Fazit Rallye Chile: Die Latte liegt höher

Kolumne von Christian Schön
Neulich abends in Concepción – genauso wünscht man sich einen Showstart

Neulich abends in Concepción – genauso wünscht man sich einen Showstart

Die WM-Premiere in dem südamerikanischen Land bekam großes Lob. Das erhöht den Druck nicht nur auf zukünftige WM-Rallyes wie Kenia und Japan. Auch für die etablierten WM-Läufe wird die Luft dünner

Die Rallye Dakar in Chile war eines der beeindruckendsten Erlebnisse in meiner Journalistenlaufbahn. Über Hunderte von Kilometern waren die Überführungsetappen (!) von jubelnden Menschen gesäumt. Bei Tankstopps wurden sogar unsere Begleitfahrzeuge umringt, wurden wir dutzendfach um Autogramme und Selfies gebeten.

Dass diese motorsportbegeisterte Nation der Rallye-WM einen überwältigenden Empfang bieten würde, war eine sichere Bank. Mehr als zehntausend Fans beim zeremoniellen Start – damit hat diese Rallye einen neuen Richtwert gesetzt. Auch der Veranstalter machte einen – von wenigen Pannen abgesehen – guten Job.

Nur die Wertungsprüfungen haben mich enttäuscht. Optisch. Weit und breit nichts zu sehen von den bei der Rallye Dakar erlebten grandiosen Wüstenlandschaften. Das wäre doch mal ein Alleinstellungsmerkmal gewesen, wie es der WM-Vermarkter gerne fordert.

Stattdessen, wie es die Aktiven ausdrückten, eine Mischung aus Finnland, Australien und Wales. Aber hey, die Fahrer fanden’s großartig. «Schön schnell, richtig was fürs Herz», sagte der spätere Sieger Ott Tänak.

Und Zuschauer waren in den Wäldern rund um Concepción genauso viele wie entlang der Dakar-Strecke. Vor dieser Kulisse verblassten sogar Nebensächlichkeiten wie in laufende Wertungsprüfungen einfahrende Motorradpolizisten oder WP-Starts ohne Freigabe der FIA-Sicherheitscrew.

Die spektakuläre Premiere der Rallye Chile ist ein Signal an die beiden WM-Kandidaten in Japan und Kenia sowie alle zukünftigen Aspiranten. Mit viel weniger werden sich weder Vermarkter noch Teams zufrieden geben.

Die Organisatoren der Rallye Chile setzen aber auch ihre Kollegen in den Kommandoständen der bestehenden WM-Läufe unter Druck. Wenn ein Neuling eine solche Show abliefern kann, warum dann nicht auch die Traditionsrallyes? Wer denkt, der südamerikanische Neuling sei keine Gefahr für etablierte Rallyes, könnte eine böse Überraschung erleben.

Mal angenommen, die Comebacks von Japan und Kenia gelingen ähnlich fulminant. Dann hat der WM-Vermarkter kaum eine andere Wahl, als auch diese beiden Rallyes bis auf Weiteres im Kalender zu behalten. Was zwangsläufig zu Problemen führt, soll es bei weiterhin maximal 14 WM-Rallyes pro Jahr bleiben. Dann müssten zwei derzeitige WM-Läufe weichen.

Längst wird mehr oder weniger offen spekuliert, wer für Japan (Asphalt) und Kenia (Schotter) über die Klinge springen könnte. Ganz oben auf der vermeintlichen Abschussliste: die Asphalt-Rallyes in Deutschland und Korsika sowie der Schotter-Lauf auf Sardinien. Bei Korsika und Sardinien stehen die hohen Kosten – wegen Insel – und das geringe Zuschaueraufkommen in der Kritik. Deutschland fällt negativ durch das Fehlen eines adäquaten Showstarts und die mangelnde Akzeptanz in der Öffentlichkeit – sprich: Presse – auf.

Einen WM-Lauf nach Chile zu vergeben, ein Land ohne allzu große Tradition im konventionellen Rallyesport, war ein Risiko. Vielleicht noch größer als 2016, als plötzlich die Rallye China im Kalender auftauchte – die dann aus umstrittenen Gründen nicht stattfand.

Damals holten sich WM-Vermarkter und FIA eine blutige Nase. Das Beispiel Chile dürfte diese Wunde geheilt haben. Und den einen oder anderen ehrgeizigen Veranstalter ermuntern, mal über einen WM-Lauf nachzudenken.

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