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Vom extremen Renngeist besessen und die Folgen davon

Kolumne von Manuel Pecino
Glücklich über die Plätze 3 und 2 in Argentinien: Dovi (li.) und Rossi

Glücklich über die Plätze 3 und 2 in Argentinien: Dovi (li.) und Rossi

Zu welchem Zeitpunkt hat der Rennsport den Geist von «nicht gewinnen bedeutet verlieren» verloren? Für Honda-Gründer Soichiro Honda oder 500er-Weltmeister Wayne Gardner gab es nur Schwarz und Weiß.

Bei einem der Abendessen, das ich dankenswerterweise mit dem ehemaligen HRC-Chef Yoichi Oguma verbringen durfte, erzählte er mir eine Geschichte, die er mit Herrn Soichiro Honda, dem Gründer von Honda Motor, erlebt hat. Oguma san erklärte, dass Herr Honda, wenn er sein Büro in der Nähe der Tokio Station verließ, normalerweise zu einem von vier Orten ging. Da Herr Honda niemandem sagte, wohin er genau gehen würde, rief seine Sekretärin jedes Mal alle vier möglichen Destinationen an, um sie vorzuwarnen: «Herr Honda hat eben das Gebäude verlassen.»

Einer der Orte, wohin er gerne ging, war R&D. Dort hatte er eine gute Einsicht in das, woran seine Ingenieure arbeiteten und er konnte bei der Honda Racing Corporation vorbeischauen, die damals in den Asaka-Liegenschaften untergebracht war. Technik und Rennsport; Honda san konnte dort Untersuchungen und Beobachtungen zu seinen beiden großen Leidenschaften anstellen.

«Als ich den Anruf bekam, dass Herr Honda das Gebäude verlassen hatte, wusste ich ganz genau, dass er zu HRC kommen würde. Wir sind am vorherigen Wochenende in Deutschland gefahren und hatten das Rennen gegen Yamaha verloren. Ich wusste, dass er bei HRC auftauchen würde», erklärte mir Oguma. Und, wie erwartet, kurz danach öffnete sich die Türe bei HRC – und Herr Honda trat ein.

Nach den formalen Begrüßungen fragte Herr Honda den Leiter von HRC, scheinbar beiläufig, ob sie «vor kurzem» ein Rennen gefahren seien. «Mir war klar, dass er ganz genau wusste, dass am Wochenende zuvor ein Rennen stattgefunden hatte. Ich antwortete: «Ja, wir sind in Deutschland gefahren.»

«Und wie haben wir abgeschnitten?», fuhr Soichiro Honda fort, als ob er nichts wüsste. «Als ich ihm sagte, dass wir Zweiter geworden sind», erzählte Oguma, «schloss er seine Augen als Zeichen des Frusts. Aber das Schlimmste sollte noch kommen, das wusste ich. Nach ein paar Sekunden stellte er mir die Frage, die ich nicht hören und noch weniger beantworten wollte.»

«Wer hat gewonnen?» Ogima entgegnete: «Yamaha.» An diesem Punkt sorgte der Name von Hondas größtem Rivalen für eine Art Krampf bei Soichiro Honda. Nach einer weiteren stillen Pause fragte er: «Wie weit waren wir hinter dem Sieger?» Als Oguma san ihm sagte, dass Honda eine halbe Reifenbreite hinter Yamaha gelegen sei, schüttelte der Honda-Firmenchef seinen Kopf und fragte weiter: «Was ist der Durchmesser unseres Reifens?»

Honda und die V5-Maschine

Blicken wir zurück. Motegi-GP, ein Jahr im ersten Jahrzehnt der 2000er-Jahre – mein Gedächtnis für Daten verrät mir nicht mehr: HRC lud die Presse ein, eigentlich um ihre RCV211-V5 zu erklären, das neueste «andere» Honda-Motorrad. Diese MotoGP-Maschine kam 2002 erstmals zum Einsatz; Rossi wurde damit auf Anhieb Weltmeister.

Bei der Frage-und-Antwort-Stunde nach der Pressekonferenz deutete ich auf einen der Techniker, der sich mit der Kupplung, mit der das Motorrad Schwierigkeiten hatte, auskannte. Ich fragte ihn, wieso das Problem bisher noch nicht gelöst worden sei. Ich bekam eine dieser nutzlosen, nichtssagenden Antworten: «Wir arbeiten daran und werden das Problem lösen.»

Zu meiner Überraschung kam Suguru Kanazawa, der damalige HRC-Präsident, auf meine Frage nach den Kupplungsproblemen zurück, nachdem alle formellen Begrüßungen vorüber waren. «Ich stimme mit dem Journalisten überein, dass es inakzeptabel ist, dass wir, Honda, es nicht geschafft haben, die Kupplung unserer MotoGP-Maschine richtig zum Funktionieren zu bringen.»

