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Daniel Ricciardo: Red Bull-Flucht als Karrierekiller?

Von Andreas Reiners
Daniel Ricciardo droht das Abstellgleis

Daniel Ricciardo droht das Abstellgleis

Daniel Ricciardo soll bei McLaren durch das junge Talent Oscar Piastri ersetzt werden. Dem 33-jährigen Australier, der einst als WM-Anwärter gehandelt wurde, droht nun das Formel-1-Aus.

Irgendwie, irgendwo, irgendwann ist Daniel Ricciardo falsch abgebogen. Vom einstigen Titelkandidaten auf das Abstellgleis: Die Karriere des Australiers hat eine Wendung genommen, die so eigentlich nicht vorhersehbar war.

Doch der frühere Red Bull Racing-Aufsteiger, der 2014 den viermaligen Weltmeister Sebastian Vettel entnervte und dessen Wechsel zu Ferrari immens beschleunigte, steht 2022 vor dem Aus bei McLaren – und soll durch das 21 Jahre junge Top-Talent Oscar Piastri ersetzt werden.

Bei allem Respekt vor den Anlagen seines aufstrebenden Landsmannes ist das für einen Formel-1-Routinier die Höchststrafe. Und im Normalfall mindestens ein Sargnagel für die eigene Karriere, die einst einen so vielversprechenden Verlauf nahm.

Ändern kann man die Vergangenheit nicht mehr, weshalb das Schwelgen in verpassten Gelegenheiten eigentlich Zeitverschwendung ist. Doch es kann auch Erklärungen liefern.
Denn Ricciardos Abgang von Red Bull Racing wird immer wieder herausgekramt und diskutiert. Der erfolgte 2019 und bedeutete einen entscheidenden Einschnitt. Für viele Beobachter ist es der Moment, in dem Ricciardo falsch abbog.

«Sein Timing war spektakulär schlecht», sagte Red Bull Racing-Teamchef Christian Horner vor einigen Wochen zu «The Weekend Australian». Nachdem das Aus bei McLaren nun immer näher rückt, stellt sich die Frage immer dringender, ob diese Entscheidung am Ende nicht sogar Ricciardos Karriere als Ganzes definieren wird.

Der 33-Jährige absolviert 2022 seine zwölfte Formel-1-Saison. Zwei Mal wurde er WM-Dritter. Er gehört zu der Sorte Fahrer, die bereit für den großen Wurf sind, als titelfähig gelten, aber regelmäßig zur falschen Zeit am falschen Ort sind. Bei ihm ist es so, dass er zum misslungenen Timing selbst viel beitrug.

Ricciardo stieg nach Lehrjahren bei HRT und Toro Rosso (2011 bis 2013) nach den vier WM-Siegen von Vettel 2014 bei Red Bull Racing ein. Bis einschließlich 2018 blieb er beim Rennstall aus Milton Keynes, musste nach der Vettel-Flucht 2015 zu Ferrari aber mitansehen, wie im selben Jahr Max Verstappen die Formel 1 eroberte.

Erst bei Toro Rosso, 2016 dann als Ricciardos Teamkollege. Und der Niederländer schickte sich schnell an, die Nummer eins im Team zu werden. Wobei Ricciardo bis heute der einzige Teamkollege ist, der mit Verstappen konstant auf Augenhöhe agierte.

«Er hatte Zweifel am Honda-Motor», erklärt Horner. 2019 stand der Wechsel auf die Aggregate der Japaner an. Auch Verstappen sei ein Grund gewesen, vermutet Horner, «er wollte nicht zur Nummer zwei werden». Es glauben tatsächlich viele im Fahrerlager, dass der Wechsel vor allem eine Flucht vor Verstappen gewesen sein soll.

Selbst als Red Bull Racing ihm laut Horner «stratosphärische Angebote» gemacht hatte, entschied sich Ricciardo für Renault. Dort fuhr er zwei durchwachsene Jahre lang, ehe es 2021 zu McLaren ging. Sportlich ging es dort für ihn auch nicht weiter nach vorne, im Gegenteil.

Gegen seinen Teamkollegen Lando Norris sieht er kaum einen Stich, und 2022 wurde es nicht wie erhofft besser, sondern schlechter. Mit 19 Punkten (Norris ist Siebter mit 79 Zählern) ist er im Moment Gesamt-Zwölfter – ähnlich schlecht war er zuletzt 2013 mit Toro Rosso.

Als Grund für die maue Ausbeute führt er an, dass der McLaren schwierig zu fahren sei. «Es gibt Runden, bei denen ich alles zusammenbekomme und alles auf einmal Sinn ergibt, aber nur wenige Runden später verliere ich auf einmal wieder vier Zehntel», sagte Ricciardo. Gegen ihn spricht, dass es sein Teamkollege deutlich besser hinbekommt.

