Formel 1: Carlos Sainz zurück zu Ferrari?

WM-Titel 2013: Kampf der Champions

Von Mathias Brunner
Vettel und Alonso: Nur einer kann die Nummer 1 werden

Vettel und Alonso: Nur einer kann die Nummer 1 werden

Vettel, Räikkönen, Alonso, Hamilton, Button: Wer hat von den fünf Giganten die besten Titelchancen?

Ein faszinierender Aspekt der Formel 1: Hin und wieder ist der Fan zuhause vor dem TV-Schirm so schlau wie der ultimative Insider – ein Formel-1-Weltmeister.

«Das Kräfteverhältnis?» fragt China-Sieger Fernando Alonso auf unsere Frage zurück. «Pah – alles, was wir bislang serviert bekommen, sind doch nur Hinweise. Was wirklich Sache ist, wissen wir heute nicht, werden wir in Bahrain noch nicht wissen und auch nicht beim Europa-Auftakt in Barcelona. Wo die Reise wirklich hingeht, zeigt sich für mich erst in den Rennen nach der Sommerpause.»

Es ist gewiss kein Zufall, dass bei der chinesischen Lehrstunde in Sachen Reifen-Management auf den ersten fünf Rängen die fünf Formel-1-Champions des Feldes ins Ziel gekommen sind. Ungeachtet ihrer gegenwärtigen Platzierung in der Meisterschaft – wie gross sind die WM-Chancen der Weltmeister Sebastian Vettel (Red Bull Racing), Kimi Räikkönen (Lotus), Fernando Alonso (Ferrari), Lewis Hamilton (Mercedes) und Jenson Button (McLaren) wirklich? Auf einer Skala von 10 (weltmeisterlich) bis 1 (chancenlos)?

Sebastian Vettel: Titel-Form 9

Dritter, Erster, Vierter – Sebastian Vettel ist im Plan, was die erfolgreiche Titelverteidigung angeht. Die ersten drei Saisonrennen haben untermauert, was der Heppenheimer schon bei den Wintertests in Spanien festhielt: «Das Potenzial des Wagens ist da, wir müssen es nur schaffen, es aus dem Fahrzeug herauszukitzeln.»

Der Grad zwischen Sieg und Niederlage ist dabei schmal. Kleinste Temperatur-Unterschiede der Luft, des Asphalts oder des Reifens selber und schon kann das vorzügliche Fahrverhalten dahin sein.

Red Bull Racing kann auf eine stabile Team-Struktur vertrauen. Nach drei Titeln in Serie kennt die Truppe aus Milton Keynes jeden Kniff, der zum Titelgewinn vonnöten ist. Kein Team hat 2012 eine so gewaltige Entwicklungs-Maschinerie in Gang gesetzt wie Red Bull Racing. Daran wird sich auch in dieser Saison nichts ändern.

Vor Fehlern wie an der Tanke von Webber im Qualifying oder beim Radverlust des Australiers im Rennen ist aber auch ein Rennstall wie RBR nicht gefeit.

Wer geglaubt hatte, dass Vettel nach drei Titeln in Serie siegessatt sei, wurde durch seinen Angriff auf Webber in Malaysia eines Besseren belehrt.

SPEEDWEEK-Prognose: Der Kampf um den Titel wird erneut auf ein Duell zwischen Vettel und Alonso hinauslaufen.

Kimi Räikkönen: Titel-Form 8

Hätte, Wenn und Aber gehören zu jedem Formel-1-Lauf. In Sachen Kimi Räikkönen drängt sich die Frage auf: Wozu wäre der Finne in der Lage gewesen, hätte er in Shanghai a) einen besseren Start hingelegt und b) sich am vor ihm fahrenden Pérez nicht die Fahrzeugnase eingestubst?

«Das würde ich selber gerne wissen», nuschelte der Formel-1-Weltmeister von 2007.

Eine Antwort erhielt Kimi von seinen Technikern nach dem Rennen: Der aerodynamische Verlust durch die beschädigte Nase betrug zwischen 0,15 und 0,25 Sekunden pro Runde ...

Wir glauben nicht, dass Räikkönen an diesem Sonntag Alonso gebügelt hätte. Aber der China-GP zeigte: Lotus ist in guter Form – oder sagen wir, Lotus ist mit Räikkönen in guter Form, denn Romain Grosjean fährt derzeit mit angezogener Handbremse und gilt als Sorgenkind.

Über die fahrerischen Qualitäten von Kimi müssen wir nicht mehr diskutieren. Bei Lotus stellt sich nur die Frage: Sind die finanziellen Mittel da, um die Entwicklungs-Schlagzahl von Teams wie Red Bull Racing und Ferrari mitgehen zu können?

Während einige über die heutigen Formel-1-Reifen lamentieren, gibt Räikkönen zu bedenken: «Es stimmt einfach nicht, dass man früher das ganze Rennen lang volle Kanne fahren konnte. Und gemessen an 2012 hat sich auch nichts geändert, also verstehe ich das Gejammer nicht ganz.»

Auch historisch ist die Situation nicht neu: In der Turbo-Ära der 80er Jahre musste der Sprit-Verbrauch im Auge behalten werden, zu Beginn des Rennens waren die Autos so schwer, dass man mit den Bremsen sorgsam umgehen musste. Aber auch das war eben die Formel 1.

