Rajiv Bajaj (KTM): «Europäische Fertigung ist tot»
Rajiv Bajaj ist CEO von 'Bajaj Auto' und Mehrheitsaktionär von KTM. In einem Interview mit dem indischen Fernsehsender CNBC TV18 erklärte er: «Ganz einfach und unverblümt: Die europäische Fertigung ist tot.»
Dass Bajaj KTM umkrempeln würde, war seit der Übernahme klar. Seitens der Inder wurde von Anfang an ein Missverhältnis zwischen 'Overhead-Kosten' und 'Produktionskosten' kritisiert. Zu den sogenannten 'Overhead-Kosten' zählen insbesondere Marketing und Entwicklung. Diese Kosten will Rajiv Bajaj im ersten Schritt um mehr als die Hälfte reduzieren.
Das Problem: Um im Sport erfolgreich zu sein, braucht es Innovation. Die Forschungs- und Entwicklungsabteilungen von KTM haben nicht nur konkurrenzfähige Sportmotorräder entwickelt, sondern diese Technologien auf ein breit aufgestelltes Produkt-Portfolio übertragen. Das war die DNA von KTM: 'Ready To Race'.
Die Frage, die bislang unbeantwortet blieb, ist die nach der künftigen Unternehmensphilosophie. 'Ready To Race' war für KTM nie eine hohle Phrase. Wer sich Serien wie den ADAC-Youngster-Cup oder die EMX-Klassen ansieht, in denen Fahrer starten, die ihre Motorräder überwiegend noch selbst kaufen, erkennt die enorme Reputation der KTM-Sportmotorräder. Fast Dreiviertel der dort vertretenen Motorräder stammen von KTM, Husqvarna oder GASGAS und basieren damit auf der gemeinsamen KTM-Plattform.
Unter den Top-10 des Youngster-Cups 2025 befanden sich am Ende der Saison 8 (!) KTM-Piloten. Unter allen Fahrern, die beim Youngster-Cup 2025 Punkte sammeln konnten, starteten 38 Piloten mit KTM, GASGAS oder Husqvarna. Die anderen Marken: Yamaha (5), Honda (3), Triumph (2) und Kawasaki (1).
Werden unter der Führung von Bajaj die etablierten KTM-Sportmotorräder künftig noch diese überragende Rolle spielen können? Weltweit gilt Indien als der größte Markt für Motorräder, gefolgt von China und weiteren asiatischen Ländern. Schätzungsweise 220 Millionen Fahrzeuge sind dort im Einsatz und 20 Millionen Neufahrzeuge werden pro Jahr verkauft, während es in Europa nicht einmal 2 Millionen sind. Selbst in den USA liegt die Zahl der neu zugelassenen Motorräder bei deutlich unter einer Million. *)
Aus der Perspektive von KTM-CEO Bajaj ist also völlig klar: Die asiatischen Massenmärkte stehen im Zentrum seines Interesses. Hohe Energie- und Lohnkosten in Europa ruinieren den Wirtschaftsstandort Europa. Indien profitiert gleich doppelt von der europäischen Sanktionspolitik, indem sie nicht nur günstige russische Energie importieren und für ihre Wirtschaft nutzen, sondern weiterverarbeiten und weiterverkaufen – insbesondere wieder zurück nach Europa. Allerdings bleiben auch die gegen Indien verhängten US-Strafzölle nicht ohne Folgen. Auf dem europäischen Markt kommen die bekannten 'Umweltauflagen' hinzu, die nicht nur Innovationskraft binden und zusätzliche Kosten verursachen, sondern der Mobilität insgesamt ein negatives Image verleihen - Stichwort 'Green Deal'.
In Asien ist ein Motorrad noch ein reales und etabliertes Fortbewegungsmittel, während es in Europa zum reinen Luxusgut mutiert ist. «Es ist ein Lifestyle-Markt», erklärte der umtriebige Unternehmer Rajiv Bajaj und sieht das Verhältnis von 50 Millionen im Massenmarkt zu einer Million im Lifestyle-Segment. «Die Energiepreise in Europa sind viel zu hoch, die Inflation ist viel zu hoch. Triumph produziert schon lange in Thailand. Jetzt produziert auch Ducati in Thailand. Raus aus Europa, das ist die Strategie, die wir auch mit KTM verfolgen.»
Von den rund 4.000 KTM-Mitarbeitern in Mattighofen sollen zurzeit rund 3.000 im Büro und 1.000 in der Produktion arbeiten. «Ein grobes Missverhältnis», meint Bajaj. Aber die 3.000 Stellen im Büro betreffen auch Forschung, Entwicklung und Produktstrategie. Bajaj will an dieser Stelle den Rotstift ansetzen und ein Sparpotenzial von 300 Millionen Euro ausgemacht haben.
Weitgehend unbekannt ist, dass Bajaj auch mit Triumph eine strategische Partnerschaft eingegangen ist. Bajaj produziert jetzt schon Triumph-Motorräder (Triumph Speed 400 und die Triumph Scrambler 400) in Indien. Andere Triumph-Motorräder, wie die Motocross-Modelle TF 250 und TF 450, die klar dem Lifestyle-Segment zuzuordnen sind, werden in Thailand produziert.
Dies wird auch Bajajs künftige Strategie für KTM: In Asien günstig produzieren und teuer in den USA und in Europa verkaufen, vorzugsweise im Lifestyle-Segment. Kaufkraft abschöpfen heißt die Devise, zumindest solange es noch zahlungskräftige Kunden gibt. Ob die indischen Eigentümer mit dieser Strategie Erfolg haben werden, bleibt abzuwarten.
Die Suppe auslöffeln dürften aber die Mitarbeiter in Mattighofen. Die Folgen früherer Fehlentscheidungen und die angekündigte Neuorientierung müssen sie im schlimmsten Fall mit dem Verlust ihrer Arbeitsplätze bezahlen. KTM steuert nach der Übernahme durch Bajaj auf einen harten Sparkurs zu. Die Inder dafür pauschal zu verurteilen, greift jedoch zu kurz, denn Bajaj hat KTM als Marke immerhin gerettet.
*) die Angaben einer früheren Version des Artikels wurden korrigiert.