Am Montag nach dem Rennen beobachtete ich Nicky Hayden, wie er dutzende Male hintereinander versuchte, beim Ausgang aus der Boxengasse zu starten. Neben ihm standen zwei Techniker, die jeden Versuch genau analysierten.... Ich weiß nicht, ob es einer von ihnen war, der bei der Pressekonferenz meine Frage beantwortet hatte.

Die Ära Wayne Gardner

Vor wenigen Tagen rief ich Remy Gardner nach seiner beeindruckenden Leistung beim Grand Prix in Argentinien an, wo er gefahren ist, als wäre er vom Geist seines Vaters Wayne besessen.

Lassen sie mich eine andere kurze Geschichte über Wayne Gardner erzählen. Erv Kanemoto, der berühmte Technik-Guru der 500-ccm-Zweitakt-Ära, hat mir einmal den Unterschied zwischen Wayne Gardner und Eddie Lawson, die gemeinsam in seinem Team gefahren sind, erklärt.

«Wenn die Dinge nicht so funktioniert haben wie erwartet und er im Qualifying hinten lag, blieb Eddie ruhig und sagte zu mir: «Mach’ dir keine Sorgen, wir haben die Möglichkeit, uns beim Fahrwerkssetting und bei der Kraftentfaltung zu verbessern.» Und so weiter.

Waynes Ansatz hingegen war: «Mach’ dir keine Sorgen, Erv. Ich muss das Motorrad ein wenig einfahren und dann löse ich das Problem.» Wayne ging auf die Strecke hinaus und fuhr stärker und wilder.

Zurück zu Remy Gardner. Natürlich habe ich ihm die Frage gestellt, was die Reaktion seines Vaters war, nachdem er zum ersten Mal nach vier Jahren im Grand-Prix-Sport auf dem Podest stand. «Zuerst hat er gesagt, dass ich das Rennen hätte gewinnen müssen.»

«Aber abgesehen davon war er glücklich?», hakte ich nach. «Nein, im Gegenteil. Er war wütend, weil er glaubt, dass ich das Rennen hätte gewinnen müssen, dass ich in der Situation war, in der ich es hätte schaffen müssen...»

Nicht gewinnen bedeutet verlieren

Wenn sie bis hierher gelesen haben fragen sie sich bestimmt, was ich mit diesem Artikel sagen will. Ich habe die bisherigen Anekdoten jemandem erklärt. Nein, das Wort ist falsch gewählt, es sind keine Anekdoten, sondern bestimmte Beispiele, anhand derer man den Rennsport verstehen kann. Und ich hatte den Drang, sie zu erzählen, nachdem ich das «glückliche Podest» beim GP von Argentinien gesehen hatte.

In Las Termas sahen alle drei Fahrer auf dem MotoGP-Podium glücklich und zufrieden mit ihren Resultaten aus. Es sah aus, als hätten sie alle drei gewonnen – Márquez, Rossi und Dovi. Was leider nicht der Fall war. Nur einer von ihnen hatte gewonnen und die anderen beiden haben, laut dem Renngesetz, verloren. Okay, Valentino Rossi war glücklich, auf dem Podest gelandet zu sein und Andrea Dovizioso bei einem eindrucksvollen Manöver überholt zu haben. Wunderbar, fantastisch, nett... Aber glauben Sie, dass das Top-Management bei Yamaha in Iwata eine Flasche Champagner geöffnet hat, nachdem sie von Honda geschlagen worden waren?

Gleich oder noch unverhohlener war Doviziosos Rede nach dem Rennen, in der er sagte, dass er über den dritten Platz glücklich ist, weil es eine große Verbesserung im Vergleich zum sechsten Platz vom letzten Jahr sei. Glaubt Dovi, dass all die leidenschaftlichen Ducati-Fans rund um die Welt genau so zufrieden waren wie er?

Warten sie einen Moment: Zu welchem Zeitpunkt der Reise hat der Rennsport den Geist von «nicht gewinnen bedeutet verlieren» verloren, der genau die im ersten Teil dieses Artikels erzählten Geschichten widerspiegelt?

Ich verstehe, dass ein gutes Resultat nach einem Wochenende harter Arbeit Zufriedenheit bereitet. Zweiter oder Dritter zu werden ist kein Grund zur Trauer. Aber meiner Meinung nach sollte kein Fahrer und kein Team solchen Enthusiasmus ausdrücken, nachdem eine Niederlage hingenommen wurde.

Vielleicht liege auch ich falsch und ich bin zu sehr von dem extremen Renngeist besessen. Kann sein, ja.

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