Das Erfolgsgeheimnis der populären MotoGP-WM

Von Günther Wiesinger
Die meisten Experten sind sich einig: Die MotoGP-Weltmeisterschaft präsentiert seit Jahren den besten Motorsport der Welt. Wie ist es so weit gekommen?

Sogar Ferrari-Teamprinzipal Maurizio Arrivabene musste bei seinem Besuch beim Mugello-GP neidlos anerkennen, dass die MotoGP der Formel 1 in punkto Beliebtheit längst den Rang abgelaufen hat. Auch der zehnfache Formel-1-GP-Sieger Gerhard Berger zeigt sich beim Spielberg jedes Mal hingerissen, Mark Webber zählt zu den Stammgästen in der MotoGP. Was macht die Zweirad-WM so viel besser, abwechslungsreicher spannender?

Nun, das hat viel mit der Person Carmelo Ezpeleta zu zun, der seit 1993 die Geschicke der Dorna führt, die sich nach der Saison 1991 vom Weltverband FIM die kommerziellen Rechte am GP-Sport gekauft hat.

Der einstige Formel-1-Zampano Bernie Ecclstone war am Umsturz beteiligt, als die FIM entmachtet wurde. Aber er verkaufte seine extra gegründete Firma Two Wheel Promotions nach einem Jahr um 50 Millionen US-Dollar an die Dorna; gegründet hatte er sie mit einer Einlage von 25.000 Pfund.

Ecclestone musste rasch einsehen, dass in der Motorrad-WM nicht so viel Geld auf der Straße lag wie in der Formel 1. Das hatte damit zu tun, dass wenige Werke dabei waren und diese Werke viel weniger Geld umsetzten und viel geringere Gewinne machten als die Giganten wie Renault, Honda, Toyota, BMW oder Mercedes und Fiat-Ferrari.

Die Teams in der Zweirad-WM waren teilweise arm, teilweise unprofessionell. Es handelte sich überwiegend um Privatteams, geführt von leidenschaftlichen Motorradfans ohne betriebswirtschaftliche Ausbildung. Das ist zum Teil heute noch der Fall.

Motorrad-GP-Sport: Umbau nach 1991

Aber Carmelo Ezpeleta schaute seinem Kollegen Ecclestone einiges ab. Er erkannte, dass so eine Rennserie diktatorisch geführt werden muss. Er erkannte aber bald, dass man gleichzeitig alle Partner gut leben lassen muss – die Teams, die Veranstalter, die Werte, die Sponsoren, die Fahrer und die Fans.

So wurden zwar die GP-Klassen von fünf auf drei reduziert (die 50-ccm-Maschinen und Seitenwagen fielen nach 1991 weg), aber es wurde auf attraktive Rahmenrennen geachtet, es wurden christliche Eintrittspreise verlangt, die TV-Übertragungen wurden attraktiver, es stiegen die Einnahmen durch die TV-Rechte, die Umsätze durch die GP-Namensrechte und die Bandenwerbung («signage») rund um die Strecke.

Schritt für Schritt konnte mehr Geld an die Teams ausbezahlt werden. Die MotoGP-Teams erhalten heute ca. 50 Millionen Europ im Jahr, weil die Tabakfirmen ausgestiegen sind und Firmen wie Repsol, Red Bull oder Movistar und diese Beträge nicht 1:1 nachbilden konnten.

Ezpeleta sah frühzeitig ein, dass die Zweitakt-Motorräder zwar preiswert im Unterhalt waren, aber im Straßenverkehr wegen der hohen Emissionen keine Rolle mehr spielen. Also wurde die 500er-WM bereits 2002 durch die MotoGP-Viertakter mit 990 ccm ersetzt, die 250er verschwanden nach 2009 und die 125er-Zweitakter nach der Saison 2011.

Durch den Umstieg auf Viertakter subventionierten die großen Motorradwerke den Rennsport teilweise plötzlich mit ihren Marketingbudgets.

Auch die Einführung der Einheitsreifen für alle Klassen (MotoGP erstmals 2009) erwies sich als sinnvoll, denn plötzlich bekam auch das letzte Nachzügler-Team identische Reifen. Und die Ausgeglichenheit unter den Teams wurde noch prekärer, als 2016 die Einheits-Elektronik von Magneti Marelli vorgeschrieben wurde.

Gleichzeitig sanken die Kosten für die Teams, weil die Dorna die Reifen und die Motorsteuerung bezahlt, die Leasingkosten für die Privatteams mit 2,2 Millionen Euro pro Fahrer im Jahr deckelte und diese Kosten gleich übernahm.

Gab es früher Jahre wie zum Beispiel 1980, als nur Yamaha und Suzuki relevante Rollen in der 500er-WM spielten, so stiegen in den letzten Jahren die Werke wieder reihenweise ein. Sechs Hersteller (Honda, Yamaha, Suzuki, Ducati, KTM und Aprilia) mischen in der Köningsklasse mit. Nur Aprilia gelang 2018 kein Podestplatz. 2016 haben vier unterschiedliche Werke gewonnen, es gab neun unterschiedliche Fahrer, die einen Sieg an ihre Fahnen hefteten.

