Theissen: «Unser Eindruck ist gut»

Von Teo Mafontana
BMW-Motorsportdirektor Dr. Mario Theissen

BMW-Motorsportdirektor Dr. Mario Theissen

Die Wintertest-Bilanz von BMW-Motorsportchef Dr. Mario Theissen fällt positiv aus.

BMW-Sauber hat mit dem Modell F1.09 insgesamt 9445 Testkilometer in Valencia, Sakhir, Jerez und Barcelona absolviert. Es war die Vorbereitung auf die vierte Saison des Teams. Wohl nie war eine Einschätzung der Kräfteverhältnisse so schwer. Grundlegende Reglementänderungen haben fundamental andere Fahrzeuge hervorgebracht. In knapp zwei Wochen, am 29. März, findet der erste WM-Lauf im australischen Melbourne statt.

Herr Theissen, ist BMW-Sauber gut vorbereitet?

Ja. Der Eindruck nach den Tests ist gut. Sowohl die Fahrer als auch die Ingenieure haben positive Rückmeldungen gegeben. Die Richtung, die wir mit dem F1.09 eingeschlagen haben, stimmt.

Was waren die grössten technischen Herausforderungen?

Die Ingenieure mussten sich in vier Bereichen auf grundlegende Neuerungen einstellen. Denn neben den Themen Aerodynamik, Reifen und KERS zähle ich auch die verdoppelte Laufleistung der Motoren dazu. Nie zuvor in der Formel 1 mussten die Motoren so viele Kilometer halten. Die Änderungen bei der Aerodynamik waren so fundamental, dass die Ingenieure sprichwörtlich mit einem weißen Blatt Papier beginnen mussten. Auch die Einführung des Bremsenergie-Rückgewinnungssystems KERS in der Formel 1 stellte für die Techniker Neuland dar. Eine riesige Herausforderung, die wir mit sehr großer Motivation angenommen haben. Wenn ich heute schaue, welche Fortschritte wir in dieser kurzen Zeit gemacht haben, dann ist das schon sehr beeindruckend. Hier hat die Formel 1 die Rolle eines Technologiebeschleunigers für künftige Serienfahrzeuge übernommen.

Wird KERS in Melbourne zum Einsatz kommen?

Wir haben das KERS zur Rennreife entwickelt. Einem Einsatz steht also diesbezüglich nichts mehr im Wege. Nun gilt es abzuwägen: Auf der Positivseite ist die zusätzliche Leistung von 82 PS, die der Pilot während 6,6 Sekunden abrufen kann. Auf der Negativseite stehen das Gewicht des Systems mit seiner Auswirkung auf die Gewichtsverteilung des Autos sowie der Reifenverschleiss. Wir werden von Strecke zu Strecke und von Fahrer zu Fahrer entscheiden.

Sind schwerere Fahrer durch das KERS benachteiligt?

Das vom Reglement vorgeschriebene Fahrzeug-Mindestgewicht von 605 Kilogramm wird inklusive Fahrer ermittelt. Die Differenz aus dem tatsächlichen und dem Mindestgewicht wird als Ballast optimal im Fahrzeug platziert. Auch bisher hatte daher ein schwerer Fahrer den Nachteil, weniger Ballast zur Ausbalancierung des Fahrzeugs zur Verfügung zu haben. Beim Einsatz des KERS wird die Ballastmasse um das Gewicht des Systems weiter reduziert. Damit die Formel 1 nicht zu einer Jockey-Liga ausartet, plädieren wir für eine Erhöhung des Mindestgewichts in Zukunft.

Wie schätzen Sie die sportpolitische Bedeutung der Teamvereinigung FOTA für die Zukunft der Formel 1 ein?

Auf Seiten der Formel-1-Teams hat in der Vergangenheit noch nie eine solche Einigkeit geherrscht wie jetzt. Nicht umsonst hat der Vorsitzende Luca di Montezemolo in Genf Anfang März bei der ersten FOTA-Pressekonferenz von einem historischen Ereignis gesprochen. Mit der FOTA haben sich die Teams zu einem Partner für FIA und FOM auf gleicher Höhe formiert.

Welches sind die wichtigsten Ziele?

Uns geht es einvernehmlich darum, die Kosten zu senken, ohne dass die Formel 1 an ihrer Attraktivität und Anziehungskraft einbüsst. So haben wir bereits für 2009 die Testfahrten halbiert und die Nutzung von Windkanal sowie Supercomputer eingeschränkt. Für 2010 wird ein noch viel umfangreicheres Paket folgen. Die Königsklasse ist nach wie vor eine einzigartige Mischung aus Spitzentechnologie, Sport, Wirtschaft und Show. Aber die Zeichen der Zeit haben sich geändert. Und auf diese Änderungen muss sich auch die Formel 1 einstellen. Da sehe ich unseren Sport auf einem guten Weg.

Welche Sparmassnahmen hat das BMW-Sauber bereits getroffen?

Wir unterstützen schon seit Jahren Massnahmen zur Kostensenkung und waren immer mit Augenmaß unterwegs. Im BMW Sauber F1 Team wurde von Beginn an auf Effizienz geachtet und der Aufwand Jahr für Jahr reduziert. BMW gibt für die Formel 1 heute 40 Prozent weniger aus als noch 2005. Damals waren wir Motorenlieferant, inzwischen sind wir mit einem eigenen Team unterwegs. Signifikante Einsparungen wurden durch die Verlängerung der Motorenlaufzeiten erreicht. Als BMW zum Jahr 2000 in die Formel 1 zurückkehrte, hat man mit einem Motor die freien Trainings bestritten, für das Qualifying einen neuen eingebaut und für das Rennen nochmals einen frischen. Dieser Aufwand wurde sukzessive zurückgeschraubt. Heute müssen acht Motoren pro Fahrer für die ganze Saison reichen. Eine weitere erhebliche Budgeteinsparung stellen die stark reduzierten Testfahrten dar. 2009 sind Testfahrten auf Rennstrecken ausserhalb der GP-Wochenenden bis zum 31. Dezember gestrichen. Die einzige Ausnahme bilden Tests für Nachwuchsfahrer ohne GP- Erfahrung nach Abschluss der Saison. Wir haben ein ganzes Maßnahmenpaket zur Kostenreduzierung geschnürt.

Wie sehen Sie die Zukunft der Formel 1?

Wir haben die Gelegenheit, die Zukunft der Formel 1 in der gegenwärtig kritischen Phase positiv zu beeinflussen. Und ich bin überzeugt davon, dass die Formel 1 gestärkt aus dieser Situation hervorgehen wird. Wenn die Maßnahmen zur Kostenreduzierung erst einmal vollumfänglich gegriffen haben, gehe ich davon aus, dass weitere unabhängige Teams in die Formel 1 einsteigen und dabei finanziell auf einer gesunden Basis stehen können. Darüber hinaus zielt das technische Reglement nun in eine Richtung, die für die Entwicklung von Serienautos eine wichtige Rolle spielt. Dadurch kann die Formel 1 in Bezug auf Zukunftstechnologien eine Pionierrolle übernehmen.

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