Ein Hoffnungsschimmer bei der KTM AG

Pit Beirer (KTM): Lob und Kritik für Johann Zarco

Von Günther Wiesinger
KTM-Motorsport-Direktor Pit Beirer hat große Hoffnungen auf Johann Zarco gesetzt. Sie haben sich nicht erfüllt. Die Analyse des KTM-Rennchefs fällt zwiespältig aus.

Mit der Verpflichtung von Johann Zarco wollte das Red Bull KTM Factory Team einen weiteren Schritt Richtung Spitze der MotoGP-WM machen. Doch es bahnte sich vom ersten Test im November in Valencia weg ein Desaster an. Der Franzose ließ nie ein gutes Haar an der KTM RC16, während Teamkollege Pol Espargaró immer wieder für recht eindrucksvolle Resultate sorgte. Er liegt nach 12 von 19 Grand Prix auf dem elften WM-Rang und hat dreimal so viele Punkte gesammelt wie Zarco.

Dabei unternahmen die KTM-Ingenieure von Sebastian Risse bis zu Kurt Trieb und die Rennmanager Pit Beiter und Mike Leitner alles, um die V4-Maschine für den zweifachen Morto2-Weltmeister fahrbarer zu machen. Riookie Miguel Oliveira aus dem Red Bull Tech3-Kundenteam zeigte Fortschritte, glänzte beim GP von Österreich mit dem respekablen achten Platz, während Zarco die Testarbeit von Dani Pedrosa als untauglich abqualifizierte und behauptete: «Wir haben seit November 1000 Sachen probiert, aber nichts funktioniert.»

Zarco gab in Assen im Rennen mit einer makellos funktionierenden Maschine nach Halbzeit auf. Sein Berater Jean-Michel Bayle bezeichnete diese Aktion als «indiskutabel». Inzwischen hat der zweifache Motocross-Weltmeister die Zusammenarbeit auf Eis gelegt. Denn Zarco hat den KTM-Vertrag für 2020 in Spielberg gekündigt, ohne Bayle über seine Pläne in Kenntnis zu setzen.

KTM hat viele unprofessionelle Bemerkungen von Zarco geschluckt, dessen KTM-Jahresgage auf 1,8 Millionen Euro geschätzt wird.

«Wenn wir jedes Wort auf die Goldwaage gelegt hätten, wäre diese Angelegenheit in eine Richtung eskaliert, die nicht mehr kontrollierbar gewesen wäre», stellte KTM-Vorstand Hubert Trunkenpolz fest.

KTM-Motorsport-Direktor Pit Beirer bemühte sich acht Monate lang nach Leibeskräften, zwischen Zarco, den Technikern und dem Team zu vermitteln. «Der Ton in der Box ist laut und rau geworden», fiel Beirer bereits im April in Texas auf.

«Ich habe Nerven wie Drahtseile», tröstete sich Zarcos deutscher Crew-Chief Marcus Eschenbacher zuletzt in Silverstone.

Beim Jerez-GP 2019 versprach KTM-Stratege Pit Beirer: «Wir werden die Probleme an unserem Motorrad bis zur Jahresmitte lösen.»

Tatsächlich gab es für Pol Espargaró bereits in Le Mans im Mai die neue Karbonschwinge und Motor-Updates, es war von einer neuen Zündfolge und von neuen Mappings die Rede. Der Spanier brauste damit in Frankreich auf den 5. Startplatz. Danach wurden die anderen KTM-MotoGP-Fahrer schrittweise mit diesen neuen Errungenschaften ausgestattet.

Beirer nach dem Jerez-GP im Mai: «Wenn man den Johann kennt, weiß man: Sobald seine Emotionen wieder herunten sind, ist er ein total anderer Mensch. Wir haben einen ersten Schritt gemacht und Jean-Michael Bayle verpflichtet, damit er einen Gesprächspartner hat, der ihn etwas runterholt, wenn es stressig wird.»

Nach Jerez: Bayle sollte Zarco helfen

Nach dem Jerez-GP gewann die Öffentlichkeit den Eindruck: Johann Zarco will nicht, und KTM kann nicht.

«Das war Schwachsinn», betonte Beirer. «Denn Johann weiß genau, wo er ansetzen muss, um seinen Fahrstil ein bisserl zu ändern. Er muss uns ein Stück weit entgegenkommen. Wir haben aber natürlich auch verstanden, dass wir ihm das Fahrgefühl geben müssen, das er braucht. Darum bemühen wir uns täglich. Er darf von mir aus offen mit uns reden. Ich will ja die Wahrheit hören und keinen Blumenstrauß. Wir wollen besser werden. Wir sind ein Team und eine Mannschaft und müssen aus diesem Wellental gemeinsam herausfinden», ergänzte ein hoffnungsvoller Pit Beirer zu Beginn der Europa-Saison.

Bayle erzählte im Juki, er habe Zarco mit dem Supermoto beigebracht, dass man als Rennfahrer mit unterschiedlichen Fahrstilen schnell sein könne. 

Johann fahre weit unter seinem Niveau, räumte Beirer ein. «Also müssen wir ihm helfen, damit wir auf das Level zurückkommen, auf das er hingehört.»

Der ehemalige Weltklasse-Motocrossfahrer Beirer war überzeugt: «Wir werden bei KTM mit Johann Zarco noch viel Freude haben. Aber das wird noch eine Zeit dauern.»

Die Freude war bei KTM vor allem nach dem dritten Startplatz in Brünn zu sehen. Aber im Rennen wurde Zarco nach fünf Runden bereits vom KTM-Kollegen Hafizh Syahrin überholt, der als 21. losgefahren war.

