KTM: Im Werk gingen die Lichter aus

Dorna hat Hersteller gewarnt: Jetzt der große Jammer

Von Ivo Schützbach
Weil in der bisherigen Superbike-WM-Saison 2017 von 36 Podestplätzen 35 an Kawasaki und Ducati gingen, werden die Stimmen immer lauter, dass es eine andere Balance-Regel braucht.

Platz 3 von Yamaha-Werksfahrer Alex Lowes im ersten Rennen in Donington Park war das einzige Mal in der bisherigen Saison, dass die drei Podestplätze nicht ausschließlich von Kawasaki- und Ducati-Piloten belegt wurden. Wäre Weltmeister Jonathan Rea nicht an zweiter Stelle wegen defektem Hinterreifen gestürzt, wäre es auch dazu nicht gekommen.

Yamaha hat sich für 2017 verbessert und ist klar dritte Kraft. BMW, MV Agusta und Aprilia kommen gegen Kawasaki und Ducati nie und gegen Yamaha nur selten an. Honda bildet mit der neuen Fireblade unter den sieben Herstellern aktuell das Schlusslicht.

Kein Wunder, fordern immer mehr Fahrer, Teams, Hersteller und Fans nach einer anderen Balance-Regel, um die übermächtigen Jonathan Rea, Tom Sykes und Chaz Davies auf ihren Kawasaki ZX-10RR und Ducati 1199 Panigale R einzubremsen.

SPEEDWEEK.com evaluierte das Thema mit Dorna-Manager Gregorio Lavilla, dem Sportdirektor der Superike-WM.

Greg, die heutige Balance-Regel bestimmt nur das Kräfteverhältnis zwischen Zwei- und Vierzylinder-Maschinen. Wäre es in Anbetracht der Kawasaki- und Ducati-Dominanz nicht sinnvoller, ein anderes System einzuführen?

Wir dachten darüber nach und waren schon immer der Meinung, dass es keinen Sinn macht, die Twins zu bestrafen wenn sie gewinnen, die Vierzylinder aber nicht.

Gemeinsam mit den Herstellern versuchten wir eine Lösung zu finden, die Mehrheit unter ihnen war aber mit der jetzigen Regelung glücklich.

Warum das so ist, wurde mir nie klar.

Hersteller kann man auch schlecht bestrafen, da zum Beispiel sieben Kawasaki im Feld sind, aber nur zwei davon gewinnen.

Richtig. Der nächste Schritt wäre, Teams zu bestrafen, dann Fahrer.

Heute gewinnt das Kawasaki-Werksteam, die Kawasaki-Privatteams aber nicht. Wahrscheinlich, weil sie nicht so viel investieren wie das Werksteam. Sollen sie bestraft werden, nur weil sie die gleichen Motorräder haben?

Oder wollen wir die Fahrer für ihre Fähigkeiten bestrafen? Wie unterscheiden wir zwischen einem Sieg mit 0,1 oder 10 sec Vorsprung?

Am Ende wird alles so kompliziert, dass wir uns fragen müssen, ob wir das wirklich wollen.

Was passiert mit dem Interesse eines Herstellers, wenn wir Schritte unternehmen seine Fortschritte zu stoppen?

Wir kamen mit den Herstellern überein, dass der beste Weg ist, wenn wir die technischen Regeln so festlegen, dass dadurch eine größtmögliche Balance entsteht.

Natürlich gibt es nach wie vor Bereiche, in denen wir das Reglement verbessern können, damit sich die Budgetunterschiede der Teams nicht mehr so gravierend auswirken.

Aber man kann nicht alles kontrollieren. Im Sport wird es immer so sein, dass es einen gibt, der mehr Kraft aufwendet, mehr Geld oder bessere Voraussetzungen hat.

Und wenn ihr den entgegengesetzten Weg einschlagt, und nicht erfolgreiche Teams oder Fahrer bestraft, sondern erfolglose belohnt? So wie es in MotoGP gemacht wird.

Superbike ist nicht MotoGP – wer soll bezahlen? Wenn ich heute zu MV Agusta gehe und ihnen vier Motoren pro Saison mehr zugestehe, dann werden sie mir sagen, dass sie deswegen auch nicht mehr Leistung aus ihnen herausholen können. Wenn ich ihnen spezielle Pleuel oder Kolben zugestehe, werden sie mich fragen, wovon sie das bezahlen sollen.

Wenn du aber zu Honda gehst, wären sie dankbar für mehr Motoren, Entwicklungsfreiheit oder Testtage.

Das glaube ich nicht. Mit allem Respekt vor Honda, bei diesem Projekt steckt kein Werksengagement dahinter. Sie haben ihre Serienmaschine fünf Monate lang vor dem Saisonstart im Werk entwickelt und tausende Tests absolviert, trotzdem kamen sie nicht auf den höchsten Level.

