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Willkommen in Austin

Kolumne von Mathias Brunner
Blick in den Pressesaal der Austin-Rennstrecke

Blick in den Pressesaal der Austin-Rennstrecke

Noch wird an allen Ecken und Enden gearbeitet – aber der «Circuit of the Americas», das neue USA-Heim des GP-Sports, ist eine Schau.

Langsam füllt sich der Presse-Saal am brandneuen «Circuit of the Americas», kurz COTA – willkommen in Austin!

Alles ist hier ein wenig anders, das beginnt bei den Temperaturen: Texas ist ja nicht unbedingt als das Sibirien der USA bekannt, in den vergangenen Tagen jedoch hat’s empfindlich abgekühlt, und in den Boxen schleicht die Sorge herum – werden die harten Mischungen von Pirelli hier überhaupt richtig auf Temperatur zu bringen sein?

An Gastfreundlichkeit sind die Menschen hier schwerlich zu übertreffen. Es mangelt eher an Fachwissen. Bei einem kurzen Augenschein gestern wusste niemand, wo die Medien-Akkreditierung zu finden war. Angeschrieben war die Karten-Ausgabestelle auch nicht. Die meisten Einwohner der 800000-Menschen-Stadt haben keine Ahnung was Formel 1 ist («Formula One? Eine neue Zahnpasta vielleicht?»), sie merken aber, dass sehr viele, sehr unamerikanische Gäste in die Stadt strömen. Nicht alle davon werden Austin mit guten Erinnerungen verlassen. Wir treffen einen Ambulanz-Fahrer im Lift unseres Hotels: «Jetzt kommen die ganzen Idioten in die Stadt», grummelt er – dann merkt er, dass unsere Braue automatisch hochgegangen ist, und er setzt nach: «Entschuldigung, ich habe nicht Sie gemeint. Aber Grossanlässe ziehen hier in der Regel Saufköpfe an, und wir können das dann ausbaden.»

Der Weg heute Mittwoch-Morgen zur Rennstrecke war kein leichter: Wir hatten einen Platten links vorne. Avis sendet ein Rettungs-Team. Wir sind bald wieder flott.

Die Schilder Richtung Strecke sind zu spärlich, um als hilfreich beschrieben werden zu können. An der Instrastruktur der Strecke wird noch fleissig gearbeitet.

Die Zufahrt zum COTA ist kritisch: «Ich habe noch keine Ahnung, wie wir hier am Sonntag 120000 Menschen rein- und wieder rausbringen wollen», sagt ein Offizieller der Rennstrecke, dessen Namen uns soeben entfallen ist. Ein ausgeklügeltes Bus-System soll’s richten. Das ist an sich eine gute Idee. Das Problem ist nur – die direkte Zufahrt zur Strecke besteht teilweise aus zweispurigen Lokalsträsschen. Einige Zubringer werden noch asphaltiert, wie wir hier im Pressesaal diese Zeilen tippen. Kein Mensch kann garantieren, dass sie fertig werden (die Strassen, nicht die Zeilen).

Dennoch: Was die Texaner für angeblich 400 Millionen Dollar (aus privater Hand) hier hingestellt haben, ist atemraubend – eine wundervolle Berg- und Talbahn auf einem Gelände, wo vor 30 Monaten noch Kaninchen vor Klapperschlangen davonhoppelten.

Rennlegende Mario Andretti: «Ich glaube fest – die Fahrer werden diese Strecke lieben.»

Nicht jeder teilt diese Liebe: Zu wenig USA, zu wenig Texas, schon gar nicht Austin, ist da zu hören. Bauern schimpfen, dass mit diesem Land gewiss Gescheiteres hätte angestellt werden können. Umweltschützer weisen auf die zusätzliche Schadstoffbelastung hin. Steuerzahlern ist ein Dorn im Auge, dass die Antrittsgebühr von rund 25 Mio Dollar pro Jahr aus einem Sonderfonds für Sportveranstaltungen des Bundesstaates Texas stammt – mit anderen Worten: es handelt sich um öffentliche Gelder.

Aber nicht nur die Wetterprognose für die kommenden Tage ist ermutigender als erwartet (teilweise war sogar von Regen die Rede). Viele Kritiker werden bald verstehen, wieviel Geld die Besucher in die Stadt bringen. Die Hotels melden eine Auslastung von mehr als 90 Prozent. Der durchschnittliche Einwohner von Austin ist typisch amerikanisch, also auf eine positive Art und Weise neugierig auf die Gäste, die da aus aller Welt eintrudeln: «Switzerland? Great – das ist doch gleich neben Finnland …»

In den Zeitungen werden die Fans auf das Thema Formel 1 sensibilisiert: am Beispiel NASCAR, das den Amerikanern etwas näher liegt.

Kevin Lyttle vom «Austin American Statesman»: «Wenn die Leute den Sport nicht verstehen, werden sie ihn auch nicht mögen. Also musst du es erklären – Formel 1 ist ein Sprint, NASCAR ist Marathon. In Abu Dhabi waren 24 Autos am Werk, 300 Kilometer in 55 Runden, auf einem 3,5-Meilen-Kurs mit 21 Kurven und zwar nach links und rechts. NASCAR in Forth Worth, das sind 43 Autos, 500 Meilen, 334 Runden, 1,5-Meilen-Oval, und die Fahrer biegen nur nach links. NASCAR ist Hauruck, Formel 1 ist Finesse. NASCAR ist ur-amerikanisch, Formel 1 ist multikulturell.»

Mario Andretti macht sich keine Sorgen: «Ich weiss, dass die Formel 1 in den USA einen festen Fan-Kern hat. Und ich bin fest überzeugt davon, COTA wird die neue Heimat für diese Fans sein.»

Sobald sie den Weg zur Rennstrecke gefunden haben …

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