Moto2: Widerstand nutzlos
Gabor Talmacsi: Bald 600 statt 250 ccm
Die Aufregung und die Beschwerden gegen die revolutionäre Einführung der Einheitsmotoren in der Moto2-Klasse waren nicht weder übermässig gross, ausserdem kamen alle Gegenmassnahmen zu spät.
Beim Jerez-GP wurde nicht sehr überraschend Honda als Lieferant der 600-ccm-Vierzylinder-Motoren bestätigt. Es gab zwar Bestrebungen der Dorna, Kawasaki ins Boot zu holen. Aber irgendwie hatten wir alle das Gefühl, Honda sei unausweichlich der von langer Hand geplante Lieferant der Moto2-Triebwerk.
Die Viertakt-Formel als Nachfolgerin der 250-ccm-Zweitakter ist verständlicherweise von vielen Seiten begrüsst worden, zum Beispiel von den Teams, die alle unter der Finanzkrise und den hohen Kosten der von Aprilia leiden. Die Dorna will durch die 600er-Einheitsmotoren zwei Ziele erreichen: Kostensenkung um bis zu 80 Prozent, ausserdem soll das Feld näher zusammenrücken.
Ein weiterer Vorteil: Wie in der Vergangenheit können sich jetzt kleine, innovative Chassis-Hersteller wie Suter Racing Technology, Moriwaki oder Bimota in der kleinen Klasse einen Namen machen.
Aber hat so ein Honda-Marken-Cup das Recht, sich Weltmeisterschaft zu nennen?
Die Vorteile dieser Entscheidung haben wir erwähnt. Die Befürworter dieser Formel jubeln. Die Gegner werden als hoffnungslose Puristen beschimpft, die den Zug der Zeit nicht erkannt haben. Aber diese Beschimpfung ist kein vernünftiges Argument.
Es hat noch nie eine Weltmeisterschaft mit Einheitsmotoren existiert, weder auf zwei noch auf vier Rädern. Die rigorosen technischen Beschränkungen für die Moto2-Kategorie erinnern eher an eine Junioren-Klasse in einer nationalen Meisterschaft oder an britische Club-Races als an eine Prototypen-GP-Klasse, die eigentlich den Gipfel des Motorradrennsports darstellen soll.
Die Puristen hofften auf die FIM als Verbündeten. Aber der Weltverband hat alle MotoGP-Rechte 1992 an die Dorna verkauft, besonders die kommerziellen Rechte. Die FIM hat nur die Autorität über die sportlichen Vorschriften behalten.
Die Hoffnungen der Gegner von Einheitsmotoren bestand darin, dass die FIM als MotoGP-Sporthoheit diese massive Reglementsänderung als «sportliche Angelegenheit» betrachten und Einspruch erheben würde. Schliesslich geht es um grundsätzliche Rahmenbedingungen der bisherigen 250er-Klasse.
Aber lange vor der Verkündigung von Honda als Motorenlieferant war der Widerstand der Gegner und Puristen zerbröckelt. Man hat weitgehend widerstandlos hingenommen, dass die 250er nach der Saison 2009 durch die 600er abgelöst werden.
Natürlich müssen FIM und Dorna den 250ern noch ein Übergangsjahr zugestehen. Aber das eine rein formelle Angelegenheit. In Wirklichkeit wird kein Team 2010 eine 250er einsetzen, denn sie sind teurer und mit 110 PS gegen die knapp 150 PS starken 600er chancenlos. Keine rosigen Aussichten für Gilera und Aprilia, die Marken der italienischen Piaggio Group wird sich aus dieser Klasse verabschieden.
Die technischen Vorschriften wurden überfallsartig geändert. Normalerweise müsste eine Zwei-Jahres-Frist eingehalten werden. So war es am 8. Dezember auch von der FIM noch geplant und angekündigt worden. Aber die Dorna hat wohl auch für diesen Aspekt eine passende Ausrede: Die Finanzkrise kann als «höhere Gewalt» als Ursache der beschleunigten Abwicklung genannt werden.
Alle Beschwerden sind beim FIM-Präsidenten Vito Ippolito abgeblitzt. Er ist Teil des zweiköpfigen «Permanent Bureau», das die Einheitsmotoren befürwortet hat. Neben ihm sitzt nur noch Dorna-Chef in dieser Kommission. Die Regeln sind beschlossen. Ippolito ist überrumpelt worden. Es wäre aussichtlos gewesen, bei Gericht klären zu lassen, ob die FIM die Entscheidung durch ein Veto beeinspruchen hätte können. War es eine sportliche Entscheidung? Oder doch eine technische? Dann wäre ohnedies das Hersteller-Bündnis MSMA zuständig, und dieses hat Ende März einstimmig Einheitsmotoren vorgeschlagen.
Ausserdem erhält die FIM im Jahr 7 Millionen Dollar von der Dorna. Wie heisst es so treffend? Wessen Brot ich esse, dessen Lied ich singe.
Die Moto2-Dampfwalze ist längst ins Rollen gekommen. Sie beschleunigt wie ein Sportmotorrad. Sie ist nicht mehr zu bremsen. Die Puristen stehen auf verlorenem Posten.