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Rückzieher der FIA: Keine Einheits-Bremsen ab 2021

Von Mathias Brunner
Lewis Hamilton 2018 in Singapur

Lewis Hamilton 2018 in Singapur

​Die FIA wollte aus Spargründen gewisse Teile vereinheitlichen. Aber nach den Getriebe-Innereien werden nun auch die Bremsen nicht standardisiert. Das ist ein Sieg für Teamchef wie Mattia Binotto von Ferrari.

Bis Oktober sollte das Fundament für die Formel 1 ab 2021 gegossen sein: Dann will die Formel-1-Führung in Zusammenarbeit mit dem Autoverband FIA und den zehn Rennställen einen Kompromiss erzielt haben, was das neue Reglement angeht. Dabei liegt der Fokus auf dem technischen Reglement, das die Leistungsdichter erhöhen soll. Dazu will Formel-1-Sport- und Technikchef Ross Brawn ein strengeres aerodynamisches Reglement einführen und mehr standardisierte Teile obendrein.

Freiheit im Reglement war Ferrari immer heilig. Der im Sommer 2018 verstorbene Firmenchef Sergio Marchionne hatte festgehalten: «Wir sind in Sachen strategischer Ausrichtung mit der FIA nicht auf einer Linie, und wenn sich der Sport ab 2021 in eine andere Richtung bewegt, dann wird das Ferrari zu gewissen Entscheidungen zwingen. Wenn aus dem Sport eine Art Supermarkt werden sollte, dann interessiert mich das nicht die Bohne.»

Besonders das Thema vereinheitlichte Teile wie etwa die gleiche Bremsanlage in allen Autos liessen dem charismatischen Automanager die Haare zu Berge stehen. Und der heutige Ferrari-Teamchef Mattia Binotto ist ähnlicher Ansicht: «Wenn ich für Ferrari spreche, dann kann ich damit nicht einverstanden sein. Seit wir diese Diskussion führen, haben wir betont, dass wir mit standardisierten Teilen nicht glücklich sind, und ich finde, wir bewegen uns zu stark Richtung Vereinheitlichung.»

«Wieso wir dagegen sind? Weil wir glauben, dass der Wettbewerb tief in der DNA der Formel 1 verankert ist, und Vereinheitlichung spricht gegen diesen Geist. Zweitens sind wir der Ansicht: Standardisierung spart nicht automatisch Geld, denn du musst dein eigenes Auto auf diese neuen Teile anpassen», so Binotto gegenüber meinem Kollegen Roberto Chinchero von der italienischen motorsport.com. «Nachhaltigkeit ist ein Schlüsselfaktor, und alle von uns sind für einen Budgetdeckel, das haben wir bereits unterzeichnet. Eine gewisse Finanzkontrolle ist unabdingbar, um die Kostenexplosion einzudämmen und die Lücke zwischen den Top-Teams und dem breiten Mittelfeld zu schliessen. Aber ich glaube nicht, dass wir vereinheitlichte Teile benötigen, um Geld zu sparen.»

Nun krebst die FIA zurück. Nachdem schon der Plan verworfen wurde, die Getriebe-Innereien zu vereinheitlichen (siehe weiter unten), sind jetzt auch Standard-Bremsen kein Thema mehr. Die FIA lässt dazu verlauten: «Um das wahre Leistungsvermögen der 2021er Rennwagen besser ausloten zu können, wird die Einführung von Einheits-Bremsanlagen auf Eis gelegt. Die Bremse spielt bei der neuen Fahrzeuggeneration eine kritische Rolle, die FIA will bei diesem Thema mehr Zeit für Studien haben. Wir werden 2021 auf unsere Pläne zurückkommen.» Der italienische Hersteller Brembo hat sich vergeblich beworben.

Mai 2019: Einheits-Getriebe verworfen

Die Denke bei der FIA lautet: Teile, die nichts zur Leistungsfähigkeit eines Rennstalls beitragen, weil der technische Stand bei allen Teams ohnehin ungefähr der gleiche ist, die können getrost vereinheitlich werden. Solche Teile sind beispielsweise die Innereien der Getriebe. Kein Fan bekommt sie zu sehen, sie tragen nichts zum Spektakel Formel 1 bei, und die Technik ist bei den zehn GP-Teams schon heute ähnlich hochstehend. Also wollte die FIA ab 2021 vereinheitlichte Getriebe-Innereien einführen und hatte im Februar 2019 einen entsprechenden Anmeldeprozess eingeleitet. Spezialfirmen konnten sich bis 15. März bewerben, um das Innenleben der Getriebe für die F1-Renner zu liefern, und zwar für die vier Saisons 2021 bis 2014. Was hingegen bleiben sollte: das individuelle Getriebe-Gehäuse der Teams, an welchen die Radaufhängungen angebracht sind.

