Ein Hoffnungsschimmer bei der KTM AG

100 Siege für Red Bull Racing: Ein Meilenstein

Von Mathias Brunner
​Red Bull Racing hat beim Grossen Preis von Kanada 2023 in Montreal einen Meilenstein gesetzt: 100. Sieg in der Königsklasse. Kein Formel-1-Rennstall ist in kürzerer Zeit so weit gekommen.

Grand Prix von Kanada 2023: Max Verstappen hat mehr gewonnen als sein sechstes Saisonrennen, der Niederländer hat sichergestellt, dass sein Red Bull Racing-Team unter den ganz Grossen angekommen ist – als fünfter Rennstall der Formel-1-Historie hat das Team aus Milton Keynes die Marke von 100 Siegen erreicht, nach Ferrari, McLaren, Williams und Mercedes.

Red Bull Racing hat nicht nur alle bisherigen acht Saisonrennen 2023 gewonnen, sondern auch neun in Folge (einschliesslich des WM-Finales von Abu Dhabi 2023). Und von den 19 letzten WM-Läufen hat RBR inzwischen 18 gewonnen! Nur George Russell funkte in Brasilien 2022 dazwischen.

RBR-Teamchef Christian Horner – aktuell dienstältester Formel-1-Teamchef – strahlte am Sonntagabend nach dem Rennen in Montreal: «100 Siege zu erreichen, darauf darf jeder unserer Mitarbeiter sehr stolz sein. Ich weiss, wie sie sich aufopfern, um unseren Piloten ein so gutes Auto hinzustellen. Dies ist ihr Erfolg.»

100 Siege für Red Bull Racing, ein Meilenstein. Das Team stieg 2005 in die Königsklasse ein, 2009 gewann Sebastian Vettel in China für die Mannschaft aus Milton Keynes zum ersten Mal, nun sind es schon 100 Siegerpokale aus 355 Einsätzen, dazu 89 beste Rennrunden und 88 Pole-Positions. Kein GP-Rennstall hat seit dem Debüt in so kurzer Zeit so viel erreicht.

Zum Vergleich: In der gleichen Zeit, also von China 2009 bis Kanada 2023, schaffte das stolze Ferrari nur 33 Siege.

RBR fuhr in 18 Jahren Formel-1-Sport fünf Konstrukteurs-Pokalsiege ein und sechs Fahrer-WM-Titel (Sebastian Vettel 2010 bis 2013, Max Verstappen 2021 und 2022). Aus dieser Zeitspanne kann Ferrari nur zwei Markentitel vorweisen (2007 und 2008) und einen Fahrer-WM-Titel (2007 mit Kimi Räikkönen).

Mercedes-Benz trat schon in den 1950er Jahren in der Königsklasse an und kehrte offiziell 2012 zurück. Als die Formel 1 in die Turbohybrid-Ära trat, dominierte die Marke mit dem Stern jahrelang, vorwiegend dank hervorragender Motoren: Acht Konstrukteurs-Titel in Folge, von 2014 bis 2021, 112 Siege in dieser Zeitspanne.

Da musste Red Bull Racing mit Partner Renault vorliebnehmen, welche den Schritt in die neue Motor-Epoche verschlafen hatten. Erst mit Partner Honda ging es für RBR aufwärts.

Es passte in Montreal, dass Adrian Newey als Begleiter von Max Verstappen aufs Siegerpodest trat, denn mit dem besten Formel-1-Techniker der vergangenen dreissig Jahre änderte sich alles.

Die Anfänge

Was vielen Fans nicht mehr geläufig ist: Die Wurzeln von Red Bull Racing reichen bis Sir Jackie Stewart. Denn die Geschichte von Red Bull Racing beginnt bei «Stewart Grand Prix». Doch das Team des einstigen Tyrrell-Stars tanzte nur drei Sommer lang. Der dreifache Formel-1-Champion verkaufte den Rennstall Ende 1999 an Ford, der US-Konzern machte daraus Jaguar – und fuhr prompt jahrelang hinterher. Nach fünf Jahren hatte Ford die Nase voll und suchte Käufer.

