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Kann das 'SMX' jemals wie das 'MXoN' werden?

Kolumne von Thoralf Abgarjan
Feuerwerk in der menschenleeren VELTINS-Arena

Feuerwerk in der menschenleeren VELTINS-Arena

Das SMX auf Schalke wurde von Youthstream als 'Rennen des Jahrhunderts' angekündigt und am Ende doch zum Tiefpunkt einer ansonsten guten Saison 2016. Ging das Konzept SMX nicht auf?

Youthstream-Präsident Guiseppe Luongo wird in der Außenwahrnehmung seiner Kritiker häufig als 'Totengräber des Motocross' tituliert. Nach dem Scheitern des von Youthstream als 'Rennen des Jahrhunderts' angekündigten Supermotocross auf Schalke, kommen die Kritiker schneller aus der Deckung als der Boden aus der Veltins-Arena abgetragen ist. Natürlich wussten sie, die Kritiker, es schon immer, dass das mit dem SMX im Fußballstadion nichts werden wird...

Ja. Youthstream hat sich mit diesem Rennen keinen Gefallen getan und ja, es war auch Kommerz im Spiel. Wie immer, werden die Kritiker wieder sagen.

Aber es gibt auch eine andere Seite.

SPEEDWEEK.com fragte bereits am 2. Januar, also vor mehr als 10 Monaten: Wird das 'Supermotocross' zum Saisonhighlight oder wird es zur planlosen Vision? Schon damals wurde klar, dass der Erfolg von mehreren, sich teilweise bedingenden Faktoren abhängen wird, insbesonere von den Nominierungen, dem Termin (auch in Hinblick auf den MEC in Las Vegas), einem verwertbaren FIM-Prädikat und vielen weiteren Faktoren: Logistik, Werbung, Einbindung der Hersteller usw.

Heute wissen wir: Das Konzept ging nicht auf.

Aber hinterher ist man immer schlauer. Und 'schlau daherreden' ist immer einfacher als es wirklich besser zu machen.

Jede Form von Häme ist also in diesem Fall unangebracht, denn verloren hat neben Youthstream in erster Linie der Sport.

Ich nehme es Guiseppe Luongo wirklich ab, dass er in Gelsenkirchen ein sportliches Mega-Event der Superlative auf die Beine stellen wollte. Es war schon immer sein großer Traum, die besten Amerikaner und die besten WM-Starter in einem Rennen zusammenzubringen. Diesen Wettstreit, USA gegen WM, könnte man als seine größte Lebensaufgabe ansehen.

Auch das werden die ewigen Kritiker und Nörgler nicht gern hören: Guiseppe Luongo ist ein Motocross-Fan durch und durch. Bezeichnend war die Situation, als er in Maggiora einen Kniefall vollführte, als am Samstag-Abend - für ihn überraschend - die Weltmeister der letzten 20 Jahre die Bühne der 'Youthstream awards 2016' betraten und der Youthstream-Boss, überwältigt von den eigenen Emotionen, unter Tränen der Rührung um Worte rang.

Aber woran hat es letztendlich gelegen, dass das Rennen in der Schalke-Arena floppte? Eine zuverlässige Antwort darauf kann noch niemand geben. Aber es gibt einige Erfahrungswerte, aus denen man hätte lernen können und möglicherweise nicht genug gelernt hat.

Motocross ist Tradition
Im Motocross gibt es einige Besonderheiten. Zum Beispiel die Zwei-Rennen-Regel. Dieses Format ist hochgradig TV-inkompatibel: Schwer nachvollziehbare Rennen, Entscheidungen erst nach Stunden, viel notwendiges Vorwissen, intensive Verfolgung und so weiter. Kein TV-Marketing-Stratege würde so etwas freiwillig machen, aber so ist es nun einmal historisch gewachsen. Als Guiseppe Luongo (damals hieß seine Firma noch 'Action Group') seine Vermarktungsrechte an den spanischen Moto-GP-Promoter DORNA verkaufte, änderten sie als Erstes das Format auf ein Rennen pro Klasse und WM-Lauf - wegen der TV-Kompatibilität.

Dieses Konzept scheiterte.

Die Dorna übertrug ihre Rechte frustriert wieder zurück an Luongo (angeblich für 'peanuts'). Unter dem Vorsitz seiner neuen Firma Youthstream führte Luongo wieder das 'alte' System mit 2 Läufen pro Rennen ein, denn, wie er sagte, müsse man die Tradition im Motocross immer berücksichtigen.

Ja, so ist es. Es ist manchmal nicht logisch, manchmal schwer nachzuvollziehen, aber Motocross-Fans sind Traditionalisten. Sie setzen sich lieber in den Staub des Talkessels statt auf die sauberen Tribünen des Lausitzrings. Sie würden heute noch in Massen nach Namur pilgern und auf nächtliche Wüstenrennen in Katar liebend gern verzichten.

Motocross hat in Deutschland durchaus auch Tradition: Siehe Talkessel, Gaildorf, Aichwald, Drehna, Drabenderhöhe...

