Ein Hoffnungsschimmer bei der KTM AG

Heftige Rückschläge: Skandale und Krisen in der DTM

Von Andreas Reiners
Die ITC scheiterte 1996

Die ITC scheiterte 1996

Die DTM ist krisenerprobt. Zahlreiche Tiefschläge hat sie in der Vergangenheit überlebt. SPEEDWEEK.com wirft einen Blick auf die Krisen der Tourenwagenserie.

Es war mal wieder eine enge Kiste: Ja, die DTM wird nun unter dem Dach des ADAC fortgeführt. Wäre der Verkauf von Gerhard Berger an den Automobilclub allerdings gescheitert, hätte dies wohl das Ende der Traditionsrennserie bedeutet. Die DTM hat ihren Ruf als Überlebenskünstlerin mal wieder bestätigt.

Denn sie hat in ihrer Geschichte bereits einige Schlachten geschlagen. SPEEDWEEK.com wirft einen Blick auf einige Krisen.

Kurbelwelle-Skandal

1990 stieg Audi ein, bis zum ersten Skandal dauerte es allerdings nicht lange. 1992 gab es in der DTM Ärger um den V8 quattro, mit dem Audi 1990 und 1991 den Titel geholt hatte: Die Kurbelwelle sorgte für erhitzte Gemüter.

Konkret hatte Audi eine Kurbelwelle mit 180° Zapfenversatz entwickelt statt der 90°, die im Serien-V8 steckten. Audi hatte dabei ein wenig getrickst, eine Lücke im Reglement genutzt. Proteste der Konkurrenz von BMW und Mercedes halfen zunächst nicht, die Oberste Nationale Sportkommission für den Automobilsport in Deutschland GmbH (ONS) erklärte das Teil in zwei Instanzen für legal.

Was dazu führte, dass Audi die ersten sechs Rennwochenenden mitmischte, ehe das ONS-Berufungsgericht der Kurbelwelle doch einen Riegel vorschob. Audi verließ mitten in der Saison die DTM. Damit scheiterte die «klassenlose Gesellschaft».

Regel-Streit

Die DTM kam nach dem Ausstieg von Audi nicht zur Ruhe. 1993 wurde das teure Klasse-1-Reglement eingeführt, was zu Streitigkeiten unter den Herstellern führte.

BMW erklärte schließlich noch vor dem ersten Rennen den Ausstieg, da die ITR doch wieder Performance-Gewicht einführte. «Wir wollten eine klare Formel – doch plötzlich haben wir wieder dasselbe Handicap-Reglement. Sind wir hier in einer Bananenrepublik?», erklärte Karl-Heinz Kalbfell, der damalige Vorsitzende der Marketingabteilung.

Nun überdachte auch Opel den anvisierten Einstieg, so dass nur noch Mercedes und Neueinsteiger Alfa Romeo übrig blieben. Die Italiener waren damals Retter der DTM. Aber auch Mercedes-Motorsportchef Norbert Haug leistete eine Menge Überzeugungsarbeit, dass nicht auch Mercedes ausstieg.

Tod der ITC

Da hatte auch der Überlebenskünstler DTM keine Lösungen mehr, nachdem sie 1996 komplett in der ITC (International Touring Car Championship aufgegangen war. Die Kosten uferten aus, bis zu 100 Millionen Mark sollen die Hersteller Mercedes, Opel und Alfa Romeo für den Spaß auf den Tisch gelegt haben. Gleichzeitig suchte man den Weg der Internationalisierung

Rein technisch war das auf sehr hohem Niveau, die Entwicklung der Boliden allerdings am Ende weder bezahlbar, noch war das Ganze vertretbar. Titelträger Opel und Alfa zogen nach der Saison 1996 den Stecker, die DTM legte bis 2000 eine Schaffenspause ein.

Opel steigt aus

Nach der Wiedergeburt dauerte es nicht lange bis zum nächsten Rückschlag: 2004 gab Opel den Ausstieg für nach der Saison 2005 bekannt. Wegen der verschärften Krise des Konzerns und der drastischen Sparmaßnahmen bei General Motors war der DTM-Rückzug die Folge. Die Rüsselsheimer hatten etwa 30 Millionen Euro pro Jahr in den Tourenwagensport investiert.

«Insgesamt stehen 12.000 Arbeitsplätze auf dem Spiel. Aufgrund der schwierigen Situation respektieren wir die Entscheidung», erklärte Opel-Sportchef Volker Strycek damals.

«Noch wissen wir nicht, in welcher Form es weitergehen wird, fest steht jedoch, dass es die DTM auch 2006 geben wird. Denn die Serie hat eine sehr gute Basis», sagte der damalige Mercedes-Sportchef Norbert Haug. Er behielt recht, ab 2006 fuhren Audi und Mercedes gegeneinander.

