Formel 1: Ein ungeklärter Mordfall

Brivio: Honda und Yamaha haben das nötige Wissen

Von Sebastian Fränzschky
Laut Trackhouse-Teammanager Davide Brivio ist es nur noch eine Frage der Zeit, bis Honda und Yamaha in der MotoGP wieder zu alter Stärke finden: Brivio zweifelt nicht am Know-how der Japaner, erkennt aber eine Schwäche.

In der MotoGP-Saison 2021 endete eine beeindruckende Erfolgsserie. Von 2008 an stellten japanische Hersteller den MotoGP-Weltmeister. In dieser Ära feierte Honda sieben WM-Titel, Yamaha kam auf sechs Meisterschaften und Suzuki lag 2020 dank Joan Mir im Gesamtklassement vorn. Fabio Quartararos WM-Erfolg in der Saison 2021 war der bisher letzte Titel mit einem japanischen Motorrad.

Seitdem behauptet sich Ducati an der Spitze. Francesco Bagnaia bescherte dem Hersteller aus Bologna den ersten WM-Titel seit Casey Stoners Triumph in der Saison 2007. Nach den beiden WM-Erfolgen von Bagnaia in den Jahren 2022 und 2023 setzte sich Jorge Martin im Vorjahr knapp durch. Aktuell befindet sich mit Marc Marquez erneut ein Ducati-Pilot auf Kurs zum Titel. Ein Ende der Erfolgsserie ist nicht in Sicht.

Vergleichsweise düster sieht es bei den einstigen Platzhirschen aus – Honda und Yamaha suchen nach wie vor nach dem Anschluss. Davide Brivio arbeitete viele Jahre lang für Yamaha und war maßgeblich an den WM-Titeln von Valentino Rossi beteiligt. Später gewann Brivio mit Suzuki die MotoGP. Der Italiener ist sehr gut vertraut mit der Arbeitsweise der japanischen Werke, auch wenn er aktuell für Trackhouse-Aprilia tätig ist.

Im Interview mit SPEEDWEEK.com-Redakteur Ivo Schützbach sprach Brivio über die aktuelle Situation der japanischen Werke, die sich in den zurückliegenden Jahren immer mehr mit europäischen Ingenieuren verstärkt haben. Sind die Tage vorbei, in denen die Japaner ohne fremde Hilfe erfolgreich sein können?

«Ich persönlich sehe das nicht so», stellte Brivio klar. «Natürlich habe ich kein direkten Einblicke, was bei Honda oder Yamaha passiert. Sie haben einige Schwierigkeiten und versuchen, Know-how zu beschaffen, um zu lernen. Doch ich kann mir nicht vorstellen, dass die japanischen Ingenieure verlernt haben, wie man gute Motorräder baut.»

«Honda baut Flugzeuge, sie haben einen Windkanal und viele Ingenieure. Vermutlich ist es einer eine Frage der Organisation und Struktur. Ironischerweise benötigen die Japaner Hilfe von Italienern, um sich besser zu organisieren. Das ist etwas seltsam, doch so ist es», erklärte Brivio und betonte: «Honda und Yamaha fehlt es aber nicht an technischem Wissen oder Ressourcen.»

Die rasche Entwicklung der MotoGP hat die konservativ agierenden Japaner überrumpelt. «Vor 10 oder 15 Jahren haben wir anders gearbeitet. Jetzt gibt es deutlich mehr Analyse-Werkzeuge. Die Software wurde intensiv entwickelt, die Elektronik wurde immer wichtiger, die Aerodynamik und die Devices auch. Es gibt viele neue Features und Gadgets. Die Japaner haben diese Dinge zu Beginn vermutlich unterschätzt», so Brivio.

«Sie haben diesen Bereichen zu wenig Beachtung geschenkt. Die Hersteller aus Europa konnten sich einen Vorteil verschaffen, den die Japaner wieder aufholen müssen. Dieser Vorgang lässt sich beschleunigen, indem man Italiener verpflichtet, die Erfahrungen mitbringen», erklärte Brivio.

Auch wenn Brivio mittlerweile für ein Team tätig ist, das Material von Aprilia bezieht, schwärmt er nach wie vor von der Arbeitskultur der japanischen Werke: «Ich arbeitete viele Jahre für japanische Hersteller und bin deshalb auch ziemlich fasziniert von deren Arbeitsweise. Ich kann mir wirklich nicht vorstellen, dass es an Wissen und Ressourcen mangelt. Sie müssen die Dinge nur richtig adressieren und sich besser organisieren.»

Brivio erinnert an den schrittweisen Aufstieg von Ducati. Mit der Verpflichtung von Luigi Dall’Igna wurde das MotoGP-Projekt der Italiener von Jahr zu Jahr immer erfolgreicher: «Als Dall’Igna zu Ducati kam, wechselte er nicht die Ingenieure aus. Er organisierte deren Arbeit neu. Das hat er richtig gut hinbekommen. Doch soweit ich weiß, waren es die gleichen Mitarbeiter, die bereits in der Ära für Ducati gearbeitet haben, als man weniger Erfolg hatte.»

Das Beispiel Ducati zeigt, dass manchmal nur an der richtigen Stellschraube gedreht werden muss, um ein Projekt in die Erfolgsspur zu bringen. Mit der Regelreform in der MotoGP-Saison 2027 erhalten die japanischen Werke eine neue Chance, um zu alter Stärke zu finden.

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