einem Topteam?
Fernando Alonso: Auch wenn die Kurve bei Aston Martin zuletzt nach unten zeigte, ist der Spanier nach vielen starken Rennen ein Gewinner der ersten Saisonhälfte. Er ist WM-Dritter und zeigt, dass er mit seinen nunmehr 42 Jahren immer noch um den Titel fahren könnte, wenn Red Bull nicht so dominant wäre. Vielleicht ja nächstes Jahr - der Mann altert ja offenbar nicht.
Alex Albon: Er zeigt, wie man sich aus einer Krise herauskämpft. 2021 wich er ohne F1-Cockpit in die DTM aus, blieb zusätzlich als Red-Bull-Ersatzfahrer im Dunstkreis der Königsklasse und verdiente sich ein Williams-Cockpit. In seiner zweiten Saison kann Albon bei dem Traditionsrennstall überzeugen, holt das Maximum heraus. Red Bull dürfte seinen Weggang inzwischen bereuen.
Die Verlierer:
Nyck de Vries: Bei Red Bull fackeln sie traditionell nicht lange, wenn Fahrer nicht performen. Der Niederländer hatte zehn Rennen Zeit, um im (schwachen) AlphaTauri auf Touren zu kommen. Klappte nicht, und weg ist der Ex-Formel-E-Weltmeister. Die Formel 1 ist und bleibt ein gnadenloses Haifischbecken. Er ist nun damit beschäftigt, die Scherben seiner Karriere aufzusammeln. Mit seinen 28 Jahren dürfte die Tür in der Königsklasse zu sein.
Sergio Pérez: Der Mexikaner hatte vor allem mit Qualifying-Problemen zu kämpfen, er darf im Gegensatz zu de Vries aber bleiben, auch weil bessere Alternativen noch fehlen. Doch wie er von Verstappen im gleichen Auto demontiert wird (125 Punkte Rückstand), zeigt, dass Perez ein guter Fahrer ist, aber keiner für den Titel. Vielleicht hilft es ihm und seiner Leistung, wenn er das einsieht.
Mercedes: Die Silberpfeile haben ihren Status als Nummer zwei in der Formel 1 vor Ferrari, Aston Martin und McLaren gefestigt, das Team konnte ein paar schöne Resultate einfahren - ein Sieg war nicht dabei. Sowieso ist der Anspruch natürlich ein anderer, die einstigen Serien-Weltmeister wollen die aktuellen Champions herausfordern. Das gelingt allerdings nur hin und wieder in Qualifyings, in den Rennen sind Lewis Hamilton und George Russell so chancenlos wie der Rest auch.
Alpine : Auch für das Renault-Werksteam Alpine muss es mehr sein als das Mittelfeld. Die Posse um den personellen Umbruch mit den Entlassungen von Teamchef Otmar Szafnauer, Sportchef Alan Permane und Technikchef Pat Fryzeugt von Chaos. Renault-Legende Alain Prost rechnete mit den Verantwortlichen ab, über den ebenfalls geschassten CEO Rossi sagte er: «Laurent Rossi ist das beste Beispiel für den Dunning-Kruger-Effekt, den Effekt einer unfähigen Führungskraft, die glaubt, ihre Inkompetenz durch Arroganz und fehlende Menschlichkeit gegenüber ihren Angestellten überwinden zu können.»
Fans: Die Zuschauer dürfen einen der besten Fahrer in der Geschichte der Formel 1 bewundern, können die Fertigkeiten von Max Verstappen Rennen für Rennen bestaunen. Die Verstappen-Fans kommen aus dem Jubeln gar nicht mehr heraus. Der Großteil der Zuschauer wird sich trotzdem wünschen, dass es einen oder mehrere Herausforderer gibt. Denn die aktuellen Kräfteverhältnisse und die damit einhergehende Langeweile schaden der Königsklasse auf Dauer doch sehr.
Charles Leclerc: Mit 19 Punkten konnte der Monegasse zuletzt in Belgien gut punkten und seine bis dato so enttäuschende Ausbeute etwas aufhübschen. Doch 215 (!) Punkte Rückstand auf Verstappen und WM-Platz fünf sind nicht das, was der so ambitionierte Leclerc mit Ferrari erreichen will. Klar ist: Leclerc und die Scuderia fahren den eigenen Ansprüchen weiter hinterher.