Die Umstellung für die Formel 1 wäre nicht brachial gewesen, denn schon heute teilen sich Firmen wie Xtrac, Ricardo, Drexler oder Hewland Aufträge aus der Königsklasse. Generell stellt Ferrari das Getriebe fürs eigene Team sowie für Alfa Romeo-Sauber und Haas. Mercedes steckt das eigene Getriebe in den Silberpfeil und ins Auto von Racing Point. Toro Rosso und Red Bull Racing verwenden die gleiche Kraftübertragung.

Die FIA hatte zuvor eine Ausschreibung in Gang gesetzt, um den Formel-1-Reifenausrüster zu finden, Pirelli erhielt den Zuschlag. Davor gab es ein Angebot für die Lieferung einer vereinheitlichen Steuereinheit (ECU), hier bekam McLaren Electronics den Auftrag.

Die FIA sagte im Februar: «Unser Ziel besteht darin, die Leistungsfähigkeit der Getriebe auf dem heutigen, hohen Stand zu halten, aber die Kosten erheblich zu senken. Das Getriebegehäuse wird jedoch weiter bei den Teams selber gebaut oder von einem anderen Team geliefert. Alle Innereien werden vereinheitlicht.» Der Autoverband sprach dabei von einer Getriebe-Kassette. Mittelfristig wird von den heutigen Achtganggetriebe umgestellt auf sieben Gänge.

Die FIA bestätigte in der Ausschreibung, dass die Getriebe-Innereien eine Laufzeit von 5000 Kilometern aushalten müssen. Zudem müssten die Firmen die Teile so auslegen, dass sie eine Leistungssteigerung von 15 Prozent verkraften, samt 41 zusätzlicher PS durch eine leistungsfähigere, kinetische Energierückgewinnung. Die FIA-Techniker gingen davon aus, dass die Getriebe-Kassetten rund 1,5 Kilogramm schwerer sein werden als die heute verwendeten Innereien. Die FIA sagte auch, dass sich die Firmen darauf gefasst machen müssen, dass der WM-Kalender dann aus 24 Rennen bestehen kann.

Generell haben vier Firmen auf die Ausschreibung reagiert, nur Xtrac hat das auch bestätigt. Doch im Mai war das alles vom Tisch, die FIA bestätigte – es wird keine Getriebe-Kassetten geben. Der Motorsport-Weltrat hat sich in einer Abstimmung dafür ausgesprochen, dass die Rennställe beim Getriebe alle Freiheiten behalten.

Wieso? Die Erklärung der FIA: «Basierend auf Informationen von Lieferanten und Rennställen sind wir zum Schluss gekommen – diese Bauteile sind überaus komplex, Getriebe bleiben ein heikles Thema in Sachen Standfestigkeit. Wir suchen weiter nach Mitteln und Wegen die Kosten bei der Kraftübertragung zu senken, ohne allerdings auf einen Lieferanten für die Getriebe-Innereien zurückzugreifen.»

Anders formuliert: Die FIA wollte sich die Schmach ersparen, dass eine einzelne Firma diese Teile baut und reihenweise Autos stehenbleiben, weil die Teile in den fremden Gehäusen nicht wunschgemäss funktionieren.

Ex-GP-Pilot Stefan Johansson ist noch immer der Ansicht, dass vereinheitlichte Teile eine gute Idee sind. Der frühere Spitzenfahrer von Ferrari und McLaren sagt: «Einige behaupten – wenn wir Teile standardisieren, dann verliert die Formel 1 ihre DNA. Das ist lächerlich! Früher oder später muss eine Entscheidung getroffen werden. So lange die Rennställe die Freiheit haben, dass ein Auto weitgehend alleine konstruiert wird, so lange haben wir eine Lücke zwischen den Top-Teams und dem Mittelfeld. Wenn ich weiss, dass das Budget eines F1-Spitzenrennstalls für die Bremsen alleine so hoch ist, dass du dafür im IndyCar-Sport eine Saison bestreiten könntest, dann muss das doch zu denken geben! Und jetzt mal ehrlich: Wen kratzt es, ob in einem GP-Renner individuelle oder identische Bremsanlagen stecken?»

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