Irrer Singapur-Fan: Freiwillig zurück ins Gefängnis!

Von Mathias Brunner
Dieser Anblick bot sich Sebastian Vettel in Singapur

Dieser Anblick bot sich Sebastian Vettel in Singapur

​Am 3. November wird der skurrile Fall von Yogvitam Pravin Dhokia (27) angehört, der sich im Singapur-GP auf die Piste begeben hatte. Der Brite sitzt wieder hinter Gittern – freiwillig!

Sebastian Vettel setzte im Singapur-GP einen Funkspruch ab, den er selber kaum für möglich gehalten hätte: «Das ist ein Mann auf der Strecke!» liess der Ferrari-Star wissen. Und tatsächlich: Ein in gestreiften Bermuda-Shorts und blauem T-Shirt gekleideter Mann marschierte in Rennrichtung gesehen auf der linken Seite dem Rennverkehr entgegen – bevor er durch eine Lücke im Sicherheitszaun wieder verschwand.

Sicherheitskräfte konnten Yogvitam Pravin Dhokia (27) noch während des laufenden Grand Prix dingfest machen. Später wurde eine Kaution in Höhe von 15.000 Singapur-Dollar festgelegt (rund 9500 Euro), die der Brite aber nicht bezahlen konnte. Erst als seine Eltern in Singapur eintrafen, wurde die Summe beglichen und Dhokia wurde am 2. Oktober aus der Untersuchungshaft verlassen. Mit der Auflage natürlich, dass er nirgens hin kann: die Behörden hatten seinen Reisepass eingezogen.

Zu einer Anhörung nun erschien Yogvitam Pravin Dhokia mit einem grossen Rucksack. Sein Anwalt Jeremy Mark Pereira erkärt gegenüber der Nachrichtenagenut AFP: «Mein Mandant hat es vorgezogen, sich wieder in U-Haft zu begeben, er hat das aus freien Stücken getan.»

Hintergrund dieses Schrittes: In Singapur ist es üblich, dass jene Zeit, die in U-Haft verbracht wird, an der späteren Strafe abgezogen wird.

Nächster Termin für Yogvitam Pravin Dhokia: Eine Anhörung am 3. November, bei dem klar werden soll, ob der Fall vor Gericht kommt. Inzwischen verhandeln Staatsanwalt und Anwälte des Pistengängers.

Die Strafe für sein Vergehen (unüberlegte Handlung mit fahrlässiger Gefährdung von Leben) könnte bis zu sechs Monaten Gefängnis betragen und mit einer Busse in Höhe von maximal 1600 Euro einhergehen.

Irrer Fan: Das war in Singapur passiert

Noch in der Rennnacht auf Montag hatten die Singapurer Rennorganisatoren auf die Monitore im Pressesaal Bilder von Videoüberwachungskameras eingespielt: Zu sehen war, wie ein Mann durch eine Lücke im Zaun unweit von Kurve 13 des «Bay Marina Circuit» auf die Bahn steigt, dann in aller Gemächlichkeit die Strecke kreuzt, zwischendurch beschleunigt er seinen Gang etwas, vielleicht erschreckt vom nahenden Motorenlärm oder von Zurufen anderer GP-Besucher. Rennleiter Charlie Whiting brachte sofort das Safety-Car auf die Bahn, so wie es für solche Fälle im Formel-1-Reglement vorgesehen ist.
Noch während des Rennens twitterten Rennbesucher Bilder von unbewachten Lücken im Schutzzaun – um zu zeigen, wie einfach es ist, auf die Strecke zu gelangen.

Im offiziellen Bericht der Singapurer Organisatoren soll von Alkohol die Rede sein. Das entschuldigt freilich nicht, wie der Brite spielend einen knapp ein Meter hohen Zaun übersteigen konnte, wie er mühelos eine Zone durchquerte, die eigentlich nur für Streckenposten gedacht ist und wieso ihn niemand daran hinderte, durch eine Lücke im Zaun auf die Bahn zu gelangen. Eine Lücke, die eigentlich dazu da ist, den Streckenposten schnelles Eingreifen zu erlauben. Der Autoverband FIA wird darüber entscheiden müssen, ob die Singapurer für die Versäumnisse gebüsst werden.