Tatsache ist: Die Lücke zwischen dem Ersten und Letzten ist heute geringer als früher, als es volle Entwicklungsfreiheit gab. Die Kosten sind weniger, es gibt aber nach wie vor Unterschiede zwischen den Teams – das wird auch immer so sein.

Wenn alle Fahrer mit der gleichen Maschine fahren, dann gibt es immer einen, der heraussticht und den Unterschied ausmacht. In jedem Rennen ist es so, dass einer gewinnt und einer Letzter wird. Wichtig für mich ist, dass der Letzte manchmal die Chance hat zu gewinnen. Dafür musst du die richtige Balance schaffen.

Die jetzigen Regeln können verbessert werden. Wenn ich das sage, muss ich aber wieder darauf zurückkommen, dass wir bei den technischen Regeln versuchen, dem Willen der Mehrheit der Hersteller zu entsprechen.

Als Dorna die Superbike-WM übernahm, legten wir einige Regelvorschläge vor, die von den Herstellern abgelehnt wurden. Was wir heute sehen ist das, was wir in der Vergangenheit kritisiert haben. Dorna und FIM haben das sehr wohl auf dem Schirm.

Wir sprechen zwar über Sport, in Wirklichkeit geht es aber um Show-Business. Und wenn immer die Gleichen gewinnen, ist das nie gut für den Sport.

Da stimme ich absolut zu.

Deshalb beschäftige ich mich momentan bis ins Detail damit, wie sehr die Teams die Gegebenheiten ausnützen, um das bestmögliche Resultat zu erreichen.

Sind die Regeln unfair? Oder nützen nicht alle Teams sie aus?

Ich sage das, weil ich nicht nur mit Herstellern spreche, sondern auch mit Privatteams. Von diesen erzählen mir einige, was sie bei den Herstellern kaufen können, die gleichen Teile, wie sie die offiziellen Teams haben. Es gibt aber auch Bereiche, in denen es ihnen an Ressourcen fehlt, um gewisse andere Dinge selbst zu erreichen.

Wir haben immer noch die Möglichkeit, gewisse Vorgaben in die Regeln einzubauen. Vorgaben, die bisher von der Hersteller-Vereinigung MSMA nicht akzeptiert wurden. Jetzt scheinen sie dafür offener zu sein.

Man muss sich aber auch die Frage stellen, ob die aktuellen Regeln dafür verantwortlich sind, was wir heute auf der Rennstrecke sehen? Nein. Es ist das jeweilige Engagement jedes Herstellers und Teams, das den Unterschied ausmacht: Bringt ein Hersteller jedes Jahr eine neue Maschine; geht er im Winter zweimal oder 15 Mal zum Testen. Das macht den Unterschied aus.

Wie willst du Teams helfen – außer mit Geld?

Letztlich reden wir über Geld – Geld macht dich schneller.

Dann musst du aber dafür Sorge tragen, dass die Teams das Geld in ihr Material und die Fahrer investieren.

Das ist der Punkt.

Wenn wir zum Beispiel einen Kostendeckel für das gesamte Rennmotorrad einführen würden, dann würde das ganze Geld investiert, um den bestmöglichen Fahrer zu bekommen.

Wir müssen dafür Sorge tragen, dass die Rahmenbedingungen so sind, dass jeder Erfolgschancen hat und die Show dadurch besser wird.

In der Vergangenheit hat sich nicht deshalb nichts geändert, weil wir das nicht wollten. Wir wurden oft angeprangert, weil wir viele Sachen geändert haben. Es war aber nicht genug, wie jetzt einigen klar wird.

Das liegt daran, weil jetzt jemand besonderes Engagement zeigt, aber merkt, dass ihm der Schritt nach vorne trotzdem nicht gelingt.

Könnte eine Lösung sein, dass du die Privatteams mehr unterstützt?

Wir haben zwei Möglichkeiten: Kosten reduzieren, Unterstützung erhöhen. Oder beides.

Ich bevorzuge es die Kosten zu reduzieren, statt die Unterstützung zu erhöhen – weil du nie weißt, wohin das Geld fließt.

Wenn du Kosten senkst weißt du zumindest, wohin das Geld nicht fließt. Dafür gibt es noch einige Möglichkeiten, die sich direkt positiv auf die Teambudgets auswirken werden. Die Performance einiger Teams wird dadurch nicht besser. Andere werden die dadurch freigewordenen Ressourcen aber nützen, um den Unterschied auszumachen. Vielleicht werden die Rückstände dadurch geringer.

 

 

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