Kurz zusammengefasst: Während sich Red Bull Racing wieder zu einem WM-Herausforderer entwickelte, in der vergangenen Saison mit Verstappen den Titel holte und der sich wiederum anschickt, diesen 2022 zu verteidigen, gewann Ricciardo seit seinem Weggang ein einziges Rennen, stand zudem zwei weitere Male auf dem Podium.

Anstatt um Siege und Titel zu fahren, wie viele nach 2014 dachten, verschwand Ricciardo im Mittelfeld der Formel 1. In der Bedeutungslosigkeit.

Und nun auch auf dem Abstellgleis?

Medienberichten zufolge möchte McLaren den eigentlich bis 2023 laufenden Vertrag mit ihm nach dem Ende der Saison auflösen. Demnach hat Piastri einen Kontrakt als Ersatzfahrer unterschrieben, soll aber so schnell wie möglich Stammpilot werden.

Ironie des Schicksals: Im Gegenzug könnte Ricciardo zurück zu Alpine (früher Renault) wechseln, wo Piastri eigentlich Nachfolger von Fernando Alonso werden sollte.

Sicher ist eine Rückkehr für Ricciardo aber nicht.

Was auch passiert: «Ich bereue meine Karriereentscheidungen nicht. Ich wusste, was es bedeuten würde, ein großes Team zu verlassen. Zum damaligen Zeitpunkt fühlte es sich für mich richtig an», sagte Ricciardo der «Herald Sun» zum Red Bull Racing-Abgang. Innerlich müsse man mit allem zufrieden sein, das im Team passiere, so der Australier. «Es gab viele Dinge, die mich beunruhigten und fehlende Stabilität bedeuteten», offenbarte er. Dazu gehörte zum Beispiel, dass sein Ingenieur Simon Rennie das Team verließ.

Gleichzeitig räumte er aber im vergangenen Jahr auch ein, dass das Denken an die Vergangenheit nicht immer einfach ist. Dieses bohrende, quälende «was wäre wenn?». Er hat hart daran gearbeitet, verpassten Chancen nicht zu sehr nachzutrauern. «Wenn ich Champion werde - grossartig. Aber wenn ich es nicht werde, geht das Leben trotzdem weiter», sagte er.

Doch jetzt geht es nicht mehr um den Titel, sondern darum, ob und wie die Karriere weitergeht. Denn Ricciardo ist falsch abgebogen – inzwischen verbunden mit der offenen Frage, ob er noch einmal die Kurve bekommt.

Ungarn-GP, Hungaroring

01. Max Verstappen (NL), Red Bull Racing, 1:39:36,533 h
02. Lewis Hamilton (GB), Mercedes, +7,834 sec
03. George Russell (GB), Mercedes, +12,337
04. Carlos Sainz (E), Ferrari, +14,579
05. Sergio Pérez (MEX), Red Bull Racing, +15,688
06. Charles Leclerc (MC), Ferrari, +16,047
07. Lando Norris (GB), McLaren, +1:18,300 min
08. Fernando Alonso (E), Alpine, +1 Runde
09. Esteban Ocon (F), Alpine, +1 Runde
10. Sebastian Vettel (D), Aston Martin, +1 Runde
11. Lance Stroll (CDN), Aston Martin, +1 Runde
12. Pierre Gasly (F), AlphaTauri, +1 Runde
13. Guanyu Zhou (RC), Alfa Romeo, +1 Runde
14. Mick Schumacher (D), Haas, +1 Runde
15. Daniel Ricciardo (AUS), McLaren, +1 Runde
16. Kevin Magnussen (DK), Haas, +1 Runde
17. Alexander Albon (T), Williams, +1 Runde
18. Nicholas Latifi (CDN), Williams, +1 Runde
19. Yuki Tsunoda (J), AlphaTauri, +2 Runden
Out
Valtteri Bottas (FIN), Alfa Romeo, Motor

WM-Stand (nach 13 von 22 Rennen)

Fahrer
01. Verstappen 258 Punkte
02. Leclerc 178
03. Pérez 173
04. Russell 158
05. Sainz 156
06. Hamilton 146
07. Norris 76
08. Ocon 58
09. Bottas 46
10. Alonso 41
11. Magnussen 22
12. Ricciardo 19
13. Gasly 16
14. Vettel 16
15. Schumacher 12
16. Tsunoda 11
17. Zhou 5
18. Stroll 4
19. Albon 3
20. Latifi 0
21. Nico Hülkenberg (D) 0

Konstrukteurspokal
01. Red Bull Racing 431 Punkte
02. Ferrari 334
03. Mercedes 304
04. Alpine 99
05. McLaren 95
06. Alfa Romeo 51
07. Haas 34
08. AlphaTauri 27
09. Aston Martin 20
10. Williams 3

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