Red Bull-Mitbesitzer Dietrich Mateschitz witterte die Möglichkeit, aus dem Team einen Siegerrennstall zu formen. Er ernannte Christian Horner zum Teamchef, ab 2005 trat das frühere Jaguar-Team als Red Bull Racing an. Gleich im ersten Jahr fuhr RBR mehr Punkte ein als Jaguar in zwei Jahren zuvor!

Noch ein Schotte spielte eine elementare Rolle: David Coulthard. Nicht nur brachte er seine Erfahrung ein, er konnte auch mithelfen, im November 2005 jenen Mann nach Milton Keynes zu lotsen, der die Grundlage für elf WM-Titel legen sollte – der anerkannt beste Formel-1-Techniker der Gegenwart, Adrian Newey.

Durchbruch in Monaco 2006: David Coulthard als Dritter in Monte Carlo. Kurios, dass Red Bull Racing bei diesem Rennen Werbung für den neuen Superman-Kinofilm machte. Und so wurde Coulthard der erste Formel-1-Rennfahrer, der nach einem WM-Lauf mit Superhelden-Cape auf dem Podest stand.

Hinter den Kulissen war Newey am Umkrempeln. Der Engländer erzählt in seinem Buch «Wie man ein Auto baut»: «Bei den ersten Sitzungen spürte ich Widerstand, im Sinne von – wir wissen schon, was wir machen müssen. Am bedenklichsten fand ich, dass einer der führenden Ingenieure meinte: ‘Wir bei Jaguar ...’ Als klar wurde, dass sich nichts ändert, entliess ich drei Ingenieure, danach bewegte sich endlich etwas.»

Die Ära Vettel

2007 kam mit dem Modell RB3 der erste Wagen aus der Feder von Adrian Newey auf die Bahn. Red Bull Racing, 2005 mit Cosworth-Power und 2006 mit Motoren von Ferrari unterwegs, arbeitete nun mit Renault zusammen.

Neben David Coulthard kam Mark Webber ins Team. Der Australier hätte um ein Haar den Regen-GP von Japan gewonnen, aber während einer Safety-Car-Phase wurde er ausgerechnet von jenem Mann abgeräumt, der Coulthard ersetzen und für Red Bull Racing vier Mal Weltmeister werden würde – Sebastian Vettel.

Adrian Newey: «Die beiden ergänzten sich perfekt. Mark hatte ein exzellentes Gespür für die Aerodynamik. Und Seb war ganz stark in Sachen Mechanik, Motor und Reifen. Besser kannst du es als Techniker nicht haben.»

Jahrelang wurde Red Bull Racing im Fahrerlager als Spass-Team verkannt – die lauteste Musik, das cleverste Marketing, die schönsten Frauen, der humorige Blick auf den Sport in Form einer Fahrerlagerzeitung. Wie ernst es Dietrich Mateschitz mit dem Erfolgswillen war, merkte die Konkurrenz erst 2009 in vollem Umfang: RBR begann, Rennen zu gewinnen. Auftakt war ein Doppelsieg in China, Vettel vor Webber.

2010 hatten sowohl Webber als auch Vettel Chancen auf den Titel. Webber verlor wichtige Punkte mit einem Ausritt in Südkorea, im gleichen Rennen schied Vettel wegen Motorschadens aus, Fernando Alonso sagt im Ferrari «grazie» und gewann. Doch beim WM-Finale von Abu Dhabi konzentrierte sich der Ferrari-Kommandostand auf Webber, um Alonsos Position zu schützen, Aussenseiter Vettel profitierte und führte in der WM, als es drauf ankam – am Schluss.

Vettel wurde mit seinem Sieg im dramatischen Finale auf dem Yas Marina Circuit 2010 zum jüngsten Formel-1-Champion.

Dank überragender Aerodynamik und guter Rennstrategie, dank eines Jahrzehntetalents Vettel und eines soliden Webber reihte sich Titel an Titel: Vettel wurde vier Mal in Folge Weltmeister, RBR gewann parallel dazu vier Konstrukteurs-Meisterschaften in Serie (2010–2013).

