Das ROKiT-BMW-Team fühlte sich 2024 wie im Märchen: Fünf Jahre und viel harte Arbeit waren vergangen, seit die Propellermarke werksseitig in die seriennahe Motorrad-Weltmeisterschaft zurückgekehrt war. Doch es brauchte Ausnahmekönner Toprak Razgatlioglu, um alle Puzzleteile zusammenzufügen und das Letzte aus der M1000RR herauszukitzeln. Der Rest ist Geschichte: Toprak gewann 18 seiner 30 gefahrenen Rennen und stand 27 Mal auf dem Podium. Obwohl er nach seinem schlimmen Unfall in Magny-Cours sechs Läufe verpasste, triumphierte er am Schluss mit 43 Punkten Vorsprung auf Ducati-Werksfahrer Nicolo Bulega. Den Jerez-Test am 22./23. Januar verpasste Toprak, weil er sich nach einem Enduro-Sturz Anfang Januar am rechten Zeigefinger operieren lassen musste. Beim zweiten großen Wintertest am 28./29. Februar in Portimao sorgte er für die Bestzeit, obwohl er im Gegensatz zu den meisten Spitzenfahren auf den Einsatz eines Qualifyers verzichtete. Offensichtlich kommt er auch mit dem neuen Homologationsmodell der M1000RR prächtig zurecht. "Wir haben verschiedene Teile probiert und uns in diversen Bereichen verbessert", erzählte Toprak unserem Kollegen Steven English im Paddock Pass Podcast. "Noch sind wir mit dem neuen Chassis nicht 100-prozentig bereit – auf Phillip Island werden wir sehen, wo wir stehen. Unser letztjähriges Paket war gut, mit dem neuen Rahmen mussten wir unsere Abstimmung komplett ändern, sind aber immer noch stark." "Das einzige Problem ist, dass sich die Regeln geändert haben", ergänzte der 57-fache Laufsieger. "Ducati hat diesbezüglich viel Druck ausgeübt und jetzt sind die Regeln anders. Ducati ist sehr stark: Nicht nur das Motorrad, sondern auch die Marke dahinter. Ihnen fällt es leicht, alles ändern zu lassen. Jetzt hat die Ducati kein Drehzahllimit mehr, was für mich aber kein Problem darstellt. Sogar auf der Yamaha konnte ich gegen die Ducati kämpfen. Ich frage mich aber, wie Yamaha, Honda, Kawasaki und Bimota damit klarkommen, diese Motorräder sind immer noch ein bisschen zu langsam. Letztes Jahr herrschte eine gute Balance, jetzt ist Ducati aber wieder klar voraus – das ist nicht gut. Wir werden dieses Jahr viele Ducati an der Spitze sehen. Die Dorna möchte, dass wir gute Rennen haben und alle gegeneinander kämpfen können. So wie es jetzt ist, wird das aber nicht möglich sein. Ich sehe nicht, dass die anderen gegen Ducati kämpfen können. Aber Regeln sind Regeln." Das Limit der Maximaldrehzahl wurde im Zuge der Einführung der Kraftstoffflusskontrolle abgeschafft. Alle zwei Events haben der Weltverband FIM und Promoter Dorna die Möglichkeit, die maximale Benzindurchflussmenge pro Hersteller nach unten oder oben anzupassen und so das Feld zu balancieren. Die Befürchtungen von Razgatlioglu sind also hoffentlich ungerechtfertigt. Wen sieht Toprak in der Ende Februar in Australien beginnenden Weltmeisterschaft als größte Widersacher? "Ducati ist immer stark", betonte der 28-jährige Red-Bull-Sportler. "Ich glaube, dass Bulega noch stärker und konstanter sein wird. Alvaro Bautista ist noch nicht auf 100 Prozent, er ist aber immer ein starker Fahrer. Ich traue mir noch keine Vorhersage zu."