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Ist Wiesinger jetzt kleinlaut?

Kolumne von Oliver Feldtweg
Gib Gas, James!

Gib Gas, James!

Hoffentlich macht James Toseland wenigstens 2009 den Superbike-Stars alle Ehre. Das würde GW mundtot machen. Bei BMW hat er sich auch getäuscht!

Na ja, nach dem zweiten Startplatz von Superbike-Weltmeister James Toseland 2008 gleich beim Saisonauftakt in Katar habe ich natürlich gehofft, dass James diesen eingebildeten MotoGP-Fuzzys zeigt, wo der Hammer hängt und wo der Bartl den Most holt.

Please! Doch der gute James hat zwar in der Wüste bei Doha im Rennen auf Anhieb fast den grossen Rossi besiegt und mit Rang 6 aufhorchen lassen. Aber das war leider nur ein Strohfeuer. Ich warte immer noch darauf, dass irgendein Superbike-Star diesen eingebildeten Rossis und Stoners zeigt. Toseland soll wenigstens in diesem Jahr für das britische Königreich in der Königsklasse das Zepter in die Hand nehmen.

Verzeiht, liebe User, wenn ich in meiner Euphorie ein bisschen übertreibe. Aber seit mehr als zehn Jahren warte ich auf den Tag, an dem ein Superbike-Champion endlich den MotoGP-Helden die Leviten liest. Denn ehemalige SBK-Champions wie Scott Russell, Troy Corser, Troy Bayliss, Neil Hodgson und auch Colin Edwards haben in der 500-ccm-WM und ab 2002 auch in der 990-ccm-MotoGP-Ära teils kläglich versagt. Oder zumindest die Erwartungen nicht erfüllt.

James Toseland, Superbike-Weltmeister 2004 und 2007, wird es richten, dachte ich vor einem Jahr. Ihr wisst ja alle: Günther Wiesinger schreibt seit Jahren von «abgetakelten GP-Piloten», die ihr Gnadenbrot in der SBK verdienen. In Leserbriefen wurde er entsprechend dafür gegeisselt. Völlig zu Recht, wie ich meine. Wir werden sehen, ob GW als Chefredakteur diese Kolumne bei nächstbester Gelegenheit aus dem Netz entfernen lässt. Hm, eigentlich habe ich keine grossen Bedenken. Auf dem elektronisch vorliegenden Seitenplan habe ich nämlich entdeckt, dass er vom Jerez-GP-Test (125 und 250 ccm) für die Printausgabe von SPEEDWEEK mehr als sieben Seiten schreiben muss. Er wird also keine Zeit haben, auf seiner eigenen Internet-Superbike-Seite zu surfen. (Und vielleicht hat er ja nach Jerez sogar wieder sein Rennrad mitgenommen.)

Ich kenne GW schon aus den 80er-Jahren, zu Zeiten von Sheene und Roberts. Er mag die Superbikes nicht. Er hat zu Rupert Williamson, dem Pressemann von Yamaha Motor, einmal gesagt: «Denen würde ich nicht einmal zuschauen, wenn sie rund um mein Haus fahren. Wenn ich Strassenmaschinen sehen will, setze ich mich an den Bellevueplatz in Zürich.» (Lässt sich mit dem Stachus in München vergleichen.)

Bei den Redaktionssitzungen predigt GW das Recht auf freie Meinungsäusserung. Wir witzeln dann: Bei GW darf jeder seine Meinung äussern. Aber nur einmal! Doch ich lebe in Liechtenstein und nicht in Rumänien oder Moskau. Bei uns gibt’s keine Zensur, höchstens ein Bankgeheimnis. Das ist zwar auch längst nicht mehr das, was es einmal war. (Aber das ist eine andere Geschichte.)

Vor einem Jahr hat Wiesinger in einigen Storys sehr penetrant das klägliche Scheitern von BMW in der Superbike-WM prophezeit. Na ja, nach den jüngsten Tests ist GW wohl kleinlaut geworden. Habe jedenfalls nix mehr von ihm gelesen. Eh besser. Er soll sich bei den GP-Heinis wichtig machen.

Eines steht fest: Zumindest Troy Corser wird gleich von Anfang an ein Top-Ten-Kandidat sein.

Ein bisschen muss ich GW sogar in Schutz nehmen, auch wenn es mir schwer fällt. Meine Informanten bei BMW haben mir schon auf der Intermot in Köln zugeraunt, dass die kritischen GW-Geschichten bei BMW einiges bewirkt haben. Köpferollen, mehr Budget, verstärkte Einbindung von F1-Motorenspezialisten und Elektronikern. Den Gesprächen mit den gemütlichen und erfolgreichen alpha-Racing-Chefs Sepp Meier und Sepp Hoffmann entnehme ich, dass das BMW-SBK-Projekt nach den erstaunlichen Offenbarungen von GW aus München mehr Schub bekommen hat.

Klar: Einen Flop wie mit dem MotoGP-Projekt bei Oral Engineering in Italien konnte sich BMW nicht mehr leisten.

Streng genommen ist sogar etwas dran an den «Abgetakelten». Biaggi, Abe, Haga, Corser, Xaus, die Checa-Brüder, Nieto, Rolfo, Smrz, Lavilla, Laconi, Lanzi, Gimbert, Shuhei Aoyama, eine lange Liste von Fahrern, die alle in der GP-Szene keinen Job mehr gefunden haben. Für 2009 hat sich Nakano (Aprilia) in diese lange Liste eingereiht. Aber die sind teilweise noch jung. Und vielleicht haben sie im GP kein ideales Gerät gehabt, ahnungslose Mechaniker oder zu kleine Budgets.

Wer weiss? Weltklasse sind sie alle. Ich habe nachgeschaut: Die Superpole-Zeit in Katar 2008 lag 4 sec über der MotoGP-Testbestzeit vom 29. Februar 2008. Dabei hat die SBK jetzt zumindest bei den 1200-ccm-Twins 400 ccm mehr.

MotoGP ist die Königsklasse, darüber müssen wir uns nicht streiten. Aber SBK ist spitze. Und die «Abgetakelten» haben in der Königsklasse oft super Leistungen vollbracht. Wer hat den Bayliss-Triumph auf der Duc in Valencia 2006 vergessen?
 
Oliver Feldtweg (48) gehörte bereits in den 80er-Jahren zu den Edelfedern des Motorradsports und schrieb für verschiedene deutsche Fachmagazine wie MO. Er verdiente seinen Lebensunterhalt aber immer als Industrie-Kaufmann bei einem mittelständischen Unternehmen in Liechtenstein. Für speedweekmagazin.com wurde er als Motorradsport-Experte reaktiviert.

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