Für den Singapur-GP 2016 wird das Sicherheitsprotokoll der Rennstrecke überarbeitet. Es wird mehr Personal geben, welche Lücken bewacht. Es ist auch davon die Rede, den inneren Schutzzaun (zwischen Besucherraum und Streckenpostenzone) zu erhöhen.

Pistenläufer schon in China!

Mit dem Vorfall in Singapur haben wir zum zweiten Mal in dieser Saison einen Pistenläufer: Gut eine Viertelstunde nach Beginn des zweiten freien Trainings zum Grossen Preis von China im vergangenen April rannte ein schwarzgekleideter Mann, offenbar von der Haupttribüne kommend, quer über die Start/Ziel-Gerade, ungefähr auf Höhe der Ziellinie, und hechtete gekonnt über die Boxenmauer Richtung Ferrari-Garage.

Der Mann hatte sich auf der Rennstrecke eine Lücke zwischen dem vorbeigerasten Sauber von Felipe Nasr und dem nahenden Force India von Nico Hülkenberg ausgesucht. Nach seinem Sprung über die Boxenmauer verschwand der Mann vom TV-Bild. Was geschah dann?

Der Mann bewegte sich zielstrebig Richtung Ferrari-Box, wurde jedoch von Sicherheitskräften überwältigt, bevor er in den Bereich von Sebastian Vettel und Kimi Räikkönen eindringen konnte.
Die Sicherheitskräfte übergaben den möglicherweise geistig Verwirrten daraufhin der Polizei. Augenzeugen zufolge hat der Mann auf Chinesisch geäussert, er wolle einen Formel-1-Renner fahren. Aktion und Aussage sprechen nicht für einen normalen Geisteszustand.

Bei Start und Ziel sind die GP-Renner jenseits von 250 km/h schnell. Gruselig der Gedanke was passierte, wäre er von einem Formel-1-Auto an- oder überfahren worden. So etwas musste die Formel 1 1977 erleben, damals kamen Shadow-Star Tom Pryce und ein Streckenposten ums Leben.

Die chinesischen Organisatoren reagierten auf Anweisung der Rennleitung umgehend: die Sicherheitskräfte, welche Zäune zwischen Tribünen und Rennstrecke überwachen, wurden verdoppelt.

Schon früher Verwirrte auf der Bahn

Menschen auf der Rennstrecke sind im modernen GP-Sport äusserst selten. Unvergessen der frühere Geistliche Cornelius «Neil» Horan, der im britischen Grand Prix 2003 auf die Silverstone-Strecke rannte, um auf die Worte des Herrn aufmerksam zu machen (auf seinem Schild stand: «Lest die Bibel. Die Bibel hat immer Recht»). Das Einzige, was wirklich nah war, war sein eigenes Ende: der Wagen von Mark Webber verpasste den irren Priester nur um Haaresbreite.

Das Safety-Car musste auf die Bahn geschickt werden, um den Eindringling einzufangen. Held der Stunde war Streckenposten Stephen Green, der Horan mit einem gekonnten Ringergriff überwältigte. Horan, der auch bei anderen Sportanlässen Störefried spielte, wurde später für seine Aktion in Silverstone zu zwei Monaten Gefängnis verurteilt.

Im Jahre 2000 drang der 47jährige Robert Sehli, ein ehemaliger Angestellter von Mercedes, auf die Hockenheim-Rennstrecke vor, er war aus dem Dickicht der ersten Waldgeraden auf den Grünstreifen neben der Bahn gelangt. Der Franzose wollte mit seiner Aktion gegen eine seiner Meinung nach ungerechtfertigte Entlassung protestieren – was auf einer weissen Pellerine stand, die er trug.

Auch hier musste das Safety-Car ausrücken. Später kam heraus, dass er seine Aktion schon beim Frankreich-GP durchführen wollte, es dort aber nicht an den Sicherheitskräften vorbei geschafft hatte.

Selhi erhielt später eine Busse von 200 D-Mark. Und von einem französischen Gericht eine Wiedergutmachung in Höhe von rund 12.000 Dollar – der Richter fand ebenfalls, dass Selhis Entlassung nicht korrekt war.

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