Auch Supercross hat sich auf einem gewissen Niveau etabliert, Dank des jahrzehntelangen Engagements des ADAC und familienfreundlicher Eintrittspreise eine Nische gefunden. Das Konzept funktioniert, die Hallen sind gut gefüllt.

SMX wird kein MXoN
Das von Youthstream erklärte Vorbild für das SMX war das MXoN, die einmalige Veranstaltung, wo die Fans eine elektrisierende Atmosphäre verbreiten, wo Spannung von der ersten bis zur letzten Minute herrscht. Aber 'die Fans' sind eben DIE Franzosen, DIE Holländer, DIE Briten, Belgier, Deutschen, Schweizer, die 'IHRE' Landsleute anfeuern, die mit ihnen feiern und mit ihnen leiden und denen es - mit Verlaub - vollkommen egal ist, ob ihre Helden auf Husqvarna, KTM, Honda, Yamaha, Kawasaki, TM oder Suzuki antreten.

Ohne Fans keine Emotionen
Beim MXoN sind immer authentische Emotionen im Spiel. Natürlich gibt es auch den Fan, der sich freut, wenn ein Fahrer auf seinem Lieblings-Bike gewinnt, aber für wirklich große Emotionen genügt so etwas nicht. Selbst der Mythos der legendären 'Ferraristi' in der Formel-1 brauchte Fahrerpersönlichkeiten wie Niki Lauda oder Michael Schumacher, um zum Kult zu werden. Und Legenden wie Giacomo Agostini und Valentino Rossi wechselten ihre Bikes, aber der Glanz dieser Lichtgestalten galt immer nur ihnen selbst, nicht ihren Arbeitsgeräten. Diese waren und sind immer nur Mittel zum Zweck.

Worum ging es eigentlich beim SMX?
Der 'manufacturers cup' ist für die Werke ohne nennenswerte Bedeutung, darauf haben wir an dieser Stelle schon im Januar hingewiesen. Die Werke betreiben einen immensen Aufwand, stellen Werksteams zusammen, sind bei 18, künftig sogar bei 20 Rennen rund um den Globus mit hohen Budgets präsent, zahlen Millionengagen für die besten Fahrer, um sich nach 9 Monaten harter Arbeit in der Herstellerwertung zu positionieren. Wäre das SMX für die Hersteller ein offizielles Prädikat - wie das der Mannschaftsweltmeisterschaft beim MXoN - könnten sich die Hersteller den Aufwand einer ganzen WM-Saison glatt sparen. Aber so ist es nicht. Die 'manufacturers trophy' (wenn man sie so nennen kann) existiert autark neben der WM. Aber sie interessiert Niemanden, denn auch wenn KTM nun den Cup gewonnen hat, bleibt Honda der alleinige und unangefochtene Gewinner der Weltmeisterschaft 2016.

Das Konzept konnte aus diesem Grunde nicht aufgehen. Darum war es für Kawasaki nie ein Thema, Eli Tomac nach Gelsenkirchen zu schicken, denn für das eigene Marketing ist ein Triumph beim MEC allemal wichtiger. Für Fahrer von Nicht-Werks-Teams, wie Justin Barcia oder Cooper Webb ist die Lage noch konfuser, sie sind - übertragen auf die Situation beim MXoN - Staatenlose ohne Mannschaft.

Es gibt im Motocross keine wirklichen 'Markenbotschafter', wie es Botschafter von Nationen gibt und es gibt auch keine authentischen 'Marken-Fans', die mit ihrer Mannschaft durch Dick und Dünn gehen. So etwas ist romantisches Wunschdenken.

Undurchsichtiges System
Bleiben wir beim Vergleich MXoN - SMX: Es ist ja schon beim MXoN bisweilen recht unübersichtlich, zwei Fahrer einer Mannschaft im Auge zu behalten und beim letzten Rennen auch noch das Streichresultat zu berücksichtigen. Beim SMX waren 3 Fahrer und zwei Streichresultate zu berücksichtigen - ohne Echtzeit-Computing ein Ding der Unmöglichkeit, dabei die Übersicht zu behalten. Aber so richtig interessiert hat die Mannschaftswertung ja ohnehin nicht. Und wenn jetzt rückblickend und richtigerweise erwähnt wird, dass es ja doch immerhin spannende Rennen waren, dann sind damit nur spannende Einzelrennen gemeint, nicht die Leistungen der Teams.

Bleiben wir beim Vergleich MXoN/SMX: Wen interessieren beim MXoN die Einzelsieger? Sie sind höchstens begleitende Randerscheinungen.

Joker
Verglichen wurde der Einsatz des Jokers mit der Funktion eines Auswechselspielers im Fußball, der aus taktischen Gründen oder im Falle einer Verletzung eingewechselt werden kann. Der Trainer kann zu einem beliebigen Zeitpunkt einen Ersatzspieler einwechseln. Beim SMX fuhren die Ersatzfahrer aber vom ersten Rennen an mit. Das ist so, als würden beim Fußball von der ersten Minute an 14 Spieler (11 reguläre und 3 Auswechselspieler) pro Mannschaft auf dem Platz stehen!

