Deutscher Zoll zockt Schweizer Aussteller ab

Von Rolf Lüthi
Die Messe «Motorradwelt Bodensee» endete für etliche Schweizer Aussteller böse: Der deutsche Zoll trieb Tausende Euro ein von Ausstellern, denen wegen Unwissenheit Papiere und Bescheinigungen fehlten.

Am Sonntag, 27. Januar, besuchten zwei deutsche Zöllner anhand der offiziellen Ausstellerliste gezielt Schweizer Aussteller der Motorradwelt Bodensee und fragten nach Zollpapieren für ausgestellte Fahrzeuge. Aussteller, die der Meinung waren, dass ein abgestempelter Fahrzeugausweis oder gar gültige Papiere und Nummernschilder ausreichend beweisen würden, dass es sich um temporär nach Deutschland eingeführte Schweizer Fahrzeuge handelt, wurden brachial eines besseren belehrt.

Zum Beispiel die europaweit bekannte Customschmiede McSands von Sandra und Mac Fröhlich aus Balterswil/Kanton Thurgau. Sie waren von der Motorradwelt Bodensee eingeladen, auf der Schrauberbühne live ein Custombike aufzubauen. Mit insgesamt vier Motorrädern war McSands an der Messe präsent, alle mit Schweizer Papieren. Zwei waren zum Zeitpunkt der Zollkontrolle in der Schweiz immatrikuliert, zwei mit abgestempelten Fahrzeugausweisen temporär ausser Verkehr gesetzt. Alle vier Motorräder gehörten nicht McSands, sondern waren Motorräder von Kunden.

Die Zöllner lächelten erfreut, als ihnen die Schweizer Papiere gezeigt wurden und klärten die verdutzten Aussteller auf, dass für die beiden nicht immatrikulierten Motorräder 6 % Zoll und 19 % Mehrwertsteuer zu bezahlen sei, zuzüglich einem Bussgeld, weil diese beim Grenzübertritt nicht ordnungsgemäss angemeldet wurden. Der Wert der beiden Harley-Oldtimer wurde an Ort auf 54.000 Euro geschätzt. Inklusive aller Gebühren verlangten die Zöllner am Messestand 17.500 Euro und drohten mit der Beschlagnahme der Motorräder.

Solche Beträge hat ja niemand einfach so in der Brieftasche. Doch die Zöllner waren behilflich: Sie hatten ein Kartenlesegerät dabei, das Ehepaar Fröhlich zwei Bankkarten, beide mit einer Tageslimite von 3500 Euro. Dieser Betrag wurde von beiden Bankkarten abgebucht, und nach dem Ausfüllen von etlichen Formularen und dem Hinweis auf die Eröffnung eines Verfahrens wegen «leichtfertiger Steuerverkürzungsabsicht» wandten sich die Beamten weiteren Schweizer Ausstellern zu.

Einer davon war Maurus Sigg, der mit seiner Firma Holy Spokes an der Motorradwelt Bodensee mit drei Oldtimer-Motorrädern und einem nicht strassentauglichen Eigenbau-Mofa präsent war, dazu mit zwei immatrikulierten Mofas. Die deutschen Zollbeamten schätzten den Wert der vier Maschinen auf 60.000 Euro; Sigg musste vor Ort 5000 Euro bezahlen und nach der Rückkehr in die Schweiz weitere 6500 Euro überweisen. Die Schweizer Zollpapiere für die drei Motorräder, das so genannte Formular 1320, welches bestätigt, dass die Fahrzeuge in der Schweiz verzollt sind, interessierte den deutschen Zoll nicht. Wieder anders die Sachlage beim Eigenbau-Mofa. In diesem ist ein Eigenbau-Sternmotor mit sieben Zylindern eingebaut – ein reines Showbike, das nie auf der Strasse gefahren wird – im Prinzip eine Messestand-Dekoration.

Zurück in der Schweiz ackerte sich Mac Fröhlich durch die deutschen Vorschriften und Bestimmungen und fand heraus: Motorräder vor Baujahr 1950 gelten als «sammlungswürdig». Die Einfuhr solcher Maschinen ist zollfrei, es gilt ein reduzierter Mehrwertsteuersatz von 7 %. Erstaunlich, dass die Zöllner das nicht wussten.

In Siggs Fall spricht der Zoll von einer Waren-Umsatzsteuer von 7 %, welche für die drei Oldtimer-Motorräder zu entrichten sei. Dafür sei gemäss einem anderen Paragraphen die maximale Busse für die unterlassene Zolldeklaration nicht mehr bei 2 %, sondern bei bis zu 40 % des Warenwertes.

Weder McSands noch Holy Spokes hatten je die Absicht, die fraglichen Motorräder zum Verkauf nach Deutschland auszuführen. Vielmehr dienten sie zu Demonstrationszwecken auf den Messeständen. Offenbar hätten die Schweizer Aussteller am Zoll das Formular 0278 verlangen und ausfüllen müssen. Es handelt sich dabei um eine «Einfuhr zur vorübergehenden Verwendung».

Sigg, Sandra und Mac Fröhlich haben das aus Unwissenheit nicht gemacht. Nun werden sie, so der deutsche Zoll, «dringend verdächtigt», eine «leichtfertige Steuerverkürzung» begangen zu haben.