Noch früher erkannten die Piloten mit Schrecken, wie unterm abgeschabten Gummi die Karkasse hervorguckte. Von Gejammer über die Reifen war dennoch nichts zu hören.

SPEEDWEEK-Prognose: Räikkönen wird erneut gewinnen, aber es wird nicht reichen, um Alonso und Vettel zu gefährden.

Fernando Alonso: Titel-Form 9

Der 31fache GP-Sieger (wie Nigel Mansell, der über Twitter eine Grussbotschaft sandte) ist zu klug, um sich in den Mittelpunkt zu rücken. In der Form von China jedoch ist der Ferrari-Star Titelanwärter Nummer 1.

Als er von Renn-Ingenieur Andrea Stelle ermahnt wurde, als Führender bitteschön das Tempo nicht weiter anzutreiben, funkte Alonso mir ruhiger Stimme zurück: «Mach ich doch gar nicht.»

Zu dieser Phase baute er seinen Vorsprung stetig aus ...

Wie gut also sind die Chancen von Alonso, nach den zweiten Rängen von 2010 und 2012 – jeweils knapp von Vettel geschlagen – endlich den grossen Coup zu landen?

Sie sind besser denn je: Ferrari ist exzellent in die Saison gestartet, «und unser Auto scheint auf jeder Art von Rennstrecke gut zu sein», wie Fernando präzisiert.

Ex-GP-Pilot Martin Brundle: «Ich habe mir im vergangenen Jahr oft die Frage gestellt – wenn es Alonso mit einem teilweise mittelprächtigen Ferrari schafft, sich bis zum Finale im Titelrennen zu halten, wozu ist er dann mit einem siegfähigen Wagen imstande? Die erste Antwort haben wir in Shanghai erhalten.»

Ferrari hat alle Zutaten beisammen, um den ersten Titel seit Kimi Räikkönen 2007 zu holen. Doch BBC- und SPEEDWEEK-Technik-Experte Gary Anderson gibt auch zu bedenken: «Dazu müssen jedoch die laufenden Entwicklungen auch einschlagen, ferner muss Ferrari aggressiver werden. Bei vielen Trends liefen die Italiener in den letzten Jahren hinterher, statt Trendsetter zu sein.»

SPEEDWEEK-Prognose: Der Kampf um den Titel wird erneut auf ein Duell zwischen Vettel und Alonso hinauslaufen.

Lewis Hamilton: Titel-Form 6

Mercedes hat schöne Fortschritte erzielt. Aber der Reifenverschleiss am Silberpfeil scheint noch immer grösser zu sein als, sagen wir am Ferrari.

Der China-GP hat belegt: Die Zeiten, in welchen eine Pole die halbe Miete für einen Sieg war, die sind endgültig vorbei. Heute opfern Fahrer ganz im Gegenteil bewusst Leistungsfähgikeit im Abschlusstraining, um im Grand Prix besser da zu stehen.

Wie schätzt Hamilton selber seine Chancen ein?

«Es hängt alles von den kommenden Entwicklungen ab», ist der Champion von 2008 überzeugt. «Wir wissen, wozu Team wie Ferrari und Red Bull Racing fähig sind, was die Evolution ihrer Autos angeht. Und natürlich machen sie uns nicht den Gefallen, die Entwicklung nun einzustellen. Anders gesagt – um sie einzuholen und zu überholen, müssen wir zwei Schritte vorwärts tun, wenn sie einen tun. Nur wenn uns das gelingt, dürfen wir vom Titel träumen.»

SPEEDWEEK-Prognose: Hamilton wird für Mercedes dieses Jahr siegen, aber für den Titel reicht es nicht.

Jenson Button: Titel-Form 5

Wie klug Jenson Button fährt, zeigte sich in China erneut: Als einziger Fahrer konnte er eine Zweistopp-Taktik in ein gutes Ergebnis umsetzen.

Das Grundproblem des Champions von 2009 ist sein Auto. Der McLaren ist eine glatte Enttäuschung. Daher werden die Engländer für Barcelona einen runderneuten Wagen bringen, der das verkörpern soll, was für 2013 angestrebt worden war – die Qualitäten des 2012er Fahrzeugs konservieren, und dann das Auto mit einem aggressiven Entwicklungsprogramm stetig verbessern.

Im Fahrerlager herrscht die Erkenntnis: McLaren wollte mit dem Modell MP4-28 einfach zu viel (gewöhnungsbedürftige Umstellung des Vorderradaufhängungs-Prinzips, zu komplexe Aerodynamik am Heck), die Techniker sind übers Ziel hinausgeschossen und haben im Winter und während der ersten Rennen ihr eigenes Auto nicht verstanden.

McLaren scheint auch die mangelnde Erfahrung des zweiten Fahrers auf den Kopf zu fallen: Bisher konnten Jenson Button und Lewis Hamilton den Ingenieuren ein reiches Mass an Eindrücken mitgeben und die weitere Richtung vorgeben. Sergio Pérez ist mit zwei Punkten aus drei Rennen ein glatter Ausfall.

SPEEDWEEK-Prognose: Der Rückstand aus den ersten Rennen ist selbst für ein Team wie McLaren und einen sicheren Wert wie Jenson Button einfach zu gross. Der Brite wird 2013 Rennen gewinnen, aber für den Titel reicht es nicht.

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