Yamaha steht vor Einigung mit neuem Kundenteam

Das Don Quijote-Schicksal

Kolumne von Michael Scott
Nach einem Jahr voller spannender Höhen und Tiefen fällt die Titel-Entscheidung im letzten Rennen der Saison. So sollte der Sport immer sein, aber was bedeutet dies für die Zukunft?

Viele erwarten eine lange und übermächtige Herrschaft von Wunderjunge Marc Márquez. Diese könnte jedoch nicht so problemlos verlaufen, wie derzeit vielleicht vermutet wird. Wir haben während der Saison 2013 ohne Frage bereits einen Machtwechsel erlebt. Auch Valentino Rossi musste diesem Vorgang ohne besonderes Wohlbefinden zusehen. Vierte Plätze – hmmmm. Dani Pedrosa erging es nicht anders. Er lag am weit entfernten Ende des Titel-Dreiecks.

Die Entdeckung 2013 war natürlich Marc Márquez. Nach den ersten Rennen, als sein Speed, seine Aggression und seine Konstanz bereits durch den ersten Sieg unterstrichen wurden, empfand man seine Leistungen jedoch als normal.

Der Mann des Jahres ist Lorenzo

Der Fahrer des Jahres ist aus vielen Gründen Jorge Lorenzo. Sein Hang zur Prahlerei macht den Motorradsport so wundervoll. Diese wirkte zunächst unbegründet und beinahe kindisch. Das Spiel «Ich kann schneller fahren als du», ist aber viel wert, sogar Millionen wert, und es ließ ihn neue Fähigkeiten entwickeln und Risiken eingehen, um dahin zurückzukommen, wo er angefangen hatte. Ich stelle dies nicht in Frage, sondern applaudiere ihm dafür. Zudem will ich anmerken, dass der spanische WM-Kampf untrennbar mit dem Don Quijote-Motiv verbunden ist.

Don Quijote, der spanische Held einer Ritterroman-Parodie, ist dafür bekannt, dass er gegen Windmühlen ankämpfte. Er greift die rotierenden Segel mit einer Lanze auf seinem vermeintlichen Streitross Rosinante an. Dabei muss man seine Verwirrtheit und seine Selbsttäuschung außen vor lassen. Doch die Beständigkeit mit der er der nahezu sicheren Niederlage trotzt, ist der Aspekt dieser Geschichte, der auf das Lorenzo-Modell passt. Die Leistung des Titelverteidigers war herausragend und das nicht nur, weil er vom Operationstisch sprang, sich in ein Flugzeug setzte und nach seinem Schlüsselbeinbruch in Assen Fünfter wurde.

Der Meilenstein war der späte Einsatz der «seamless-shift gearbox» von Yamaha. Der Vorteil des Getriebes ohne Zugunterbrechung verschmolz perfekt mit Lorenzos weichem und zentimetergenauem Fahrstil. Jede Bewegung ist wohlbedacht und bis zur Perfektion eingeübt. Man muss sich nur seine Blitzstarts in letzter Zeit ansehen. Es ist mittlerweile normal, dass er in jedem Rennen in der ersten Kurve führt. Er hat einen Weg gefunden, um sogar Leichtgewicht Dani Pedrosa in der Startphase zu schlagen. Und das ist kein Zufall.

Das neue Getriebe kam in Misano, dem 13. Rennen von 18. Neben einer Verbesserung der Resultate, machte es aus Lorenzo eine größere Gefahr und erhöhte den von ihm ausgeübten Druck. Im ersten der drei wichtigen direkt aufeinander folgenden Überseerennen in Malaysia zeigte Jorge eine neue Seite, erneut in einer eingeübten Weise, und forderte mit viel Ironie, dass sein Gegner Extra-Punkte bekommen sollte, anstatt für den Zusammenstoß mit Pedrosa in Aragón auf die Finger geklopft zu werden. Am nächsten Tag zeigte er, was er meinte: Wenn Márquez nach einer Serie von mehr als nur geringfügig gefährlichen Manövern gegen Lorenzo, Rossi und Pedrosa vergeben wird, dann nutzt auch er den Vorteil dieser neuen Freiheit. Er wurde in diesem Rennen Zweiter, aber er rempelte in die Honda des jugendlichen Angreifers. Eine Woche später in Australien rammte er ihn erneut.

Lorenzos Durchbruch folgte auf Phillip Island, als Márquez und sein Team den Boxenstopp so gnadenlos in den Sand setzten und der WM-Leader disqualifiziert wurde. «Es war wie ein Geschenk», sagte Lorenzo. Er nutze diesen Fehler auf die übliche Weise, mit unerbittlichem Einsatz und unglaublich schnellen und konstanten Runden. Er hielt den Druck aufrecht und siegte mit einem beeindruckenden Vorsprung. Das alles geschah, obwohl Lorenzo nach dem Brünn-GP bereits 44 Punkte zurücklag.

Lorenzo ist keine besonders warme Persönlichkeit wie Rossi und auch Márquez. Er ist zu berechnend und es fehlt ihm an Spontanität. Doch er arbeitet hart, beispielsweise daran, berühmt zu sein, aber es scheint irgendwie stets freudlos. Das ist jedoch bedeutungslos, wenn man es gegen seine außerordentlichen Leistungen als Fahrer abwägt.

Die M1 ein alter Klepper?

Das verheißt Gutes für das nächste Jahr. Márquez wird wohl nicht immer seinen Willen durchsetzen können. Oder doch? Quijotes Rosinante war kein edles Schlachtross, sondern ein dürrer Klepper, der seinen Zenit bereits überschritten hatte. Es ist zwar schwierig diese Worte auf Lorenzos Yamaha zu übertragen, aber auch nicht völlig falsch. Die M1 ist ein schön gearbeitetes und mit Bedacht entwickeltes Motorrad, aber in den letzten zehn Jahren hat sich ihr Wesen, durch veränderte Kapazitäten und immer strengere technische Regeln, gewandelt. Was sie macht, macht sie gut, aber ihr Repertoire ist etwas einfältig. Sie eignet sich ausgezeichnet für eine sanfte Fahrweise mit viel Kurvenspeed und einer gleichmäßigen Kraftentfaltung. Genau die Zutaten, welche Lorenzo braucht, um sein Bestes zu zeigen.

Das Problem ist, dass die Honda anders arbeitet: explosive Beschleunigung und eine Agilität während des Bremsens, die ihr einen Stop-and-Go-Stil erlaubt. Der Speed in der Kurvenmitte ist ziemlich niedrig, aber wenn sie es vor der Yamaha zum Scheitelpunkt schafft, dann steht sie im Weg. Sie schießt aber mit einer riesigen Kraft aus der Kurve, während die Yamaha Probleme hat, den verlorenen Schwung wiederzuerlangen.

Wenn Yamaha diesen Nachteil für die Saison 2014 nicht beseitigen kann, dann wird es mit dem 4-Zylinder-Reihenmotor nicht einfach, denn das könnte ein Vorteil für Márquez sein, den Lorenzo nicht aufwiegen kann, egal wie viele Windmühlen er niederringt.

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