Max Verstappen: Durch Eau Rouge gegen Fahrtrichtung!

Von Mathias Brunner
Max Verstappen

Max Verstappen

​2015 zeigte Max Verstappen als Toro-Rosso-Fahrer in Belgien das beste Überholmanöver des Jahres. Nun kommt er als Siegfahrer nach Spa-Francorchamps zurück – und mit ungewöhnlicher Pistenkenntnis.

Die Organisatoren des Grossen Preises von Belgien in Spa-Francorchamps reiben sich die Hände: Max Verstappen soll dafür sorgen, dass gut jeder fünfte Besucher am kommenden Wochenende aus den Niederlanden stammen wird – mit 15.000 bis 20.000 Fans von Max Verstappen wird gerechnet.

Der 18jährige Max selber sagt: «Ich freue mich auf ein fabelhaftes Wochenende auf einer der berühmtesten Rennstrecken der Welt. Und klar will ich es 2016 besser machen als vor einem Jahr.»

Das wird in einer Hinsicht schwierig und in einer anderen leicht. Leicht deshalb, weil Verstappen inzwischen in einem Auto von Red Bull Racing sitzt, zuletzt gab es für RBR in Ungarn die Ränge 2 (Daniel Ricciardo) und 3 (Verstappen). Der Australier Ricciardo hat zudem in Belgien 2014 gewonnen.

Schwierig deshalb, weil Max vor knapp einem Jahr das beste Überholmanöver des Jahres zeigte, das selbst Formel-1-Veteranen verblüffte und kaum zu toppen ist. Verstappen zeigte einen Angriff, der eigentlich fast nicht klappen kann – aussenrum in der schnellen Blanchimont am Gegner vorbei!

Ex-Formel-1-Fahrer Martin Brundle war nicht der Einzige, der tief beeindruckt war. Der Engländer sagte nach dem Belgien-GP: «Kennen diese Jungen eigentlich keine Furcht? Max Verstappen Seite an Seite mit Felipe Nasr, zur Blanchimont hoch, durch Blanchimont durch, und das bei jenseits von 300 km/h, das war einfach atemberaubend. Solche Momente können wegweisend für eine Karriere sein. Es war vielleicht nicht ganz so verrückt wie damals der Angriff von Mark Webber auf Fernando Alonso in die Eau-Rouge-Senke hinein, aber es war ein Festschmaus, Verstappen zuzusehen.»

Brundle staunte und warnte zugleich bei der britischen Sky: «Das kann nur klappen, weil sich die Fahrer gewisse Freiheiten in Sachen Sturzräume herausnehmen können, zudem wissen sie um die hohe Sicherheit der Autos. Gleichzeitig braucht ein solcher Angriff höchste Präzision und bedingungslose Hingabe. Wer so etwas zeigt, der hat schon sehr viel gottgegebenes Talent. Wenn es überhaupt etwas geben würde, das ich Max raten würde, dann dies – wähle solche Angriffe weise. Verstappen steht Weltmeister-Potenzial sozusagen auf die Stirn geschrieben, es ist sinnlos, mit wagemutigen Aktionen seine Gesundheit zu riskieren. Ein solcher Moment ist nicht so wichtig wie das grössere Bild.»

Verstappen meinte nach seiner tollen Aktion in Blanchimont nur: «Gut, einige Überholmanöver waren heute schon ein wenig riskant. Aber du musst eben Risiken eingehen, wenn du in so einem Rennen in die Punkte fahren willst.»

Was im GP2-Rennen zwischen Pierre Gasly und Daniel De Jong in Blanchimont zu einem schweren Unfall geführt hatte (die Autos berührten sich, De Jong prallte geradeaus in die Pistenbegrenzung und musste am Rücken operiert werden), klappte zwischen Nasr und Verstappen.

Später stellte sich heraus: Verstappen hatte einen solchen Angriff zuvor wiederholt simuliert – als Gegner von Atze Kerkhof bei Team Redline. Einen Teil der Sommerpause hatte der gegenwärtige WM-Zehnte in seinem Playseat verbracht, seit anfangs August 2015 war er Teil von Team Redline, den Weltmeistern im Online-Simracing. Max meint: «Mich hat das wirklich gepackt. Wenn ich es könnte, dann würde ich einen professionellen Formel-1-Simulator in meine Wohnung packen, aber der heutige Sitz kommt dem echten Fahrgefühl schon recht nahe. Natürlich ist das nicht mit dem Simulator in Milton Keynes zu vergleichen, der ist zehn Mal grösser!»

Sim Racing (für simulierten Rennsport) versucht, das echte Fahren so wirklichkeutsgetreu wie irgend möglich zu kopieren. Beim Simulationsspiel müssen die ganzen Variablen der echten Welt miteingerechnet werden – also Verbrauch, Reifenverschleiss, Haftungsgrad der Reifen, Flügeleinstellung, mögliche Schäden am Wagen, dazu wird der Wagen abgestimmt wie ein echtes Rennauto. Um wirklich gut zu sein, muss der Sim-Fahrer ein grosses Verständnis für seinen virtuellen Wagen aufbauen, die Anforderungen beim Bremsgefühl oder beim Erspüren der Haftgrenze der Reifen kommen dem realen Fahren sehr nahe.

Verstappen selber sagt über die Fähigkeit des Überholens in unserem Interview in Hockenheim: «Es ist vor allem Bauchgefühl. Ich lege mir die Gegner im Rennen zurecht. Will heissen: Ich folge ihnen und versuche herauszufinden, wo ihre Schwächen liegen. Es ist eine Instinktsache, aber es fällt mir schwer, das exakt in Worte zu kleiden. Du merkst einfach in einer ganz bestimmten Rennsituation, was möglich ist und dann attackierst du. Ich habe also keine Akte im Kopf über einen bestimmten Piloten und sein Zweikampfverhalten, sondern ich agiere und reagiere darauf, was auf der Bahn passiert. Klar könnte ich Videomaterial studieren, aber es ist ja nicht gesagt, dass ein Pilot in der nächsten Situation wieder gleich reagiert. Ein Torhüter taucht beim Elfmeter ja auch nicht immer in die gleiche Ecke.»

Verstappen ragt vor allem in den heiklen Bremszonen heraus. Wo bei einigen Piloten längst die Räder rauchen, passiert das bei Max nicht. «Es ist eine Frage des Gespürs, wo sich das Limit genau befindet. Manchmal spielst du mit der Bremsbalance, dann gibt es auch noch die Einstellungen für die Batterie zu regulieren, um elektrische Energie zu sammeln. Hin und wieder fährst du eine Kurve dann mit einer Hand. Daran muss man sich erst mal gewöhnen.»

An eines wird sich Max hingegen nicht so schnell gewöhnen: An das Durchfahren der berühmten Eau-Rouge-Senke – in der Gegenfahrtrichtung!

Verstappen erzählt: «2015 war ich für eine Fahrdemo in Belgien und habe die Eau Rouge gegen die eigentliche Fahrtrichtung durchfahren. Von Raidillon bergab auf die Eau Rouge zuzufahren, das ist ziemlich beängstigend, die Leitschienen stehen natürlich völlig falsch. Aber ich bin happy, dass alles gut ging – nicht viele Fahrer erhalten die Möglichkeit, so etwas mal zu machen.»

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