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GP-Piloten: Milchbubis, störrische Esel, Hund tot

Von Mathias Brunner
Mark Webber nach seinem Sieg in Barcelona 2010: Das ist echte Freude!

Mark Webber nach seinem Sieg in Barcelona 2010: Das ist echte Freude!

Die Arbeitsgruppe Popularität will im Rahmen der Rennen in Belgien oder Italien nach Wegen suchen, wie die Show namens Formel 1 verbessert wird. Sie wird am falschen Ort suchen.

Am Montag nach dem Ungarn-GP traf ich am Flughafen Budapest Jacques Villeneuve. Der Formel-1-Champion von 1997 grinste: «Nicht übel, die Show namens Formel 1, was?» – «Ja», antwortete ich dem Kanadier, «ich bin ja mal gespannt, womit diese Selbstverfahrungsgruppe Popularität das verderben will.» Villeneuve grinste zurück: «Mit den doppelten Punkten zum WM-Finale von Abu Dhabi ist ein schlechtes Beispiel gegeben, aber ich sage dir, wieso die Fans davonmarschieren ...»

Der elffache GP-Sieger weiter: «Fans identifizieren sich immer eher mit den Fahrern als mit Technik. Da kann die neue Turbo-Ära noch so faszinierend sein, Menschen interessieren sich nun mal in der Regel am meisten für andere Menschen, Technikanhänger in allen Ehren. Der moderne GP-Sport transportiert das zu wenig. Die Fahrer kommen als Milchbubis herüber, welchen man am Funk vorbeten muss, was sie im Rennen tun müssen. Das sägt natürlich am Idealbild eines Vollgashelden.»

Damit liegt der frühere Williams-Pilot voll auf einer Linie mit Rennlegende Niki Lauda, der festhält: «Die Fahrer werden nicht als Helden wahrgenommen. Ganz im Gegenteil: Wenn ein Gegner vorne über eine weisse Linie fährt, beginnt der Fahrer dahinter gleich, sich über Funk zu beklagen. Gleichzeitig wird ihnen vorgegeben, was sie den Medien zu sagen haben und was nicht.»

Eines ist klar: die «swinging Sixties» kommen nicht wieder in einer Gegenwart, die von politischer Korrektheit geprägt ist. Ein Lebensstil à la James Hunt pflegte eigentlich öffentlich nur noch Kimi Räikkönen, und der wird nun Papa und sesshaft. Die moderne Welt, in welcher Jedermann unscharfe Fotos twittern und verwackelte Filmchen auf YouTube stellen kann, verbietet den Fahrern, in der Öffentlichkeit sich selber zu sein.

Ein Teil der Schuld, wieso Fahrer nicht mehr raubeinige Haudegen sein dürfen, liegt bei uns selber, in der Sensationslust und in heuchlerischer Entrüstung.

Dabei sind es genau Emotionen, welche uns am meisten berühren: Fahrer, die sich über andere Piloten aufregen und schimpfen wie ein Rohrspatz, ein kurz vor dem Ziel Ausgefallener, der sich seiner Tränen nicht schämt, GP-Asse, die nicht nur hinter geschlossenen Türen mal tüchtig auf den Tisch hauen. So wie Romain Grosjean dieses Jahr in der Lotus-Box, vom seinem störrischen Esel namens Lotus genervt. Das kurze Filmchen ging um die Welt, meist mit sympathisierenden Kommentaren.

Im MotoGP-Sport ist besser verstanden worden, dass Rennfahrer echte Typen sind, und man versuchte nicht wie in der Formel 1, sie in ein Schema zu pressen. Valentino Rossi ist das Paradebeispiel. Würde Fernando Alonso in der Formel 1 in der Auslaufrunde bei seinem Fanklub anhalten, aus dem Wagen steigen und sich feiern lassen, so bekäme er vermutlich vom Autoverband FIA eine happige Strafe.

Dabei gehört das eben auch zum Rennsport: Fahrer, die Freude zeigen dürfen, die sich hochleben lassen, die ihre Handschuhe in die Menge pfeffern oder den Helm gleich hinterher, dieses Adrenalin wollen wir spüren!

Wenn ich mich im Freundeskreis umhöre, ist zu vernehmen: «Was ist eigentlich mit diesen jungen Piloten los? Nur ein Daniel Ricciardo scheint sich auf dem Siegerpodest richtig zu freuen, ein Bottas sieht nach einem Ergebnis unter den besten Drei aus, als wäre zuhause der Hund gestorben.»

Zurück zu Jacques Villeneuve: «Was mir in diesem Jahr gefällt – die Formel 1 schaut wieder schwierig aus. Du siehst, wie die Piloten ackern, um die Renner unter Kontrolle zu behalten, das ist toll. Bis zum letzten Jahr fuhren sie wie auf Schienen um die Kurven, da glaubt doch jeder zuhause, er könne das auch. Was natürlich Quatsch ist. Aber das muss noch viel weiter gehen: ich würde den ganzen elektronischen Firlefanz aus den Autos entfernen. Wie schnell ein Auto ist, sollte vom Fahrer bestimmt werden, nicht vom besten Motorentechniker.»

Villeneuve weiter: «Ich kritisiere ja oft und gerne, aber ich muss auch mal etwas loben – seit dem Hockenheim-GP lässt man den Piloten eine etwas längere Leine und spricht nicht gleich eine Strafe auf, sobald das erste Kohlefaserfitzelchen fliegt. Das ist ein guter Ansatz, wie die heiss umkämpften Rennen auf dem Hockenheimring und dem Hungaroring bewiesen haben.»

Und trotzdem wundert sich auch der Kanadier: Wieso stellt sich eigentlich immer nur die Formel 1 so selber in Frage?

Wie kann es sein, dass der Formel-1-Promoter über den eigenen Sport lästert und der Präsident von Ferrari die Fahrer als Taxifahrer verhöhnt?

Können Sie sich vorstellen, dass FIFA-Chef Sepp Blatter den Fussball schlecht redet und flugs von grösseren Toren faselt, wenn ein Spiel jetzt mal nicht der Vollknaller war? Glaubt jemand ernsthaft, er würde deswegen Weltklassespieler als Dilettanten bezeichnen?

Die Formel 1 fasziniert noch immer. Aber die Fans sind nicht dumm: Sie durchschauen künstliche Eingriffe wie doppelte WM-Punkte zum Finale als das, was sie sind – Antworten auf Fragen, die keiner gestellt hat.

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