Schumacher im Koma: Alpträume wie Marc Surer?

Von Mathias Brunner
Marc Surer: «Die Unsicherheit im Krankenbett war für mich sehr schlimm»

Marc Surer: «Die Unsicherheit im Krankenbett war für mich sehr schlimm»

Nächste kritische Phase in der Genesung von Michael Schumacher (45) nach dem schweren Skiunfall vom 29. Dezember 2013: Wenn er aus dem künstlichen Koma geholt wird.

Wir hören nichts von der Familie Schumacher und den behandelnden Ärzten über den schwer verletzten Michael Schumacher. Also müssen wir davon ausgehen: der Zustand des siebenfachen Formel-1-Champions ist weiterhin stabil, jedoch kritisch – so wie vor fast genau einer Woche.

Vergleichbar schwere Verletzungen, ein Schädelhirn-Trauma der Stufe 3, können in diesem Zustand jederzeit zu Komplikationen wie Infektionen oder neuen Blutungen führen.

Der 91fache Grand-Prix-Sieger kommt nun in eine Phase, in welcher die Ärzte um Stéphan Chabardès, den leitenden Hirnspezialisten (der Schumi nach Einlieferung in die Uniklinik Grenoble operierte), Professor Jean-François Payen als leitenden Anästhesisten sowie Emmanuel Gay (welcher die zweite Operation leitete) daran denken, ihren Patienten langsam aus dem künstlichen Koma zu holen. Auch diese Phase ist äussert heikel: die Medikamente, dank welchen Michael Schumacher in Tiefschlaf versetzt wurde, werden verringert, gleichzeitig wird die Körpertemperatur langsam erhöht. Was dann passiert, weiss keiner: die Aufwachphase kann tagelang dauern. Erst nun ist aufgrund von Reaktionen absehbar, ob und wie stark Michael Schumacher beim Skiunfall wirklich verletzt worden ist.

Schumacher im Koma: Alpträume wie Marc Surer?

Erfahrungen nicht nur aus dem Rennsport zeigen: Der Moment des Unfalls wird bei fast allen Unfallopfern gelöscht. Die meisten Komapatienten berichten nach ihrem Tiefschlaf jedoch, sie hätten geträumt und zwar sehr ausgiebig.

Marc Surer (62) wurde 1986 zwar nicht am Kopf verletzt wie Schumi, doch seine Verletzungen waren so schlimm, dass er von den Spezialisten der Unispital Giessen ebenfalls ins künstliche Koma versetzt wurde: Brüche der Schulter, des Schlüsselbeins, des Beckens, beider Oberschenkel, des Wadenbeins links, des Fussgelenks rechts, Fleischwunden an den Füssen, Verbrennungen am ganzen linken Arm, am Hals, am Genick, alle dritten Grades, Verbrennungen im Gesicht, abgeknicktes Steissbein. Nur eine Intervention von Marc Surers Mutter verhinderte, dass dem Basler der rechte Fuss amputiert wurde.

Drei Wochen lang lag Surer stillgelegt und berichtete später in unserem gemeinsamen Buch «Motorsport explosiv» von den unglaublichsten Alpträumen: «Einer der Träume handelte davon, dass ich offenbar bei der Rallye Paris-Dakar dabei bin und von Angehörigen der Ghadaffi-Armee als Geisel genommen werde. Wir fliehen in einer Swissair-Maschine, eine der Stewardessen ist meine frühere Freundin Jacqueline. Doch die Maschine wird von amerikanischen Kampfflugzeugen angegriffen und macht eine Bruchlandung. Ich sitze wieder in der Wüste fest. In fast all meinen Träumen bin ich vor Menschen auf der Flucht gewesen, die mir Böses wollten.»

Ärzteteam als Mitglieder einer Verschwörung?

Marc Surer träumt einmal, dass für ihn ein Grab ausgehoben wird. Eine Frau setzt sich für ihn ein, sagt, die Werte seien doch gar nicht so schlecht. Später wird Surer die Stimme wiedererkennen – sie stammt von Frau Dr. Käbisch der Giessener Klinik. Der Totengräber, jener Mann, der Surer im Sand vergraben will, ist im richtigen Leben sein Pfleger Horst (der natürlich nur das Beste für seinen Patienten im Sinne hat).

Es gilt als umstritten, was Patienten im Koma hören. Die meisten Neurologen sind sich jedoch sicher: Stimmen von Vertrauten wie der eigenen Familie oder von engen Freunden sowie Musik, die der Patient mag, können auf das Unterbewusstsein auswirken und bei der Heilung durchaus helfen.

Marc Surer träumt auch, und das ist für ihn besonders verstörend: Yolanda, 1986 seine Freundin, später seine erste Ehefrau, stecke in seinen Alpträumen mit Ghadaffis Schergen unter einer Decke. Surer träumt, er sei in einem Spital, aber die Fachkräfte um ihn herum seien alles Roboter. Später, so der Traum weiter, wird Marc in die Schwarzwaldklinik verlegt, erneut umgeben von Robotern in Menschengestalt. Surer soll dort an eine Art Zentralgehirn verbunden werden.

Marc Surer: «Zu diesem Zeitpunkt vermischten sich immer mehr Eindrücke aus der Wirklichkeit mit meinen Träumen. Ich erkenne Menschen in grünen Gewändern. Im Traum halte ich sie noch immer für meine Kidnapper. In Wirklichkeit sind es meine Ärzte.»
Surer träumt davon, dass sich unmittelbar vor der Klinik das Meer befinde. Durch das Fenster seines Zimmers sieht er den Chefarzt auf Deck eines Schiffs. Surer hört Wasser plätschern. Später wird ihm Yolanda erklären, dass eine jener Maschinen, die Marc das Überleben sicherten, ein stetiges Plätschern verursacht haben.

Die Wachphasen werden länger. Marc: «Obschon ich schon vorher teilweise hellwach war, hörte ich nun zum ersten Mal, was mir zugestossen war. Ich kann allen in solchen Situationen nur raten, dem Verunglückten so bald es geht klar zu machen, was passiert ist und was die Ärzte nun vorhaben. Ich habe unter der Unsicherheit sehr gelitten. Die Aufklärung ist der Anfang der Heilung.»

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