Die Dorna spielte auch bei den Nacht-GP eine Vorreiterrolle, 2008 fand erstmals ein Flutlicht-GP in Doha/Katar statt, in der Formel 1 ahmte Singapur das mutige Konzept nach. Es folgten nachtaktive Rennen in Abu Dhabi und Bahrain.

Eine Monotonie wie in der Formel 1 ist in der MotoGP-Klasse völlig unvorstellbar.

Mercedes hat jetzt in der Formel 1 mit Lewis Hamilton und Nico Rosberg den fünften WM-Titel in Folge gewonnen. Seit Beginn der Hybrid-Ära 2014 hat Mercedes 78 Siege eingeheimst. Red Bull Racing hat in diesen fünf Jahren mit Renault nur noch zwölf Siege errungen, in den vier Saugmotor-Jahren von 2010 bis 2013 hingegen 41. Sebastian Vettel gewann bei RBR mit 34 Triumphen den Löwenanteil der Rennen.

Die Dorna vernachlässigte aber neben der «premier class» auch die Klassen Moto3 (250-ccm-Einzylinder-Viertakter) und Moto2 nicht. In der Moto3 dürfen nur sechs Motoren pro Fahrer und Saison verbraucht werden. Das Drehzahllimit wurde auf 13.5000/min herabgesetzt. Technik-Updates muss jeder Hersteller allen Teams gleichzeitig anbieten, um die Chancengleichheit zu gewährleisten. In der Moto2-Kategorie kommen sogar Einheitsmotoren zum Zug, 2019 erstmals die wohltönenden 765-ccm-Dreizylinder von Triumph mit 140 PS. Die Teams müssen für diese Triebwerke nur 20.000 Euro pro Fahrer im Jahr bezahlen, bei jedem dritten Grand Prix werden sie getauscht.

Natürlich gab es in der MotoGP-WM seit 2002 auch Schwächephasen. Das lag zum Teil am Ausstieg der Zigarettenfirmen, an den zu hohen finanziellen Forderungen der Werke an die Teams und nicht zuletzt an der Wirtschaftskrise vom September 2008. Damals zog sich zum Beispiel Kawasaki aus der Königsklasse zurück. BMW machte den angekündigten Einstieg nie wahr.

2012 war das Startfeld wieder voll

Aber als plötzlich 2010 und 2011 nur noch 17 Stammfahrer antraten statt der geplanten 22 oder 24, machte die Dorna die MotoGP-WM für neue kleine Teams attraktiv, sie ließ Superbike-Rennmotoren zu und freute sich 2012 wieder über ein volles Startfeld – dank der neuen Claiming Rule-Teams.

Als Werke wie Ducati nicht mehr konkurrenzfähig waren, bekamen sie vorübergehend technische Privilegien – weichere Hinterreifen, mehr Motoren pro Saison, mehr Testtage, mehr Sprit fürs Rennen.
Und als plötzlich sechs Werke einen Fixplatz begehrten, wurden die kleinen Privatteams wie Paul Bird, Iodaracing, Forward und AB Motoracing wieder verabschiedet, zuletzt auch die Teams von Jorge Martinez und Marc VDS.

Der umsichtige Carmelo Ezpeleta zeigt sich immer noch lernfähig und kompromissbereit. In Silverstone 2018 weigerte er sich, das Rennen wegen der schlechten Drainage und des Regens auf Montag zu verschieben, obwohl das ein britischer Feiertag war. Die Werke waren nämlich mehrheitlich dagegen. Wenige Tage später verkündete die Dorna: «Künftig fahren wir in so einem Fall am Montag oder Dienstag.»

Der ungewöhnliche Rückfall in demokratische Strukturen hatte sich als Fehler erwiesen. Denn die Honda-Team plädierten für Absage, weil Márquez in der WM haushoch führte und so dem Titel einen Schritt näher kam.

Und als die Fahrer beim Malaysia-GP die Startzeit von 16 auf 14 Uhr vorziehen wollten, gab die Dorna ebenfalls nach anfänglichem Zögern nach. Denn um 16 Uhr setzten täglich heftige Gewitter ein.

Die Dorna besitzt zwar eigentlich nur die kommerziellen Rechte am GP-Sport, sie diktiert aber den Kalender (Brasilien, Mexiko, Finnland und Indonesien stehen bei 19 aktuellen Grand Prix auf der Warteliste) und im Grunde auch die technischen und sportlichen Vorschriften.

Carmelo Ezpeleta (71) ist zwar clever genug, das komplizierte Austüfteln der technischen Vorschriften den Werken zu überlassen. Aber wenn sie keine vernünftige Lösung erzielen und zu keiner Einstimmigkeit kommen, greift er ein.

In der Formel 1 ist der «status quo» mit den umstrittenen Hybrid-Motoren durch das leidige Concorde Agreement über Jahre hinweg einzementiert. Es kann nur durch Einstimmigkeit aufgeweicht werden. Aber Mercedes sträubt sich mit der Kraft der Kundenteams seit Jahren gegen jede Änderung.

Honda drohte übrigens mit dem Rückzug, als Ezpeleta die Einheits-Elektronik für die MotoGP-WM-Saison 2016 ankündigte. Der Spanier ließ sich nicht beeindrucken. Honda blieb – und gewann seither alle drei Titel.

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