Rennstrecke: Warum ist er schneller als ich?

Von Rolf Lüthi
Mit der Methode «Versuch und Irrtum» auf der Rennstrecke schneller werden. kann schmerzhaft sein. Mit Race Analyse kann man zielgerichtet und damit sicherer vorgehen.

Autor Rolf Lüthi hat nichts zu melden. Roger Bantli fährt an diesem Tag auf der Rundstrecke Anneau du Rhin wie Rolf eine Yamaha R1. Roger rauscht auf dem langen Kurs in 1:29,081 rundum, Rolf braucht für die identische Strecke 1:43,873.

Die beiden rückten mit einem kleinen Kästchen auf dem Heck aus, Insidern bekannt unter dem Markennamen Race Analyse. Man befestigt das Kästchen per Klett auf dem Motorrad, womit die Installation abgeschlossen ist. Es braucht keine Sensoren oder Verkabelungen.Race Analyse übermittelt die erfassten Daten in Echtzeit auf einen Server, wo sie anschliessend analysiert werden können. Eine genauere Beschreibung der Funktionsweise findet sich in diesem Speedweek-Artikel oder auf der Hersteller-Hompage. Race Analyse bietet eine Unzahl an Möglichkeiten. Hochinteressant ist zum Beispiel der Vergleich zweier Fahrer mittels bewegter Darstellung, in diesem Fall der Vergleich Roger mit Rolf:

Wie kommt es zu dieser Differenz?
Roger (50) fuhr ab 1989 Motocrossrennen in der Schweiz und in Europa. Ab 1998 etablierte er sich in den Top Five der Schweizer Supermoto-Meisterschaft und kämpfte zeitweise um den Titel. 2002 wechselte er in den Strassenrennsport und gewann auf Anhieb die Schweizer Meisterschaft der 600er Klasse. Ein Jahr darauf wurde er Schweizer Meister bei den 1000ern und fuhr erste Langstreckenrennen. Vor Saisonbeginn 2004 brach er sich bei einem Autounfall bei winterlichen Strassenverhältnissen den zweiten Halswirbel und musste seine Karriere beenden. Er baute seinen Motorradhandel, den er zuvor als Nebengeschäft betrieben hatte, zum Haupterwerb aus und ist heute mit seinem Motocenter Winterthur der grösste Gebrauchtmotorradhändler der Schweiz

Rolf (57) unternahm ab 1979 Motorradtouren in Europa, es folgten Reisen nach Afrika und Asien. 1992 fuhr er sein erstes Rennen zur Schweizer Enduro-Meisterschaft. Er fährt weiterhin regelmässig im Gelände, war und ist aber ein Hobbyfahrer ohne Titelambitionen. Er arbeitete für Schweizer Motorradmagazine, was es mit sich brachte, dass er sporadisch auf Rundstrecken fuhr. Regelmässiger auf der Rundstrecke fährt er seit 2014.

Roger fährt eine Yamaha R1M von 2015. Der Motor wurde von Mandy Kainz getunt und hat etwa 14 PS mehr als im Originalzustand, bei sehr schönem Drehmoment aus mittlerer Drehzahl. Der Kit-Kabelbaum und das Racing-Motorsteuergerät sind installiert, andere Nockenwellen, Ventile und Ventilfedern eingebaut in den Zylinderkopf mit modifizierten Kanälen. Hochwertige Federelemente von Öhlins sind zu sehen, an der Front die Gabel, die auch in der Superbike-WM eingesetzt wird. Das elektronische Fahrwerk ist deaktiviert. Die Brembo-Bremsanlage entspricht ebenfalls der Version, wie sie in der Superbike-WM eingesetzt wird, das ABS ist deaktiviert. «Die Originalbremse liess nach 25 Minuten nach», lächelt Roger, «ich bin halt ein schwerer Mann.» Das Gewicht (des Motorrads) wurde reduziert mit einer Carbon-Verschalung, einer Titan-Auspuffanlage, gefräste Aluräder verbessern das Handling. «Die Traktionskontrolle wurde angepasst, ich fahre hier auf der niedrigsten Stufe», erzählt Roger. «An diesem Motorrad ist alles dran, was sinnvoll gewesen wäre, als ich noch Rennen fuhr», schmunzelt er.

Rolf fährt eine Yamaha R1 von 1998, deren Fahrwerk von Alu Sauer überarbeitet wurde, unter Beibehaltung der Originalteile. Eine Rennverschalung ist dran, ein Öhlins-Lenkungsdämpfer und eine Lithiumionen-Batterie reduziert etwas Gewicht. Wie an Rogers Motorrad gibt es kein ABS, ebenso gab es 1998 noch keine Traktionskontrolle, Wheeliekontrolle und dergleichen.

Anhand der langen Liste der Modifikationen könnte man zum Schluss kommen, dass Roger vor allem dank dem moderneren und dazu technisch aufgerüsteten Motorrad schneller ist. Wir beugten uns mit Nico Pouchon, Geschäftsführer von Moto Mader und selber schneller Rundstreckenfahrer und Nutzer von Race Analyse, über den Laptop und nutzten die verschiedenen Daten-Darstellungsmöglichkeiten von Race Analyse.

Pouchon kommt zu anderen Schlüssen: «Roger bremst vor Kurven viel später als Rolf und bleibt dann länger auf der Bremse, anschliessend fährt er einen relativ engen Bogen und kann sehr früh wieder stark beschleunigen. In der Dreifach-Rechts beim Fahrerlager ist er bis fast zum ersten Scheitelpunkt auf der Bremse – beeindruckend! Rogers Linie ist konsequent auf ein schnelles Superbike ausgerichtet. Mit Race Analyse kann man für jede Kurve einzeln die Linien von Roger und Rolf vergleichen. Rolf fährt zu traditionell, fährt die Kurven zu weit aussen an, in den Kurven ist seine Linie zu rund. Er muss früher bremsen und kann später beschleunigen.»

Pouchon weiter: «Roger hat für jede Kurve einen Plan. Warum ich das weiss? Lässt man Race Analyse mehrere seiner Runden übereinandergelegt darstellen, sind die Markierungen für die langsamste und schnellste Geschwindigkeit in jeder Passage praktisch am gleichen Ort. Rolf hat zum Beispiel für die schnelle Linkskurve nach der Querspange keinen Plan, da ist die schnellste und langsamste Geschwindigkeit in jeder Runde woanders. Das dürfte mit fehlerhafter Blickführung zu tun haben. Für schnellere Rundenzeiten muss Rolf seine Linie anpassen: Spitzer in die Kurven reinbremsen, einen engen Radius fahren und dann früher wieder beschleunigen. Diese Linie, von Roger demonstriert, ist nicht nur schneller, sondern auch sicherer, weil man bei einem Verbremser mehr Platz zum korrigieren hat und in der Kurve weniger Schräglage fährt.»

Das alles hat Pouchon nicht etwa herausgefunden, indem er todesmutig bei Roger und Rolf auf dem Soziussitz Platz nahm. Auf dem Heck der beiden Motorräder war nur ein dieses kleine blaugraue Kästchen namens Race Analye befestigt.

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