Crashgate in Barcelona

Die gesamte Flotte eines Herstellers fährt mitten im Rennen nicht mehr weiter? Ja, auch das gab es in der DTM bereits. 2007 in Barcelona beorderte Audis Motorsportchef Wolfgang Ullrich seine Fahrer neun Runden vor dem Ende des Rennens in die Box – als Reaktion auf die Ausfälle der beiden damaligen Titelkandidaten Mattias Ekström und Martin Tomczyk.

Beide wurden von den Mercedes-Fahrern Mika Häkkinen und Daniel la Rosa abgeschossen, so der Audi-Vorwurf. «Ich weiß nicht, wie ein zweimaliger Formel-1-Weltmeister sich so verschätzen kann», wetterte Tomczyk. Mercedes wies jede Absicht zurück.

Bestraft wurde das Duo trotzdem: Häkkinen und la Rosa wurden aus der Wertung genommen und für das anschließende Rennen um zehn Plätze zurückversetzt, Häkkinen musste zudem 20.000 Euro Strafe zahlen, la Rosa 10.000. Meister wurde dann übrigens Ekström.

«Timo, schieb ihn raus»

Spielberg, 2015, es ist kurz vor dem Ende des Rennens, als Audis Motorsportchef Wolfgang Ullrich seinem Fahrer Timo Scheider via Funk den folgenschweren Auftrag gibt: «Timo, schieb ihn raus». Der zweimalige Meister schiebt, schießt dabei Robert Wickens und Pascal Wehrlein ab - fertig ist der wohl größte, weil schlagzeilenträchtigste Skandal in der Geschichte der Serie.

Alle Medien schlugen auf die DTM ein, die Beteiligten gingen vor allem verbal aufeinander los. Die Strafen waren drakonisch: Audi wurden die 62 in der Herstellerwertung erzielten Punkte gestrichen, was am Ende den Titel kostete. Zudem gab es die Rekordstrafe in Höhe von 200.000 Euro, Scheider wurde für zwei Rennen gesperrt.

Mercedes wettet auf die Formel E

Für den neuen DTM-Chef Gerhard Berger war es ein Schock, für die DTM-Welt sowieso: Im Juli 2017 verkündete Mercedes den Ausstieg aus der DTM zum Ende der Saison 2018. Parallel teilte der Autobauer den Einstieg in die Formel E mit.

Mercedes verabschiedete sich 2018 mit dem Triple aus Fahrer- (Gary Paffett), Team- und Herstellertitel. Berger hatte den relativ langen Anlauf genutzt, und präsentierte beim Finale in Hockenheim in Aston Martin einen neuen Mitstreiter. Ein Plan B, eine Übergangssaison nur mit Audi und BMW, war allerdings ebenfalls bereits fertig geplant.

Aston Martin haut wieder ab

Ein Jahr lang mischte Aston Martin, vertreten durch das Privatteam R-Motorsport, in der DTM mit. Mit Technikpartner HWA lief es sportlich überhaupt nicht, der Neuling fuhr die meiste Zeit hinterher. Nach der Saison kam es zunächst zur Trennung von HWA.

Nach Beteuerungen, man wolle weiter in der DTM mitmachen, folgte Ende Januar dann doch der Ausstieg. Es gab zwar Bemühungen, neue Partner wie zum Beispiel BMW (für die Motoren) zu finden, zu einer zweiten Saison kam es dann aber trotzdem nicht.

Doppelte Tiefschläge

Im Frühjahr 2020 erlebte die DTM die wohl heftigsten Monate in ihrer Geschichte, ohne Frage war es auch die größte Krise, denn es kam alles zusammen. Sah Berger das Aston-Martin-Aus vergleichsweise locker, kam danach die Coronakrise mit voller Wucht, dazu dann noch der Ausstieg von Audi. Berger stand vor den Trümmern der DTM.

Doch er zog den Karren aus dem Dreck, sorgte dafür, dass die DTM mit einem GT3-Reglement fortgeführt wurde. Und das erfolgreich.

Eklat im Titelkampf

Das Finale 2021 bot einen packenden Titelkampf, der auf sehr umstrittene Art und Weise zu Ende ging. Erst wurde Tabellenführer Liam Lawson von Verfolger Kelvin van der Linde nach dem Start des finalen Rennens abgeschossen.

Mit seinem waidwunden Ferrari musste Lawson mit ansehen, wie die Mercedes-Teamkollegen dem lachenden Dritten Maximilian Götz den Weg freimachten und ihn förmlich zum Sieg und damit zum Titel trugen.

Die DTM-Fanseele kochte wie lange nicht, DTM-Chef Gerhard Berger hatte im Anschluss schlaflose Nächte und fürchtete, dass seine Serie einen Schaden davontragen werde. So weit kam es dann aber nicht.

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