Yamaha steht vor Einigung mit neuem Kundenteam

Valentino Rossi: Hat er bei Yamaha zu viel Macht?

Kolumne von Michael Scott
Valentino Rossi

Valentino Rossi

Ich unterliege, wie der Rest der Welt, seinem ausdrucksvollen Charme. Ich habe riesigen Respekt gegenüber Valentino Rossi, doch seine Macht über Yamaha erschreckt mich.

Ich habe versucht, dieses Thema zu vermeiden, weil es ein wenig unheimlich ist. Ich weiß, wie fanatisch Rossi-Fans sein können und ich weiß, dass sie meine Worte als Beleidigung auffassen könnten, wenn sie wollten. Dann hätte ich Ärger.

Also beginne ich damit, das Gegenteil auszudrücken: Ich habe riesigen Respekt gegenüber Valentino – für sein Talent, für sein Wissen, seine Intelligenz und seine Bandbreite an Visionen – die man heute am besten daran erkennt, wie er die neue Generation von italienischen Stars auf seiner Ranch auf den Motorsport vorbereitet. Ein Programm, das ihnen nicht nur den Rennsport näherbringt, sondern wo sie auch Englisch und den Umgang mit Verträgen und Honoraren lernen.

Am meisten bewundere ich seine unglaubliche und unsterbliche Entschlossenheit, die er im Rennsport zeigt.

Und nicht nur das. Ich bewundere seine Erbarmungslosigkeit zutiefst – wie er auf der Spitze seiner Karriere all seine Rivalen zerstört hat. Und ich unterliege, wie der Rest der Welt, seinem ausdrucksvollen Charme.

Aber es erschreckt mich, wenn ich sehe, wie viel Macht er über Yamaha hat.

Es war in Katar, als ich zum ersten Mal darüber nachgedacht habe, dass Valentino, der einst der Juwel in der Krone von Yamaha war, eine immer größere Last für das Team wird.

Der 39-jährige Multi-Weltmeister-Superstar hatte gerade einen Vertrag bis Ende 2020 unterzeichnet. Dann wird er Anfang 40 sein.
Als ich die Pitlane entlang spazierte, traf ich einen alten Freund, der seit Valentinos Beginn in der Königsklasse im Jahr 2000 mit ihm zusammenarbeitet. «Vale wirkt langsam wie ein Bett-Besetzer», spaßte ich. Die empörte Antwort war: «Er ist ein ziemlich schneller Bett-Blocker.» Dann fuhr Valentino in Doha mit seiner Yamaha aufs Podium, vor seinem jüngeren Teamkollegen Maverick Viñales. Ich fühlte mich gezüchtigt.

Aber die darauffolgenden Events haben mich bestätigt, auch wenn in Le Mans wieder ein Podestplatz gefeiert wurde.

Valentinos Dasein im von Movistar unterstützten Yamaha-Werksteam (zusammen mit einem eher – schwer verständlich – erneuerten Zwei-Jahres-Vertrag mit Maverick Viñales, der in den ersten paar Rennen zu kämpfen hatte) hatte seinen größten Rückschlag vor dem Beginn der Rennen in Europa, in Runde 4 in Jerez in Spanien.

Yamaha hat Johann Zarco verloren – den vielversprechendsten neuen Fahrer seit Jahren.

Es ist verständlich, dass der erste französische Moto2-Zweifach-Weltmeister dachte, er sei eine Beförderung wert. Schlussendlich schlägt er die Yamaha-Werksfahrer immer wieder auf einem ein oder zwei Jahre alten Bike. Er wollte eine Werksmaschine. Yamaha hätte frühestens 2021 wieder einen Platz im Werksteam verfügbar. Dann ist Zarco 30 Jahre alt.

Also nutzte Johann die Chance auf eine Werksmaschine, als das Red Bull-KTM-Angebot aufkam.

Yamaha hat bereits das Tech3-Team verloren, ebenfalls an KTM. Das französische Team hat eine 20-jährige Geschichte mit Yamaha, in der es immer die zweite Geige gespielt hat, besonders technisch gesehen. Trotzdem wurde das Yamaha-Werksteam 2017 und 2018 oft vom Kundenteam übertrumpft. Und Fahrer wie Zarco und Folger lieferten aussagekräftige Informationen. Aber die Japaner betrachteten die Rolle von Tech3 als mögliches Zubringerteam als überflüssig. Die Betten waren belegt.

Von KTM wurde Tech3 volle Werksunterstützung versprochen, die neuesten Werksmaschinen und eine wesentliche Rolle in der Hierarchie. Das erfahrene französische Team wird eine wichtige Entwicklungsrolle bei den österreichischen MotoGP-Newcomern spielen. Yamaha hingegen hat einen starken Mitstreiter verloren.
Rossis überragender Einfluss auf Yamaha war besonders in Argentinien schmerzlich spürbar.

Sie werden sich erinnern, dass Rossi an sechster Stelle lag, als noch fünf Runden zu fahren waren, als ein aufgeregter Márquez durchs Feld bretterte, nachdem er eine Durchfahrtsstrafe bekommen hatte. Er war so schnell, dass er Rossi sofort überholen wollte, als er in dessen Nähe kam. Sein Versuch, bei der engen vorletzten Kurve, war zu ehrgeizig. Er schubste Rossi von der Strecke.

(Dass Rossi stürzte, war ein wenig überraschend. Er war sich bestimmt bewusst, dass Márquez versuchen würde, ihn zu überholen, und er kennt seinen Ruf. Als Márquez dasselbe bei Dovizioso versuchte, machte Dovi ihm genug Platz, so dass sich der Spanier selbst ausbremste und Dovi beim Ausgang aus der Kurve wieder an seinen Platz war. Drei Mal.)

Nach dem Rennen gingen Márquez und der Honda-Teammanager Alberto Puig direkt in die Yamaha-Box, um sich zu entschuldigen. Dort wurden sie sofort und unmissverständlich weggeschickt. Und zwar eher unhöflich von Rossis rechter Hand Uccio Salucci.

Das wurde alles mit Kameras aufgezeichnet. Aber wo war der Yamaha-Renndirektor Lin Jarvis? Er blieb im Hintergrund. Man könnte meinen, dass er wenigstens ein paar Worte mit Puig hätte wechseln sollen, nachdem zwei große japanische Firmen involviert waren.

Aber Rossi ist zu wichtig. Er ist zu beliebt. Er ist grösser als das Team selbst und in vielerlei Hinsicht grösser als der Sport. Das kann für ein klassisches japanisches Werk keine gemütliche Position sein.

Noch schlimmer: Stellen sie sich die öffentliche Schmach vor, wenn Yamaha Rossi rausschmeißen würde. Die Yamaha-Manager befinden sich zwischen Himmel und Hölle. Und Rossi ist Teil von beidem.

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