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Sandro Cortese: Im Sommer wurde Klartext geredet

Von Günther Wiesinger
Sandro Cortese konnten in der ersten Saisonhälfte 2014 in den Moto2-Rennen nicht überzeugen. «Wir haben uns durch die guten Trainings blenden lassen», gibt Dynavolt-Intact-Teamchef Jürgen Lingg zu.

Das deutsche Dynavolt Intact-GP-Team bestreitet mit Sandro Cortese 24) die zweite Moto2-WM-Saison. Der Moto3-Weltmeister von 2012 schaffte beim Brünn-GP vor vier Wochen mit Platz 3 seinen ersten Podestrang in der Mittelgewichtsklasse und hat sich jetzt in den Top-Ten etabliert.

Dynavolt-Intact-Technik-Direktor Jürgen Lingg lässt gegenüber SPEEDWEEK.com durchblicken, dass nach der chwachen ersten Saisonhälfte in der Sommerpause Klartext geredet wurde.

Jürgen, Sandro Cortese hat inklusive Sachsenring-GP bei den ersten neun Rennen nur 32 Punkte gesammelt. Er ging als WM-Vierzehnter in die Sommerpause. Euch stand im Frühjahr die Verzweiflung ins Gesicht geschrieben. Sandro klagte lange über die Nachwirkungen der Katar-Verletzung.

Ja, er hat in Doha im Qualifying einen Riss im Fersenbein erlitten. Ich bin kein Doktor. Ich denke, das grössere Problem war die Fleischwunde, die war schon massiv. Aber ich kann da kein Urteil darüber abgeben. Ich will nichts Falsches sagen.
Aber wenn es gar nicht weitergeht, sucht man nach Gründen...

Ihr habt überlegt, für 2015 einen zweiten Fahrer zu verpflichten, damit Sandro Cortese einen Referenzpunkt hat. Aber die Referenz kann man sich auch anderweitig suchen: Jonas Folger hat mit einer Kalex im bescheidenen AGR-Team als Moto2-Rookie bei den ersten sechs Rennen 2014 zwei Podestplätze erzielt und eine Pole-Position.

Ja, das ist halt so in der Moto2... Es ist beschränkt, was du als Techniker machen kannst. Das Vertrauen und das Gefühl des Fahrers sind brutal ausschlaggebend.
Bei Jonas hat jetzt auch eine Kleinigkeit nicht gepasst, er hat sich einige Rennen lang schwer getan. So hat sich das Problem auch bei uns gesteigert. Und je mehr die Leute gefragt haben, was eigentlich bei uns los sei, desto schlimmer ist es geworden.

Es gab im Frühjahr in den Trainings bei Sandro oft Lichtblicke. Aber in den Rennen konnte er sein Können nie umsetzen. Warum ist in Indy mit Platz 6 plötzlich der Knoten geplatzt? Ihr wolltet nach dem Sachsenring-GP einmal mit Sandro Klartext reden. Gab es in der Sommerpause eine Kopfwäsche?

Man kann es ja jetzt sagen: Es war 2011 genau so. Damals war auch der Sachsenring-GP der Tiefpunkt.
Wobei der Sandro in diesem Jahr auf dem Sachsenring gut gefahren ist, aber im Rennen ist der Schalthebel gebrochen. Da trifft ihn keine Schuld. Er ist dort ein gutes Rennen gefahren.
Aber die Sommerpause hat ihm trotzdem gut getan.

Du weichst aus. Hat es eine Kopfwäsche gegeben?

Ja, schon. Es gab einige Diskussionen. Er hat schon gemerkt, dass der Wind rauer wird.

Hat man mit diesen Gesprächen vielleicht zu lange gewartet? Habt ihr zu viel Geduld gehabt?

(Er lacht). Ich weiss es nicht... Vielleicht bin ich manchmal zu gutgläubig.

Dir war im Mai und Juni die Enttäuschung in der Box regelmässig anzusehen. Besonders nach der Kollision in Runde 1 mit Folger in Barcelona. Sandro sagte, Folger habe ihn gerempelt, es war aber eher umgekehrt.

Er war einfach brutal verzweifelt, genau wie wir auch.

In solchen schwierigen Phasen verfällt Sandro in alte Strickmuster, er sucht die Schuld nicht bei sich selber.

Ja. (Er lacht verlegen).

Dazu willst du nichts sagen?

Wir haben das intern alles besprochen. Mehr will ich dazu nicht sagen. Es scheint, dass wir jetzt auf einem ganz guten Weg sind.
Wir dürfen aber jetzt nicht erwarten, dass Sandro jedes Mal aufs Podest fährt. Dass er in Brünn gut ist, das haben wir immer schon gewusst. Die zwei Testtage nach dem Mugello-GP waren natürlich auch hilfreich.
Aber ich denke, wir sind auf einem guten Weg. Er auch.

Deine Geduld wurde auf eine harte Probe gestellt?

Im Nachhinein muss ich wiederholen, was ich schon einmal erwähnt habe. Bei manchen geht’s halt ein bisschen schneller, andere brauchen ein bisschen länger.
Wir haben das Team für Sandro aufgebaut und ziehen das jetzt durch. Wir stehen zu 100 Prozent hinter ihm.

Die Erwartungshaltung war nach dem Moto3-Titelgewinn von 2012 natürlich hoch. Sandro wollte Nico Terol nacheifern, der im ersten Jahr WM-Elfter wurde und einen Podestplatz holte. Er sagte vor der Saison 2013 auch, er traue sich zu, mit Tom Lüthi mitzuhalten. Am Schluss reichte es nur für den 19. WM-Rang.

Ja, wir haben die Ziele nicht ganz erreicht. Aber wir haben dran gearbeitet. Ich hatte auch nicht so hohe Ziele wie Sandro, ich war mehr Realist als er. Ich habe die Moto2 sicher nicht unterschätzt. Und ich kenne den Sandro. Ich habe vermutet, dass es bei ihm ein bisschen länger dauert.
2014 wollte ich in den Rennen Top-Ten-Ränge sehen, das hat einige Zeit nicht geklappt...
Wir haben uns ein bisschen blenden lassen. Natürlich haben Rookies wie Vinales und Folger super gut eingeschlagen. Wir haben gute Trainings gehabt, doch diese Ergebnisse haben wir in den Rennen nicht umsetzen können.
Es ist halt ein Unterschied, ob ich im Training ein, zwei schnelle Runden fahre oder ob ich im Rennen 20 schnelle Runden hinlegen muss.
Und es ist auch ein Unterschied, ob ich diese Zeiten alleine fahren kann, ohne beinharten Kampf, wie es im Rennen vorkommt. Wir haben uns von diesen Trainings alle blenden lassen.
Wir haben gar nicht richtig analysiert, dass es in den Trainings immer nur zwei, drei schnelle Runden gab. Sandro hat die Startplätze dann im Rennen nicht bestätigen können.
Unsere Erwartungen waren zu hoch. Wir waren ein bisschen realitätsfremd.

Sandro Cortese wird halt an Stefan Bradl gemessen. Der hat im ersten Moto2-Jahr schon ein Rennen gewonnen, im zweiten wurde er Weltmeister. Ihr habt vielleicht im Winter auch unterschätzt, wie stark die Rookies Vinales und Salom sein würden?

Ja, die haben ihre Form dann auch bei den Rennen bestätigt.

Sandro ist jetzt WM-Zehnter? Was ist 2014 noch erreichbar?

Wenn wir in den Top-Ten bleiben könnten, wäre es gut. Wenn es einstellig wird, wäre es super.

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