Ein Hoffnungsschimmer bei der KTM AG

Andy Cowell (Mercedes): «Das ist keine Prüfstands-WM»

Von Mathias Brunner
​Andy Cowell, Geschäftsführer von Mercedes-AMG High Performance Powertrains und Rennmotorenchef von Mercedes, spricht über den neuen Mercedes-Motor für die Saison 2018.

Der Motor heisst noch immer EQ Power+, aber damit hat sich’s auch schon. Andy Cowell leitet «Mercedes-AMG High Performance Powertrains» und ist damit der Antriebs-Guru der Rennsportler von Mercedes. Er sagt zur neuen Antriebseinheit vom Typ M09: «Ist der Motor neu? Das ist Ansichtssache. Das grundlegende Konzept ist das Gleiche geblieben, aber wir haben jedes Teil optimiert.»

«Aber die Veränderungen an der Antriebseinheit sind in diesem Jahr beträchtlich. Das liegt an einer Vielzahl von Gründen. Die grösste Herausforderung für uns ist, die Lebensdauer so zu erhöhen, dass wir nur noch mit drei Motoren sowie zwei ERS-Systemen pro Fahrer und Saison auskommen. Das bedeutet: Im Vergleich zum Vorjahr müssen die Komponenten 40 Prozent länger halten. Deshalb konzentrierten wir uns darauf, die Lebensspanne der Teile zu verlängern, ohne dabei an Performance zu verlieren.»

«Die Aufgabe ist vergleichbar mit jener der vergangenen Jahre. Die Motoren mussten immer mehr und mehr Kilometer aushalten. Vor 14 Jahren mussten die V10- und die V8-Motoren zum ersten Mal ein gesamtes Grand-Prix-Wochenende halten. So kamen wir nach und nach auf acht V8-Motoren pro Fahrer und Saison, nun stehen wir bei drei Motoren mit dem V6-Turbo. All das hat dabei geholfen, Kosten zu sparen. Aber eine neue Aufgabe ist das nicht. Wie errechnen anhand komplexer Modelle, wie lange ein Motor auf Volllast läuft, das gibt vor, welche Änderungen wir vornehmen müssen, um die Antriebseinheit standfester zu machen. Die Aufgabe ist schwieriger geworden, aber lösbar.»

«Was wir nicht wollten: Bauteile grösser dimensionieren. Wir wollten vielmehr die Kühlung optimieren, wir haben mit anderen Beschichtungen gearbeitet. Wir haben schon 2017 viele Motoren nach ihren Einsätzen zurück auf den Prüfstand geholt, länger laufen lassen, um zu sehen, wie sich das auswirkt. Der Teufel liegt auch hier im Detail. Wir stehen nun vor der fünften Saison dieses Reglements, da sind die Vorgaben bekannt. Du musst auch die Einheiten so vorbereiten, dass du im siebten Rennen des Motors noch vergleichbar gute Werte hast wie im ersten.»

«Wir wollten auch die Bauform der Power-Unit zum Vorteil der gesamten Fahrzeugperformance verändern. Wir haben sehr eng mit unseren Kollegen in Brackley zusammengearbeitet, um die bestmögliche Integration in das Chassis, das Getriebe und die Aerodynamikflächen zu finden. Ausserdem haben wir gemeinsam mit Petronas an der Effizienz des Verbrennungsmotors gearbeitet und an der Minimierung von Reibungsverlusten.»

Cowell und seine Kollegen hätten allen Grund, vor Stolz zu platzen. Aber der Brite bleibt schön auf dem Teppich: «Wir versuchen, bescheiden zu bleiben und uns auf die grundlegenden Arbeiten zu konzentrieren, die wir schon immer erledigt haben. Es gibt kein Geheimrezept für unseren Erfolg. Es ist schlicht und einfach ehrliche Ingenieursarbeit. Die Quelle für alle unsere Ideen ist die Kreativität, die Leidenschaft und die Begeisterung unserer Mitarbeiter. Wir haben tausende von Ideen und wir nutzen unsere Erfahrung und Berechnungen, um die Ideen herauszufiltern, die wir als die besten ansehen. Danach beginnen wir eine Entwicklungsreise und nutzen Prüfstände, Entwicklungsmotoren, Einzylinder- Forschungsmotoren und so weiter, um diese Theorie zu bestätigen. So gehen wir die Dinge an und so versuchen wir, vorne zu bleiben. In etwas mehr als neun Monaten werden wir nach dem Rennen in Abu Dhabi wissen, ob wir damit erfolgreich waren.»

Die meisten Fans interessieren sich vor allem für die gewaltige Leistung dieser technischen Wunderwerke: Aus einem 1,6-Liter-V6-Motor 1000 PS zu schöpfen, Hut ab! Aber Cowell meint: «Wir sehen den Bau von Rennmotoren nie als Prüfstands-WM. Wir arbeiten mit Technikchef und James Allison, der uns immer sagt, ein Motor dieser Dimension (zeigt seine rechte Faust) ist viel zu gross. Und der Schwerpunkt sollte am besten gleich unter der Bodenplatte liegen. Nein, ernsthaft – wir arbeiten sehr eng zusammen, James kommt jeweils mit gewissen Ideen zu uns und will wissen, ob das realistisch ist. Wir müssen dann abschätzen, ob das machbar ist. Es gibt Momente, da stellen wir uns schon die Frage: “Ist das überhaupt noch möglich?“ Gerade in Sachen Gewicht und Grösse der Teile sowie punkto Motorleistung. Aber wir glauben auch an den Grundgedanken, dass Änderungen die Chance bieten, sich zu verbessern. Oft sind die Verbesserungen im Tausendstelsekundenbereich, aber wenn du zwanzig solcher Änderungen hast, dann summiert sich das. Der ganze Entwicklungsprozess ist eine reiche, überaus befriedigende Erfahrung. Du gehst vom Gedanken „Wie um alles in der Welt sollen wir das nur machen?“ zur Gewissheit: Wir können das!»

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