Pirelli, Reifenplatzer Vettel: Laufzeit-Limit Monza?

Von Mathias Brunner
Sebastian Vettel in Belgien

Sebastian Vettel in Belgien

Bei der Reifenplatzer-Affäre von Sebastian Vettel steht das Wort von Pirelli gegen das Wort von Ferrari. Niemand will mit Schmutz werfen, aber im Zentrum muss die Sicherheit stehen.

Wir sind zu lange in der Formel 1, um bedenkenlos jedem zu glauben. Aber es gilt noch immer: ohne Gegenbeweis gilt das gesprochene Wort. Wenn Ferrari-Teamchef Maurizio Arrivabene also sagt, man sei sich sicher gewesen, dass Vettel mit nur einem Stopp ins Ziel komme, man habe seine Hausaufgaben gemacht, dann wollen wir ihm das glauben.

Wenn gleichzeitig Pirelli-Chef Paul Hembery meint, Ferrari sei in Sachen Reifenstrategie vielleicht zu aggressiv gewesen, dann ist das freilich auch nicht von der Hand zu weisen.

Gleichzeitig sind beide Aussagen mit Vorsicht zu geniessen: Natürlich würde sich Arrivabene nicht freiwillig hinstellen und sagen, die Strategie sei verpatzt worden und man habe seinen Star einem unnötigen Risiko ausgesetzt. Und selbstredend würde Hembery nie zugeben, dass es auf der Highspeed-Bahn von Spa-Francorchamps vielleicht ein strukturelles Problem mit dem Reifen gab (wenn es denn so wäre).

Zweifel und Fragen müssen erlaubt sein.

Wieso war Ferrari der einzige Rennstall, der eine solche Strategie wählte? Weil es der einzige Weg war, Vettel vielleicht aufs Siegerpodest zu bringen.

Wieso spricht Pirelli von einen übermässigen Verschleiss am Wagen von Vettel? Die Rundenzeiten von Sebastian vor dem Reifenplatzer entkräften diese Erklärung. Wenn der Reifen abbaute, wieso ist der Ferrari-Star dann nicht an die Box gekommen, um frische Walzen abzuholen?

Die Erfahrung aus vielen früheren Rennen hat gezeigt: ist der Reifenabbau zu hoch, rutscht ein Pilot nur noch herum, die Rundenzeiten steigen so dramatisch an, dass dem Rennstall nichts anderes übrig bleibt, als ihn zur Box zu holen. Aber all das ist nicht passiert.

Ist es nicht vielleicht denkbar, dass Vettel ein ähnliches Problem wie Nico Rosberg im Training hatte? Dass nämlich der Reifen durch ein auf der Piste liegendes Objekt verletzt worden ist?

Dass Vettel nach dem Rennen über die Reifen schimpft, war absehbar wie der nächste Sieg von Bayern München.

Erstens ist selbst ein so erfahrener Pilot wie er von einem Highspeed-Reifenplatzer schockiert. Das war bei Nico Rosberg genauso.

Zweitens ist Vettel kein Fan von Reifen mit eingebautem Abbau-Faktor. Sein Instinkt als Racer sagt: jeder Runde volle Kanne, das ist Rennfahren. Reifen babysitten, das ist einfach nicht Formel 1, und mit dieser Meinung ist Vettel nicht alleine.

Vielleicht handelte es sich um ein Zusammenspiel verschiedener Faktoren: Zu lange auf einem Reifensatz auf der Bahn geblieben, dazu die extreme Belastung nicht nur durch die Hochgeschwindigkeitskurven, sondern auch durch die Eau-Rouge-Senke, die für Belgien unerwartet hohen Temperaturen, vielleicht eben doch ein Fremdkörper auf der Bahn.

Und dann gibt es noch einen Faktor, den viele aussen vor gelassen haben und wo auch die Regelhüter der FIA offenbar beide Augen zudrückten: Niemals zuvor sind die Autos ausgangs Eau Rouge zur Raidillon hoch auf der linken Fahrbahnseite so extrem über die Randsteine gebrettert wie in diesem Jahr. Wieso hat man diesem Treiben tatenlos zugeschaut? Immerhin waren viele Piloten da mit keinem Rad mehr auf der richtigen Rennstrecke.

In knapp zwei Wochen rücken die Formel-1-Renner auf die zweite grosse Highspeed-Bahn im WM-Kalender aus, in Monza. Vielleicht wäre es an der Zeit, wieder ein Limit für Laufzeiten auszugeben, so wie das nach den Reifenschäden von Silverstone 2013 der Fall war.

Sebastian Vettel hat mit einer Aussage völlig Recht: Ein Reifenplatzer im dümmsten Moment in Eau Rouge, das hätte möglicherweise dramatische Folgen haben können. Ein Reifenplatzer bei 360 km/h in Monza ist gleich gefährlich.

Sicherheit muss vorgehen. Nicht nur in einem Jahr, wo wir schon einen Formel-1-Fahrer verloren haben.

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