Alle Lichtblicke wurden in Silverstone zunichte gemacht, als Zarco seinen Markenkollegen Oliveira um die Chance auf einen Top-Ten-Platz brachte. Zarco sprach von einem Rennunfall, Oliveira sah es anders, die «FIM MotoGP Stewards» teilten dessen Ansicht. Zarco muss auf dem Grid in Misano drei Plätze zurückweichen.

Doch KTM will weiter alles tun, um das MotoGP-Motorrad für Zarco fahrbarer zu machen. Dani Pedrosa liefert dazu wertvollen Input.

Zarcos körperlicher Zustand wurde vor dem Brünn-GP im Red Bull Diagnostics & Trainings Center in Thalgau durchgecheckt. Dort kam ans Tageslicht, dass sein Körper übersäuert ist.

«Johann hat zu viel trainiert, weil er natürlich Leistung bringen will», nimmt Pit Beirer seinen Starpiloten in Schutz. «Wir wissen, dass unser Motorrad nicht super einfach zu fahren ist. Daraus haben wir nie ein Geheimnis gemacht. Aber dass es durchaus geht, zeigt Pol; auch Miguel kommt immer besser in Schwung.»

Die unverständliche Aufgabe von Zarco in Assen stieß bei Beirer auf heftige Kritik. «Denn wir können alles machen, aber wir können nicht aufhören», hält der KTM-Rennmanager fest. «Der Begriff ‚aufgeben‘ kommt in unserem Wortschatz nicht vor. So etwas passt nicht in unser Team. Wenn Johann Schwierigkeiten hat, viel Kraft braucht und mühsame Rennen erlebt, ist das eine andere Diskussion. Aber aufgeben können wir nicht.»

«Der Johann ist für mich trotzdem ein Phänomen», versichert Beirer. «Am Samstag in Brünn ist er unter den widrigsten Umständen, die ein Rennfahrer vorfinden kann, im Qualifying die drittbeste Zeit gefahren. Es war ein bisschen trocken, es war ein bisschen nass. Der Druck war enorm. Du willst nach dem Q1 im Q2 noch einmal liefern. Und dann fährt er plötzlich in beiden Qualis Traumzeiten – er stand in der ersten Reihe. Das gelingt dir nicht, wenn das Motorrad nicht funktioniert. Du kannst es aber auch nicht machen, wenn du nicht ein genialer Motorradfahrer bist. Wir haben natürlich gesehen, dass wir unser Motorrad weiter verändern müssen, damit er sich einigermaßen wohl darauf fühlt. Er muss aber dazu an seiner körperlichen Verfassung arbeiten. Denn er hat in zu kurzer Zeit zu viel trainiert und damit genau das Gegenteil erreicht. Die Mediziner haben in seinem Blut Hinweise und Werte von Übersäuerung und Stress gefunden. Das zeigt, dass Johann in keiner Weise aufgegeben hat, sondern er will den Erfolg mehr als wir alle miteinander. Aber irgendwo gibt’s halt die Limits.»

Pit Beirer: Lob für Pedrosa

Pit Beirer widerspricht Zarco auch, wenn der Franzose behauptet, die Testarbeit von Pedrosa habe bisher keine Früchte getragen.

Beirer: «Das kann ich leider so nicht ganz bestätigen, denn Pol Espargaró fährt jetzt regelmäßig aus eigener Kraft ins Q2. Er holt immer wieder einstellige Ergebnisse. Er ist ein Top-Ten-Kandidat. Und das Set-up, mit dem Johann in Brünn in die erste Startreihe gefahren ist, war 1:1 das Set-up von Dani Pedrosa. Es hat uns in die erste Reihe befördert! Ich habe bisher noch ganz selten total schlechte Motorräder in der ersten Reihe eines MotoGP-Rennens gesehen. Ich glaube nicht, dass wir auf dem falschen Weg sind. Mit dem Dani zu arbeiten, ist eine große Freude. Er bringt unser Motorrad in die richtige Richtung. Das ist ganz klar.»

Red Bull-KTM hat jetzt noch sieben Grand Prix mit Zarco vor sich.

Was kann man vom zweifachen MotoGP-WM-Sechsten aus Frankreich 2019 noch erwarten?

Beirer: «Da traue ich mich jetzt keine Aussage zu machen. Fakt ist, wir geben nicht auf. Wir geben alles, um Johann zu helfen, damit wir gemeinsam aus der Ecke rauskommen. Denn in dieser Ecke fühlen wir uns nicht wohl. Ich bin überzeugt: Er wird unter Wert geschlagen – und wir auch. Unser gesamtes Projekt stehen ein bisschen weiter vorne, als wir mir ihm momentan sind.»

WM-Stand nach 12 von 19 Grand Prix:

1. Márquez 250. 2. Dovizioso 172. 3. Rins 149. 4. Petrucci 145. 5. Viñales 118. 6. Rossi 116. 7. Miller 94. 8. Quartararo 92. 9. Crutchlow 88. 10. Morbidelli 69. 11. Pol Espargaró 68. 12. Nakagami 62. 13. Mir 39. 14. Aleix Espargaró 33. 15. Bagnaia 29. 16. Iannone 27. 17. Oliveira 26. 18. Zarco 22. 19. Lorenzo 21. 20. Bradl 16. 21. Rabat 14. 22. Pirro 9. 23. Guintoli 7. 24. Syahrin 6. 25. Abraham 5.

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