Die Ära Verstappen

Beim Schritt in die Turbo-Ära Anfang 2014 kam die Erfolgsmaschine ins Stocken: Renault verschlief die Entwicklung. 2015 zeigte sich: Selbst das beste Chassis kann das Manko durch die enttäuschenden Renault-Motoren nicht wettmachen. Weder Leistung noch Standfestigkeit stimmte. Erstmals seit 2008 konnte kein Rennen gewonnen werden.

2016 errang Ricciardo wie 2014 den dritten Schlussrang hinter den fast unschlagbaren Mercedes-Fahrern Nico Rosberg und Lewis Hamilton. Im Frühling wurde der glücklose Daniil Kvyat durch den Rohdiamanten Max Verstappen ersetzt, der Niederländer bedankte sich mit dem Sieg im ersten Rennen für Red Bull Racing, in Spanien.

2017 kam Red Bull Racing erst im Frühsommer in Schwung, Max Verstappen und Daniel Ricciardo litten unter der Anfälligkeit der Renault-Motoren. Wenn der Wagen lief, war RBR bei der Musik: Ricciardo behielt die Nerven im Chaos-GP von Aserbaidschan und triumphierte, Verstappen siegte in Malaysia und Mexiko.

2018 bestätigte sich der Aufwärtstrend: Vier Siege (Ricciardo in China und Monaco, Verstappen in Österreich und Mexiko), eigentlich hätten es fünf sein müssen, wäre Max in Brasilien nicht über Esteban Ocon gestolpert.

Honda kommt

Ab 2019 hatte Red Bull Racing erstmals einen echten Werkspartner: Honda. Max Verstappen wurde 2019 und 2020 jeweils WM-Dritter und konnte in dieser Zeit weitere fünf Rennen gewinnen.

2021 dann die Krönung des Niederländers: Erster WM-Titel von Max Verstappen, nach dem dramatischen Finale von Abu Dhabi.

2022 legte Max nach, zweiter Fahrer-WM-Titel in Japan, und Red Bull Racing eroberte im Rahmen des Grossen Preises der USA den ersten Konstrukteurs-Pokal seit neun Jahren – einen Tag nach dem Tod von «Mr. Red Bull» Dietrich Mateschitz.

Erneuter Weltmeister-Titel, einen Tag lang Rolling Stones-Musik in der RBR-Box, die Mannschaft in Jeans – Didi Mateschitz hätte diesen Tag geliebt.

2023 sind Red Bull Racing und Max Verstappen auf dem besten Weg zur erfolgreichen Titelverteidigung. Dieser Höhenflug ist noch lange nicht zu Ende.

Red Bull Racing – die Fahrer

2005: David Coulthard (GB), Christian Klien (A), Tonio Liuzzi (I)
2006: David Coulthard, Christian Klien, Robert Doornbos (NL)
2007: David Coulthard, Mark Webber (AUS)
2008: David Coulthard, Mark Webber
2009: Sebastian Vettel (D), Mark Webber
2010: Sebastian Vettel, Mark Webber
2011: Sebastian Vettel, Mark Webber
2012: Sebastian Vettel, Mark Webber
2013: Sebastian Vettel, Mark Webber
2014: Sebastian Vettel, Daniel Ricciardo (AUS)
2015: Daniel Ricciardo, Daniil Kvyat (RU)
2016: Daniel Ricciardo, Kvyat, Max Verstappen (NL)
2017: Daniel Ricciardo, Max Verstappen
2018: Daniel Ricciardo, Max Verstappen
2019: Max Verstappen, Pierre Gasly (F), Alex Albon (T)
2020: Max Verstappen, Albon
2021: Max Verstappen, Sergio Pérez (MEX)
2022: Verstappen, Pérez
2023: Verstappen, Pérez

Red Bull Racing – die Motoren

2005: Cosworth
2006: Ferrari
2007–2018: Renault
Seit 2019: Honda

Red Bull Racing – die Zwischenbilanz
  • 6 Fahrer-WM-Titel (Vettel 2010–2013, Verstappen 2021/2022)
  • 5 Konstrukteurs-Pokale (2010–2013, 2022)
  • 355 Grands Prix
  • 88 Pole-Positions
  • 89 beste Rennrunden
  • 100 Siege
  • 26 Doppelsiege
  • 246 Podestplätze
  • 5808 Führungsrunden
  • 6709 WM-Punkte

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