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Charles Leclerc und Ferrari: Das neue Mass der Dinge

Von Mathias Brunner
Charles Leclerc wird von den Ferrari-Mechanikern gefeiert

Charles Leclerc wird von den Ferrari-Mechanikern gefeiert

Der Monegasse Charles Leclerc hat die Tifosi in einen Freudentaumel versetzt: Nach zwei Siegen in drei WM-Läufen 2022 glauben die Ferrari-Fans an den ersten Fahrer-Titel der Italiener seit Kimi Räikkönen 2007.

Vielleicht ist das ein gutes Omen: Der letzte Fahrer, der für Ferrari in Melbourne von der Pole-Position zum Sieg fuhr, wurde im Anschluss Weltmeister, das war Kimi Räikkönen 2007.

Dem 24-jährigen Monegassen Charles Leclerc ist in Australien eine noch eindrucksvollere Fahrt gelungen: Pole-Position, beste Rennrunde, Start/Ziel-Sieg. In der Formel 1 wird das «Grand Slam» genannt, und Leclerc ist der 26. Fahrer in 73 Jahren Königsklasse, dem eine solche Machtdemonstration gelungen ist. Einsamer Leader in dieser Statistik: Jim Clark mit 8 Grand Slams.

An den ersten beiden GP-Wochenenden in Bahrain und Saudi-Arabien lagen Ferrari und Red Bull Racing auf Augenhöhe: Leclerc und Weltmeister Max Verstappen lieferten sich hinreissende Zweikämpfe. In Australien war das anders: Verstappen fuhr sich die Seele aus dem Leib, konnte aber den Rhythmus seines Widersachers nicht halten.

Schlimmer noch: Die Chancen auf einen 22. GP-Sieg von Max verpufften in einer Rauchwolke aus dem Heck seines Red Bull Racing-Renners – Treibstoff-Leck, kurzes Feuer. Zum Glück erwies sich Verstappen auch im Umgang mit einem Feuerlöscher als sehr geschickt, so dass der Motor wohl gerettet werden kann. Die Analyse in Japan läuft.

Die Analyse in Sachen Konkurrenzfähigkeit hat ein sichtlich enttäuschter Verstappen nach dem Rennen platziert: «Ich bin Meilen vom Spitzenreiter entfernt. Derzeit will ich gar nicht an den WM-Titel denken. Es ist wichtiger, jetzt Rennen zu gewinnen. Aber ich habe den Grand Prix nicht einmal beenden können, das ist ziemlich frustrierend und inakzeptabel. So etwas das darf nicht passieren, wenn du um den Titel kämpfen willst.»

Angesichts eines Rückstands von 46 Punkten auf Leclerc meint der Niederländer: «Wir müssten schneller sein als Ferrari, um Boden gut zu machen, aber das sind wir nicht. Und wir sollten dazu ein standfestes Auto haben, aber das haben wir nicht.»

Streckenspezifisch für Australien galt: Kein Auto holte aus den Reifen so viel heraus wie der Ferrari. Während bei den Gegnern wie Verstappen die Walzen zu körnen begannen, vor allem der Pirelli links vorne, schien Leclerc davon völlig unbelastet zu sein.

Im Albert-Park von Melbourne deutet sich an: Das Arbeitsfenster, um in den Einklang zwischen Rennwagen und Reifen zu kommen, ist bei Ferrari grösser als bei Red Bull Racing.

Oder anders gesagt: Kommt es zu Veränderungen eines Faktors wie einer anderen Umgebungstemperatur, einer anderen Reifenmischung oder einer unterschiedlichen Pistentemperatur, dann reagiert der Ferrari darauf weniger anfällig als der Red Bull Racing RB18.

Ferrari scheint das neue Reglement auf den Punkt gebracht zu haben: mit einem Auto, das auf jedem Pistentyp schnell ist, das gutmütig reagiert, das zuverlässig arbeitet. Und es ist obendrein zehn Kilo leichter als der RB18, wie Red Bull-Motorsportberater Dr. Helmut Marko in Melbourne zugegeben hat.

Red Bull Racing-Teamchef Christian Horner tröstet sich mit dem Gedanken: «Lieber ein schnelles, wenn auch unzuverlässiges Auto standfest machen als ein standfestes, aber zu langsames Fahrzeug schnell.»

Die Ferrari-Fans haben nicht vergessen: Auch in den Jahren 2017 und 2018 begannen die Italiener, damals gegen Mercedes, stark – aber dann wurden die Silberpfeile mit einer effizienteren Entwicklung zur WM-Titel-Schärfe geschliffen. Ferrari ging leer aus und bleibt seit 2008 ohne Gewinn der Konstrukteurs-Meisterschaft und seit «Iceman» Räikkönen 2007 ohne Fahrer-WM-Titel

Für Charles Leclerc steht fest: «Wir müssen auf Zack bleiben. Aber ich habe viel Vertrauen in meine Mannschaft. Denn für die Entwicklung des Autos sind die gleichen Leute zuständig, welche diesen tollen Rennwagen gebaut haben.»

Der inzwischen vierfache GP-Sieger ist klug genug zu wissen – es bringt nichts, den Tifosi jetzt Flausen in den Kopf zu setzen. Daher hält der Monegasse den Ball flach: «Ich will gar nicht zu sehr über die WM-Führung oder gar einen Titel nachdenken, die Saison ist noch so lang. Wir werden daher auch das Heimennen in Imola angehen wie jedes andere auch. Wir dürfen unsere Situation nicht verkopfen.»

Leclerc ist lange genug in der Vollgasbranche, um zu wissen – selbst ein so stattlicher Vorsprung wie 34 Punkte auf den derzeitigen WM-Zweiten George Russell oder 46 Zähler auf den momentanen WM-Sechsten Max Verstappen löst sich ratz-fatz in Luft auf, wenn ihm und Ferrari zwei verpatzte Rennen unterlaufen.

Ja, die Ferrari-Fans haben Anlass zum Träumen. Aber die Saison ist für Max Verstappen und Red Bull Racing noch lange genug, um die WM-Führung zurückzuerobern. Und sobald Mercedes-Benz die Handlings-Probleme in den Griff bekommen haben, wird aus dem bisherigen Zweikampf um Siege ein Dreikampf.

Die Fans dürfen sich daher auf die kommenden Wochen und Monate freuen: Die Rennwagen-Generation 2022 hält bislang, das sich Formel-1-Sportchef Ross Brawn und Serien-CEO Stefano Domenicali davon versprochen hatten.


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