Der Mann, der niemals aufgab!
Gilles Villeneuve, hier nach dem grandiosen Monaco-Sieg 1981
Es war der 2. August 1981, ich stehe als 14-jähriger am Hardtbachdamm, das war der billigste Zuschauerplatz am Hockenheimring, an der ersten Schikane, beim Grossen Preis von Deutschland. 15 oder 20 DM hat die Karte damals gekostet.
Es ist Sonntagvormittag, Warm Up. Irgendwann kommt ein Ferrari 126 CK mit dem Heckflügel voraus in die erste Schikane eingebogen. Er schlägt rückwärts in die Planken ein, der Heckflügel steht sonst wo. Man hört kurz den Motor aufheulen, der Fahrer gibt Gas und fährt weiter. Mein Nachbar, bewaffnet mit Ferrari-Hemd und Kappe, Klemmbrett und Stoppuhr johlt vor Freude. Das war mein erstes und leider auch einziges Erlebnis mit Gilles Villeneuve.
Im Rennen wurde die Laune meines Nachbarn übrigens Runde für Runde schlechter, Pironi hatte noch in der ersten Runde Motorschaden, Villeneuve spielte keine Rolle und wurde überrundeter Zehnter.
Ich weiss nicht, ob ich anfangs verstanden habe, weshalb Villeneuve so beliebt war. Das meiste über ihn hatte ich erst nach seinem Tod erfahren. Damals gab es halt nur wenig Lektüre und schon gar kein Netz, geschweige denn Youtube, wo man heute viele Dinge nachschauen kann. Hatte man sie damals verpasst oder oder, was auch oft genug geschah, es gab im deutschen TV überhaupt keine Bilder, gab es eben nichts.
Dass er aber ein besonderer Fahrer sein muss, wurde mir auch spätestens 1981 klar als er in Monaco und auch in Jarama gewann. Denn seit Renault die Turbos in die Formel 1 brachte war klar, dass die Autos mit den aufgeladenen Motoren schnelle Kurse brauchen, lange Geraden etc wie etwa Hockenheim oder den Österreichring. Villeneuve aber holte die beiden ersten Siege für den Ferrari-Turbo in Monaco und Jarama, ausgerechnet auf den langsamsten Strecken des Kalenders. Auf schnellen Strecken hingegen spielte der 126 CK, in einem Jahr, wo fast alle F1 total hässlich waren einer der der hässlichsten Autos überhaupt, keine Rolle. Was aber in erster Linie an dem miserablen Chassis lag. Ferrari, für die der Motor immer alles war, hatte zu dem Zeitpunkt noch nicht begriffen, dass um das Triebwerk herum noch ein vernünftiges Auto gebaut werden musste.
Aufgeben gabs für ihn nicht. Egal ob auf drei Rädern in Zandvoort 79 oder in Montreal 81, als die krumme Nase des Ferraris ihm die Sicht versperrte. Gilles Villeneuve galt als der Inbegriff von Speed und Fahrtalent. Sein Rad an Rad-Duell mit René Arnoux 1979 in Dijon gilt als einer der besten Zweikämpfe, die es je in der Formel 1 gab. In einem verregneten freien Training in Watkins Glen ebenfalls 79 war er um 11 Sekunden (!) schneller als der Zweite.
Fairness war für ihn überaus wichtig. Als 1979 Ferrari auf die Karte Jody Scheckter setzte, war es für ihn klar, seinen Teamkollegen aufrichtig zu unterstützen. Als Didier Pironi im Winter 82 zwei schwere Testunfälle hatte und hinter Villeneuve zurück blieb, forderte er den englischen Journalisten Nigel Roebuck auf, nicht zu hart mit Pironi ins Gericht zu gehen. Umso mehr war er menschlich von Pironi enttäuscht, als der ihm den Sieg in Imola gestohlen hatte.
Roebuck führte auch eins der letzten Interviews mit Villeneuve, das in Deutschland, damals in der Zeitschrift «rallye racing» veröffentlicht wurde. Gilles wünschte sich seinem Traum-Formel 1: «McLaren M23, 800PS und breite Hinterräder, damit man schön driften kann!»
Meinen zweiten Grand Prix sah ich in Zeltweg 1982, rund drei Monate nach Villeneuve`s Tod. Von der Strasse aus musste ich in Richtung Rennstrecke über den Campingplatz: Ich habe bis heute niemals einen solchen Fankult oder besser Verehrung eines Fahrers erlebt. Überall Villeneuve-Fotos, ein Altar mit vielen Kerzen und einem gemalten Bild ist mir besonders in Erinnerung geblieben. Spätestens da wusste ich, dass am 8. Mai 1982 in Zolder ein ganz besonderer Fahrer gestorben ist. In den Herzen der Fans, so war in Zeltweg mehrfach zu lesen, lebt er weiter.
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