Inzwischen kippte die Affäre ins Absurde: Der Zoll verlangte von McSands eine Bestätigung, dass sich die beiden anderen Motorräder (mit gültigen Schweizer Zulassungen und montierten Kennzeichen) auch wieder in der Schweiz befinden. Nur: Die Zöllner erfassten an jenem Sonntagnachmittag in Friedrichshafen keine Daten von diesen Maschinen, weil diese nicht Bestandteil des Verfahrens seien. Die Firma McSands musste also eine Bestätigung nachreichen, dass sich auch diese zwei Harley-Davidson älteren Baujahrs in der Schweiz befinden. Was immer der deutsche Zoll auch mit diesem Wissen anfangen will, Umtriebe gab es trotzdem.

Eines der Motorräder war schon an den Besitzer ausgeliefert, dieses musste nochmals abgeholt und zwecks amtlicher Erfassung von Marke, Typ und Rahmennummer zusammen mit der zweiten Maschine auf den lokalen Polizeiposten gebracht werden.

Sigg erhielt die Aufforderung, nachzuweisen, dass sich die beiden immatrikulierten Mofas, für die sich der Zoll an jenem Sonntagnachmittag ebenfalls nicht interessierte, wieder in der Schweiz befinden.

Neben dem wirtschaftlichen Nutzen durch eine Erhöhung der Bekanntheit und Kontakten am Messestand entstand McSands durch die Teilnahme an der Motorradwelt Bodensee ein beträchtlicher wirtschaftlicher Schaden. Zu den 7000 Euro, mit denen sie sich von einer Beschlagnahme der ausgestellten Kundenmotorräder freikaufen mussten, kamen Transport- und Verpflegungskosten dazu. Nach der Messe summierte sich im Kontakt mit dem deutschen Zoll ein beträchtlicher administrativer Aufwand und weitere Transportkosten, und zu den ganzen Umtrieben muss auch der Arbeitsausfall addiert werden.

Bei Siggs Firma Holy Spokes ist der wirtschaftliche Schaden durch die Messeteilnahme sogar noch grösser. Bei McSands kommt auch noch eine Rufschädigung hinzu. Auf der Schrauberbühne war die Präsentation des während der Messe von McSands aufgebauten Custombikes in vollen Gange, als Mac und Sandra Fröhlich von deutschen Zoll an ihren Messestand zitiert wurden, da der dringende Verdacht einer Betrugsabsicht abzuklären war. «Das ist Rufschädigung», schnaubt Mac Fröhlich.

«Es tut uns leid, dass einige Schweizer Aussteller Ärger mit dem deutschen Zoll bekamen, das ist keinesfalls im Interesse der Motorradwelt Bodensee», sagt Eleni Kugler, Referentin Kommunikation bei der Messe Friedrichshafen. «Wir haben aber rechtlich keine Handhabe, um bei Zoll- und Steuerbehörden zu intervenieren. In Zukunft werden wir die Schweizer Aussteller vehementer darauf hinweisen, dass sie ihre Waren unbedingt korrekt beim Zoll anmelden müssen. Mehr können wir leider nicht tun.»

In westlichen Rechtsstaaten gilt als Grundsatz die Unschuldsvermutung. Das bedeutet, dass der Staat und seine Organe eine Schuld beweisen müssen. Dieses Prinzip wird von deutschen Zoll arg strapaziert. Ein fehlendes Zollformular soll eine Betrugsabsicht ausreichend beweisen. An den Messeständen wurden die Motorräder nicht mit Preisschildern oder dergleichen zum Kauf angeboten. Es wurden nie Verkaufsgespräche geführt. In McSands Fall gehörten die Ausstellungsmotorräder nicht mal der Schweizer Firma.

Anderseits gilt: Unwissenheit schützt vor Strafe nicht.

Für ein Motorrad bestand zeitnah ein Termin bei der Schweizer Motorfahrzeugkontrolle (entspricht dem TÜV), zwei andere waren zur Teilnahme an der Swiss Custom (Messe in Zürich einen Monat nach der Motorradwelt Bodensee) angemeldet. Angesichts dieser Fakten am Vorwurf einer Verkaufsabsicht in Deutschland festzuhalten, ist also weit hergeholt. Kommt dazu, dass es sich bei den fraglichen Motorrädern von McSands und Holy Spokes um Oldtimer des oberen Preissegments handelt. Niemand würde für solche Motorräder die hohen Marktpreise zahlen, wenn es dazu keine korrekten Papiere gibt. Was im Falle von Holy Spokes ein Käufer mit einem nicht zulassungsfähigen Eigenbau-Mofa hätte anfangen wollen, ist nicht nachvollziehbar, zumal man es nach einem Monat wieder in die Schweiz hätte schmuggeln müssen, weil auch dieses Showbike für die Teilnahme an der Swiss-Custom angemeldet war.

«Wir haben aus Unwissenheit einen Fehler gemacht, als wir die Einfuhr der Motorräder nicht korrekt abwickelten. Das tut uns sehr leid», gibt Sandra Fröhlich zu. «Die daraus resultierenden Kosten, Anschuldigungen, Bussgelder und Umtriebe sind jedoch unverhältnismässig. Daran lässt sich vielleicht nichts mehr ändern. Unser Anliegen ist jedoch, dass durch diesen Bericht andere nun gewarnt sind, damit ihnen nicht das Gleiche widerfährt wie uns.»

Die Geschichte geht weiter: Am Autosalon in Genf tauchten Schweizer Zöllner auf, um die Papiere ausländischer Aussteller zu kontrollieren…

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