Sport1 sendet zu wenig Live-Action
Ein TV-Kameramann bei der Arbeit
Die MotoGP-Übertragungen auf dem TV-Sender Sport1: Sie sind ein Dauerthema in den Leserbriefspalten von SPEEDWEEK und in den Kommentaren auf der Homepage. Aufbauend sind die wenigsten, viele Fernsehzuschauer sind mit den Sendungen unzufrieden. Gestern hat nun Promoter Dorna und Sport1 ihren Vertrag um weitere drei Jahre verlängert. Das Wehklagen dürfte also weitergehen.
Leider muss ich den vielen Sport1-Überdrüssigen, zumindest teilweise, zustimmen. Natürlich ist es grossartig, dass wir diese Saison auf Sport1 bereits 180 Stunden MotoGP, Moto2 und 125er-WM sehen konnten. Doch die entscheidende Frage ist: bei wie vielen dieser Stunden wurde live von der Strecke gesendet? Viel zu wenig! Oft stopft Sport1 mit den Trainings Löcher zwischen anderen Sendegefässen oder bringt die Sessions zeitversetzt.
In der heutigen, schnelllebigen Zeit ist es ein Armutszeugnis, dass man auf die Ausstrahlung von Qualifyings bis Samstagabend oder des 125-ccm- und des Moto2-Rennens bis nach dem MotoGP-Lauf warten muss. Bis dahin weiss ich aus dem Internet, Teletext oder von einem anderen TV-Sender längst, wie diese Rennen verlaufen sind. 2011 haben Stefan Bradl, Sandro Cortese und Jonas Folger sieben Rennen gewonnen, Sport1 war aber längst nicht bei allen live dabei. Bei den europäischen Grands Prix, bei denen die 125er um 11 Uhr starten, bringt Sport1 um diese Zeit die Fussballtalksendung Doppelpass.
Auch weitere Sendungen wie Bundesliga aktuell und Hattrick haben beim Spartensender einen so hohen Stellenwert und eine offenbar unverrückbare Sendezeit, dass die Live-Bilder von der Rennstrecke gnadenlos vom Bildschirm verbannt werden. Ich selber mag Fussball sehr – doch der Doppelpass wäre auch um 9.30 Uhr, 15 Uhr oder 18 Uhr ebenso interessant wie um 11 Uhr. Es ist unverständlich, dass ein Free-TV-Sportsender nicht in jedem Fall das Live-Geschehen vorzieht, wenn man denn schon die Rechte daran hält. Eurosport setzt zum Beispiel ohne Wenn und Aber auf Live-Sport.
Dass Sport1 die Übertragungen mit Werbung unterbricht, ist für mich hingegen ein kleines Problem. Jedem muss klar sein, dass sich ein Privatsender nicht anders finanzieren kann. Diesbezüglich ergeht es auch dem österreichischen Kanal ATV oder RTL bei den Formel-1-Übertragungen nicht anders. Ist Wichtiges während der Werbepause passiert, wird es von Sport1 nachgereicht. Man verpasst also wenig bis nichts.
Warum ich trotz allem ganz gerne Sport1 einschalte, liegt an Alex Hofmann. Der frühere GP-Fahrer kann sich völlig zu Recht als Experte bezeichnen. Er erkennt viele Details, hat grosses Hintergrundwissen, kann Zusammenhänge erklären und brilliert mit seinen Sprachkenntnissen. Hut ab!
Leider passt bei Sport1 die Kommentator/Experten-Mischung aber längst nicht so gut wie zum Beispiel bei RTL mit Heiko Wasser/Christian Danner. Hofmann sitzt mit Edgar Mielke in der Box. Mielke muss man zugute halten, dass er sich im Gegensatz zu anderen Kollegen, wie zum Beispiel vom Schweizer Fernsehen, sehr gut im Motorradsport auskennt. Doch sein Kommentatorenstil ist manchmal nur schwer verdaulich. Wie – interessanterweise auch viele seiner Sport1-Fussballkollegen – macht Mielke aus jeder kleinen Aktion einen grossen Event, ist ständig auf der Suche nach Superlativen und nach noch grösseren Superlativen und versucht sich an Wortspielen, die man bleiben lassen sollte.
Was animierend sein soll, ist ermüdend. Weniger wäre oft mehr. Klar, ein Kommentator kann nicht jedermanns Geschmack treffen, und vom Sofa aus weiss man eh alles besser als die Jungs vom Fernsehen. Doch als Spässchen gemeinte Sprüche über die Karriere von Alex Hofmann sind respektlos. Hinterbänkler pauschal als rollende Schikanen zu verunglimpfen oder zu witzeln, dass wohl die Möwen den abgerissenen Finger von Jorge Lorenzo geschnappt haben, entspricht eher Stammtisch-Niveau als einem angemessenen Kommentar.