Fazit Rallye Großbritannien: Ogiers letzter VW-Sieg?

Kolumne von Christian Schön
Noch einmal jubeln im VW-Overall – Sébastien Ogier (rechts) und Beifahrer Julien Ingrassia in Wales

Noch einmal jubeln im VW-Overall – Sébastien Ogier (rechts) und Beifahrer Julien Ingrassia in Wales

Schock für die Weltmeisterschaft: Während der Rallye noch als Gerücht im Umlauf, ist der Ausstieg von Volkswagen zwei Tage später Gewissheit

Dr. Frank Welsch hat Nerven. Der Volkswagen-Entwicklungsvorstand kletterte zusammen mit Sébastien Ogier und Beifahrer Julien Ingrassia in Llandudno aufs Podest, um den Pokal für den bei der Rallye Großbritannien siegreichen Hersteller entgegen zu nehmen. Zu diesem Zeitpunkt muss er bereits gewusst haben, dass seine Marke Ende 2016 aus der Weltmeisterschaft aussteigen wird.

Das Gerücht war seit dem Donnerstag vor dem Start im Umlauf. Die offizielle Sprachregelung gegenüber der Presse, an die sich selbstverständlich auch Dr. Welsch hielt: Das sind Spekulationen, an denen sich Volkswagen nicht beteiligt. Ob er den Teammitgliedern, allen voran dem vor zwei Monaten neu ernannten Motorsportdirektor Sven Smeets, dieselbe Antwort gegeben hat?

Nach vier Weltmeisterschaften für Marke, Fahrer und Beifahrer in Folge zieht Volkswagen also den Stecker. Die Folgen sind gravierender, als es auf den ersten Blick aussieht. Volkswagen hat die Weltmeisterschaft über weite Strecken am Leben erhalten. Weil die Marke Millionen nicht nur für ein schnelles Auto und gute Fahrer, sondern auch entsprechende Begleitmaßnahmen ausgegeben hat.

Und zwar nicht nur durch großzügiges Sponsoring von Veranstaltern. Kein Team hat so viele Gäste – neben Journalisten und VIPs auch immer wieder beispielsweise Gewinner von Preisausschreiben oder Mitarbeiter – zu Rallyes eingeladen. Mit bis dahin im konservativen Rallyesport unbekannten Aktivitäten im Social-Media-Bereich hat Volkswagen dem Rallyesport Tausende neuer Fans beschert. Damit ist jetzt Schluss. Und ich wage zu bezweifeln, dass Toyota, Citroën und Hyundai diese Lücke füllen werden.

Möglicherweise war der Sieg von Sébastien Ogier in Großbritannien der letzte für Volkswagen. Auf dem staubigen und weichen Schotter Australiens stehen die Chancen für den natürlich wieder als Erster startenden Tabellenführer schlecht.

Was uns zu der Frage bringt, was der Weltmeister nächstes Jahr überhaupt macht. Klar, Citroën oder Toyota würden ihn mit Handkuss nehmen. Aber auch andere Szenarien sind denkbar.
Macht er seine frühere Drohung war, wegen der leidigen Startreihenfolge-Problematik aufzuhören? Zuhause würden sich Gattin Andrea Kaiser und der noch nicht ein Jahr alte Sohn Tim sicher freuen.

Muss er vielleicht sogar pausieren, weil Volkswagen keinem anderen Hersteller die PR-trächtige Schlagzeile gönnt, den Weltmeister unter Vertrag zu haben und Ogier nicht aus seinem Vertrag entlässt? Der Franzose könnte ein Jahr lang in andere Rennsport-Disziplinen reinschnuppern, was er ohnehin gerne tun würde. Und irgendwann – wenn die wegen der neuen Autos möglicherweise verschobenen Kräfteverhältnisse klar sind – in aller Ruhe entscheiden, wo er für 2018 unterschreibt.

Was wird aus Jari-Matti Latvala und Andreas Mikkelsen? Ihr Marktwert ist sicher nicht so hoch wie der Ogiers. Aber immer noch höher als der eines Juho Hänninen (Toyota), Craig Breen oder Stéphane Lefebvre, vielleicht sogar eines Kris Meeke (alle Citroën). An deren Stelle würde ich meinen Vertrag prüfen, welche Ausstiegsklauseln eigentlich das Team hat . . .

Nur die Hyundai-Piloten dürfen sich einigermaßen sicher fühlen. Das koreanisch-deutsche Team ist mit Thierry Neuville und Hayden Paddon gut aufgestellt, könnte höchstens noch einen zweiten dritten Mann neben Asphalt-Spezialist Dani Sordo gebrauchen. Aber in dieser Rolle sehe ich weder Latvala noch Mikkelsen. Allerdings sollte Hyundai ebenso wie Toyota großes Interesse an ebenfalls frei werdenden Ingenieuren und Chefmechanikern von Volkswagen haben.

Als Team könnte Hyundai nächstes Jahr die Messlatte legen. Auch am letzten Wochenende in Großbritannien machte der i20 WRC (Plätze 3, 4 und 6) einen besseren Eindruck als Citroën. Dort beschwerte sich Kris Meeke genauso häufig über die Nachteile seiner – späten – Startposition wie bisher nur Sébastien Ogier. Interessanterweise hatte ausgerechnet der Nordire in Citroën-Diensten dem Weltmeister mehrfach geraten, doch endlich mit dem Gejammer aufzuhören . . .

Wie zuletzt in Polen glänzte Ott Tänak bei der Rallye Großbritannien. Wieder passten die äußeren Bedingungen, in Wales aufgeweichte Pisten in Kombination mit den für diese Verhältnisse maßgeschneiderten Reifen von DMack. Die waren eine Stufe weicher als die Michelins der Konkurrenz. Jetzt muss Tänak diese Form nur noch konservieren.

Und das ist der einzige positive Aspekt des VW-Ausstiegs: Die Saison 2017 könnte unerwartet spannend werden.

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