MotoGP-Topspeed: Wird die Motorleistung überbewertet?
Die Aprilia RS-GP hat momentan den Ruf, nach der Ducati Desmosedici das zweitbeste Motorrad im Feld der MotoGP zu sein. Aprilia-Werkspilot Marco Bezzecchi mischte sich bei den Rennen vor der Sommerpause immer wieder unter die führenden Ducatis und konnte diese auf verschiedenen Streckenlayouts regelmäßig herausfordern.
Möglich wurde das auch aufgrund des guten Topspeeds der Aprilia. Auf den Geraden können die Aprilia-Piloten nicht nur mithalten, sondern teilweise auch aus dem Windschatten attackieren oder Überholmanöver vorbereiten.
«Um die Performance zu verbessern, muss man sich alle Bereiche des Motorrads anschauen», betonte Aprilia-Technikchef Fabio Sterlacchini im Exklusiv-Interview mit SPEEDWEEK.com-Redakteur Thomas Kuttruf und erklärte: «Man darf sich in keinem Bereich eine große Schwäche leisten.»
«Wenn man zum Beispiel beim Topspeed nicht konkurrenzfähig ist, dann können die anderen Fahrer sehr leicht überholen und anschließend das Tempo im folgenden Teil der Strecke vorgeben. Dann bestimmen diese Fahrer den Rhythmus eines Rennens.»
Sterlacchini beschreibt damit das Problem, das vor allem die Piloten von Honda und Yamaha haben, die auf den Geraden oft leichte Beute für die Ducatis, Aprilias und KTMs sind. Schlechter Topspeed ist in der modernen MotoGP problematischer als je zuvor.
«Wenn man hinter einem anderen Fahrer fährt, steigt die Temperatur des Vorderreifens und man ruiniert sich sein Rennen. Deshalb ist der Bereich Topspeed wichtig für das Gesamtpaket», verdeutlichte Aprilia-Ingenieur Sterlacchini.
Doch im Gegensatz zu früher hat die Bedeutung der reinen Motorleistung etwas nachgelassen. «Der Topspeed wird von vielen Faktoren beeinflusst: der Traktion, der Wheelie-Neigung und dem Motor. Alles greift ineinander. In Mugello ist die Motorleistung natürlich entscheidend. Doch normalerweise sind die anderen Faktoren wichtiger», verriet Sterlacchini.
Laut dem Aprilia-Technikchef ist vor allem eine gute Beschleunigung am Kurvenausgang notwendig, um am Ende der Geraden die Nase vorn zu haben. Bei einer Motorleistung von etwa 300 PS geht es vor allem darum, die vorhandenen Pferdestärken bestmöglich zu nutzen, anstatt noch mehr Leistung zu erzeugen.
In den Rennen gibt es mit der Limitierung der Spritmenge auf 22 Liter eine weitere Herausforderung zu meistern. «Im Qualifying oder einer normalen Session muss man dieses Thema nicht beachten, im Rennen aber schon. Dann kann man nicht die volle, zur Verfügung stehende Leistung nutzen», bestätigte Sterlacchini.