Klar: Youthstream wollte das dünne Fahrerfeld füllen. Aber allein das war der Offenbarungseid des nicht durchdachten Konzepts.

Aus Fehlern nicht gelernt
Bereits beim ersten Versuch, im Jahre 2001, war es in der Schalke-Arena bitter kalt. In Deutschland wird es im Oktober abends öfter schon mal ungemütlich. Dazu kommen die Eintrittspreise: Fußballfans zahlen in der VELTINS-Arena zwischen 26,- € und 52,-€ für Sitzplätze, 15,50 für Stehplätze und 13,- € für Kinder. Wenn ein Familienvater aus dem Ruhrpott auf die Idee käme, mit Frau und Kind am Samstagabend beim SMX vorbeizuschauen, wäre er locker mehrere Hundert Euro los, denn Kinder bis 12 Jahre zahlten noch 75€ für einen Sitzplatz auf der Gazpromtribüne (Erwachsene 100€). Auch hier lohnt sich der Vergleich zum Monster Energy Cup in Las Vegas an diesem Wochenende, wo Roczen, Tomac, Dungey & co. am Startgatter stehen (und auch Gajser, wenn er nicht verletzt wäre): Eintrittspreise von 50 US$ für Normalplätze und 60 US$ für die besten, so genannten 'extreme'-Plätze sind für einen Normalverdiener in den USA und Europa gerade noch erschwinglich.

Motocross ist kein elitärer Sport wie Golf oder Tennis, wo es darum geht, zu sehen und gesehen zu werden. So etwas funktioniert beim Motocross nicht. Der Besuch eines Motocrossrennens ist ein Familien-Event und kann nur mit familien-kompatiblen Preisen funktionieren. Auch Youthstream merkt, dass selbst im deutschen Motocross-Mekka Teutschenthal die Zuschauerzahlen in dem Maße sinken, wie die Preise steigen. Auch wenn die Einnahmen vielleicht sogar am Ende durch die höheren Preise gleich bleiben, die Qualität und der Wert des Produkts Motocross sinkt, wenn die Zuschauer ausbleiben.

Der Wert einer Motocross-Veranstaltung hängt nicht nur von der Qualität der Fahrer ab, sondern auch maßgeblich von den Zuschauern. Unter anderem deshalb sind die Rennen in der Wüste von Katar so öde, wenn man sie mit den Rennen in Frauenfeld vergleicht.

Und genau wegen dieser mangelnden Zuschauerakzeptanz ist das SMX 2016 zur totalen Wertlosigkeit verkommen. Leider. Und leider müssen nun auch die 'echten' Fans, die nächstes Jahr nach Assen, Valkenswaard, Matterley Basin und Teutschenthal pilgern, die Zeche vom letzten Wochenende bezahlen, was im Grunde genommen ziemlich ungerecht ist.

Das Konzept SMX entpuppte sich zum Irrweg, der zudem noch viel Schaden angerichtet hat. Youthstream konnte im Vorfeld TV-Rechte in alle Welt verkaufen, unter anderem auch an 'CBS sports network'. Aber für welches blasse Produkt?

Wie eingangs erwähnt: Guiseppe Longo ist ein leidenschaftlicher Botschafter des Motocross. Und er ist ein Romantiker. Es bleibt dennoch zu hoffen, dass er zusammen mit Youthstream aus dem Desaster von Gelsenkirchen lernt und dabei dennoch nicht lockerlässt, mehr Menschen für Motocross zu gewinnen und zu begeistern. Denn das ist die wichtigste Aufgabe überhaupt für die Zukunft des Sports.

Was ist der Charme von Motocross?
Spannung und Leidenschaft, ungebremste Wildheit, die ruhig etwas 'dirty' sein kann, das ist der Charme von Motocross. Dafür braucht es keine Fußballstadien. Oder, wie es unlängst ein Bekannter auf den Punkt brachte, der das Motocross der Nationen in Maggiora gesehen hatte: «Wer braucht bei diesem Sport noch Fußball?»

Die paartausend Zuschauer von Gelsenkirchen wären auch ins nah gelegene 'Loch' von Grevenbroich gekommen, um Dungey zu sehen. So hätte sich Youthstream wenigstens die Arena-Miete sparen können und alle (inklusive Luongo) hätten tagsüber weniger gefroren.

Zu befürchten ist, dass Guiseppe Luongo nun zwar Fehler einräumen wird, aber nach einer zweiten Chance fragt, denn angeblich wurde schon vor dem Rennen ein Dreijahresvertrag mit der Arena abgeschlossen.

Die Saison 2016 hätte mit dem fulminanten MXoN in Maggiora, das als das spannendste Rennen in die Geschichtsbücher eingehen wird, ihren perfekten Abschluss finden können. Nun, vor dem Scheiterhaufen des SMX 2016, bleibt ein fader Beigeschmack eines ansonsten guten Motocross-Jahres.

Diskutieren Sie mit! Was halten Sie vom Konzept Supermotocross? Sollte es eine zweite oder dritte Chance geben oder halten Sie das Vorhaben, Motocross in die Fußballstadien zu bringen, für endgültig gescheitert?

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