Erinnerungen an glorreiche Zeiten

Kolumne von Guido Quirmbach
Rodriguez vor Siffert in den Porsche 917 von Wyer, hier in Monza

Rodriguez vor Siffert in den Porsche 917 von Wyer, hier in Monza

Mit dem ILMC startet nächste Woche in Sebring die inoffizielle Marken-WM. Dazu ein Blick in die Sportwagen-Historie, genau ins Jahr 1971.

Die Marken-Weltmeisterschaft 1971 umfasste 11 Rennen von Januar bis Juli. Für die Teilnehmer gab es also kaum Zeit zum Verschnaufen. Allerdings verfügten die Werksteams damals über mehr Fahrzeuge als heute. So kam beispielsweise der Siegerwagen des ersten Rennens in Buenos Aires erst drei Monate später bei der vierten Veranstaltung wieder zum Einsatz. Genauso früh, wie die Saison begann, war auch wieder Schluss, am 24. Juli 1971 war bereits Saisonfinale.

Die Protagonisten der Marken-WM 1971 waren Porsche, Alfa Romeo und Ferrari. Geprägt wurde das Jahr aber auch von der Rivalität der Porsche-Piloten Jo Siffert und Pedro Rodriguez, die beide der Saison ihren Stempel aufdrückten. Und dazu noch der Kampf der beiden Porsche-Werksteams von John Wyer (Gulf Racing) und Hans-Dieter Dechent (Martini-Racing).

Zu beinahe jedem Rennen gab es Besonderheiten, die denen, die es erlebt haben, bis heute im Gedächtnis sind. Aber auch jene, die wie ich nur nachgeforscht haben, kommen bei der Saison 71 ins Schwärmen.

Der erste Lauf fand am 10. Januar in Buenos Aires statt. Er wurde überschattet von dem fürchterlichen Unfall zwischen Ignazio Giunti und Jean Pierre Beltoise (siehe Archiv unten). Es gab den ersten Erfolg für den John Wyer-Neuzugang Derek Bell gemeinsam mit dem Schweizer Jo Siffert. Vor deren Teamkollegen Rodriguez / Jackie Oliver, die sich dann drei Wochen später in Daytona bei den 24 Stunden mit dem Sieg revanchierten.

In Sebring bei den 12 Stunden gab es einen Dämpfer für Wyer, seine beiden Porsche 917 belegten nur die Ränge 4 und 5, während Vic Elford und Gerard Larrousse für Martini-Racing erstmals siegreich waren.

Anfang April in Brands Hatch war es dann mit dem Porsche-Einerlei vorbei, nach 11 Siegen in Folge schlug im Regen von Kent Alfa Romeo zu, Andrea de Adamich und Henri Pescarolo gewannen im Alfa T33/3.

Beim 6. Lauf in Spa gab es ein Duell über fast die gesamte Distanz zwischen den John Wyer-917 von Siffert/Bell und Rodriguez/Oliver. Der Mexikaner setze sich mit weniger als einer Sekunde nach 1000 km vor seinem Schweizer Rivalen durch. Die 1000 km von Spa 1971 sind das bis heute schnellste Sportwagen-Rennen aller Zeiten. Die Zeit des Siegers betrug 4 Stunden und eine Minute, der Siegerschnitt lag bei mehr als 249km/h. Die schnellste Runde auf der damals noch 14 km langen Stecke fuhr Rodriguez mit 3.14.00 min, was einem Schnitt von 260 km/h entsprach.

Bei den beiden folgenden Rennen in Sizilien und auf dem Nürburgring verzichtete Porsche auf das PS-Monster 917 und setzte stattdessen auf den wendigen 908/3. Doch beide John-Wyer-908 überlebten bei der «Targa Florio» die erste Runde nach Unfällen nicht. Nur noch der Martini -908 konnte den Sieg des sizilianischen Nationalhelden Nino Vaccaralla verhindern: Hans-Dieter Dechent, 1971 als Chef des Martini-Racing-Teams vor Ort erinnert sich: «Mein Fahrer Larrousse hatte in Führung liegend einen Reifenschaden, doch es gab in dem 908 ein Ersatzrad. Als er versuchte, den Reifen zu wechseln, wurde er von den Zuschauern mit Steinen beworfen. So fuhr er mit plattem Reifen bis an die Box, dort war dann aber die Aufhängung kaputt.» Vaccarella auf Alfa gewann zusammen mit Toine Hezemans. Übrigens, bei der Targa Florio 1971 startete auf einem Lancia auch ein gewisser Graf namens Luca di Montezemolo…

Dafür siegten Elford/Larrousse dann bei den 1000km am Nürburgring. Übrigens mit dem Chassis 908, das Reinhold Jöst dann zum Saisonende kaufte und bis 1983 zum Einsatz brachte. Rolf Stommelen und Jürgen Barth gewannen mit diesem 908/3 mit der Nummer 008 auch das 1000km-Rennen 1980.

Doch zurück ins Jahr 1971, in Le Mans schaffte der Martini-Porsche 917 von Helmut Marko und Gijs van Lennep jenen Distanzrekord, der erst 2010 vom siegreichen Audi-Trio gebrochen wurde. Es war ein Versuchs-Chassis mit einem Magnesium-Rahmen, der 917 053 kam nur in diesem Rennen zum Einsatz.
Der grosse Gegenangriff von Ferrari, unter anderem mit einem von Roger Penske mit eingestzten 512 mit Mark Donohue fand nur in den Ankündigungen statt und kam nie wirklich in Schlagdistanz.

In Zeltweg bei den 1000km gab es den letzten WM-Sieg eines Porsche 917. Pedro Rodriguez siegte für John Wyer gemeinsam mit Richard Attwood. Von den 170 Runden überlies der Mexikaner gerade einmal 13 seinem Kollegen Attwood.

Als Andrea de Adamich und der Schwede Ronnie Peterson für Alfa vier Wochen später das Saisonfinale der Marken-WM in Watkins Glen gewannen, war Rodriguez bereits tot, er starb am 11. Juli 1971 am Norisring. Auch sein grosser Rivale Jo Siffert, die sich in der gesamten Saison nichts schenkten, liess noch im gleichen Jahr sein Leben auf der Rennstrecke, er verunglückte im Oktober bei einem nicht zur WM zählenden Formel 1-Rennen in Brands Hatch.

Die Marken-WM endete mit einem Sieg von Porsche vor Alfa und Ferrari, die über die gesamte Saison enttäuschten. Es war das letzte Jahr der grossvolumigen Motoren, ab der Saison 1972 gab es ein Hubraum-Limit von 3000cm³. Porsche zog sich zurück, Ferraris Einsätze blieben halbherzig und Alfa gegen Matra vermochte die Massen nicht mehr zu begeistern. Die Marken-WM verlor an Bedeutung. Die Gruppe C von 1982 an brachte zwar nochmals einen Aufschwung, konnte aber nie an die Popularität der 1960er Jahre bis hin zur Saison 1971 anknüpfen.

Nun nimmt der ILMC 2011 erstmals über eine volle Saison einen neuen Anlauf. Mit Sebring, Spa und Le Mans sind drei der klassischen Rennstrecken, die auch vor 40 Jahren schon befahren wurden, noch mit dabei. Es ist unwahrscheinlich, dass der ILMC 2011 eine ähnliche Bedeutung wie damals erreicht. Dennoch hat der ILMC alle Chancen, sich aus der Masse der Rennserien auch publikumswirksam abzuheben. Ich freu mich drauf!

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